Fleischerinnung Bonn/Rhein-Sieg „Uns geht der Ausbruch bei Tönnies nichts an“

Wachtberg · Fleischer-Obermeister Adalbert Wolf geht auf Distanz zu industriellen Fleisch-Betrieben. Sie als Innung gehe der Corona-Ausbruch bei Tönnies nichts an: „Wir begeben uns nicht auf das Niveau der Fleischindustrie, wir sind das Handwerk.“

 In seinem Betrieb würzt Adalbert Wolf das Fleisch, das im sogenannten Cutter fein zerkleinert wird.

In seinem Betrieb würzt Adalbert Wolf das Fleisch, das im sogenannten Cutter fein zerkleinert wird.

Foto: Petra Reuter

Es gibt derzeit leichtere Posten als den von Adalbert Wolf. Tagein, tagaus muss der Obermeister der Fleischerinnung Bonn/Rhein-Sieg und Landesmeister des Verbandes NRW das verteidigen und erklären, was sein Leben ist: das Handwerk. Seit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies stehe die gesamte Produktion in Deutschland in der Kritik. Dazu sagt Wolf klar: „Uns als Innung geht der Ausbruch nichts an. Wir begeben uns nicht auf das Niveau der Fleischindustrie, wir sind das Handwerk.“

Der Großteil der Verbraucher erkenne nach dem Skandal jedoch erstmals diesen Unterschied. „Die Betriebe, von denen wir unser Fleisch beziehen, haben regionale Strukturen und keine Werksarbeiter“, so der Pecher. Trotzdem kritisiert der 57-Jährige den Umgang der Politik mit den Fleischern. „Andere bauen den Mist, den wir ausbaden müssen.“ Zu oft würden Handwerk und Industrie noch in einen Topf geworfen. „Lasst den Metzger zurück in die Wurstküche“, fordert Wolf.

Zu Massenprodukten, der Fleischindustrie und ihren Schlagzeilen hat Wolf eine klare Haltung. „Es kann nicht sein, dass da Leute eingepfercht werden, um hier zu arbeiten, bloß um die Mindestlohnregelung zu umgehen“, so Wolf. Dass das Infektionsrisiko in industriell geprägten Betrieben höher ist, sei nicht von der Hand zu weisen. In einem Familien- oder Kleinbetrieb werde deutlich weniger Fleisch verarbeitet, und es seien meist zwischen drei und zwölf Mitarbeiter tätig.

Tierwohl spielt im Handwerk eine große Rolle

Diese Betriebe böten oft deutlich individuellere Waren an. „Der Begriff Fleischdesigner kommt nicht von ungefähr“, erklärt er. In kleinen, qualitätsbewussten Unternehmen frage der Betreiber im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus nach der Fleischherkunft und beschäftige sich auch mit der Weiterentwicklung der Verarbeitung. So könne etwa mancher besonders zarte Ware anbieten, weil er eine besondere Schnitttechnik perfektioniert habe. „Und wenn es um das Tierwohl geht, dann muss man auch fragen: Wo kommt das Tier her?“, sagt Wolf. Von Tierwohl könne seiner Meinung nach nicht die Rede sein, wenn diese bei Transporten zig Kilometer hinter sich bringen müssen. Eine vernünftige Einstellung der Verbraucher hinsichtlich der viel diskutierten Kostenfrage wäre nach Wolfs Überzeugung, im Zweifelsfall nicht jeden Tag Billigfleisch zu essen, sondern lieber seltener und dafür gutes Fleisch zu essen.

Vor 59 Jahren hatte sich der Vater von Adalbert Wolf in Pech als Metzger niedergelassen. Das traditionelle Handwerk erfuhr seither vor und hinter den Kulissen einen starken Wandel. „Als mein Vater das Handwerk gelernt hat, hieß es noch Metzger“, sagt Wolf. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts begann das Ansehen des Berufsstands zu leiden. Um nicht das Image, sondern die Arbeit wieder in den Fokus zu rücken, haben die Entscheidungsträger laut Wolf damals für die Umbenennung des Berufs votiert. „Seither heißt es Fleischer statt Metzger“, sagt Wolf. Und wie einige Tierschützer den Beruf früher dargestellt hätten, habe er selbst seine Rolle nie gesehen. „Mich hat das Handwerk interessiert, weil ich kreativ tätig sein kann und muss“, sagt der 57-Jährige. „Man muss immer wieder Neues schaffen, mal andere Wege gehen.“

Während die Hausfrauen noch vor 60 Jahren Sonntagsbraten und Geschnetzeltes in der Metzgerei erwarteten, seien die meisten Geschäfte heute fast Feinkostläden. „Wir bieten dem Kunden das Komplettprogramm vom zarten Fleisch über den Käse bis zum Convenience-Produkt und dem dazugehörigen Gemüse.“

Zudem habe Wolf in den vergangenen Jahren in seinem Betrieb etwa 20 neue Wurstspezialitäten entwickelt, darunter auch patentgeschützte. „Wenn ich eine Idee für eine gute Wurst habe, dann verfolge ich die, bis es genauso passt, wie ich sie ursprünglich haben wollte“, so Wolf. Dabei hat Wolf immer ein Auge auf die Bedürfnisse der Kundschaft. So hätten jüngere Menschen meist andere Wünsche als Senioren. „Von Null bis 30“ ist laut Wolf das Alter, in dem die Menschen eher zu den klassischen Wurstangeboten wie Salami, Fleisch- und Leberwurst greifen. Zwischen 30 und etwa 55 Jahren seien Convenience-Produkte beliebt, ab Mitte 50 entdecken viele die Vorlieben für klassische Braten oder Kochfleisch wieder.

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