„Pecher Schulchronik“ Die Chronik berichtet vom Erfinder der Wurzelschrift

Pech · Der zweite Teil der „Pecher Schulchronik“ ist erschienen. Sie gibt einen Einblick in das Dorfleben vor Jahrzehnten – seine schönen, aber auch schwierigen Seiten.

 Lehrer Reifferscheid zeigt die „Sprechspur“, auch Wurzelschrift genannt.

Lehrer Reifferscheid zeigt die „Sprechspur“, auch Wurzelschrift genannt.

Foto: Repro: Petra Reuter

Sütterlin, deutsche Kurrentschrift und natürlich Handschriften hat die ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins Pech, Christa von Düsterlho, in ihrem Projekt „Pecher Schulchronik“ kennengelernt. In manche sprachliche Eigenheiten musste sie sich zu Beginn erst einlesen, bis sie 2019 im Rahmen der Reihe „Dorfporträts“ des Heimatvereins das erste Heft zur Pecher Schulchronik erstellt hatte. Vor Kurzem ist der zweite Teil der interessanten Chronik erschienen. Sie gibt einen Einblick in das Dorfleben vor Jahrzehnten – seine schönen, aber auch seine schwierigen Seiten.

„Ungefähr ein Jahr lang hat es gedauert, die Bücher einzusehen, das Material auszusuchen und aufzubereiten“, sagte von Düsterlho. Der Umfang ihrer Forschungen lässt sich – zumindest bei den Daten, die bis ins 20. Jahrhundert reichen – in Kilogramm messen. „Die verschiedenen Chroniken hat die Gemeinde zu festen Ledereinbänden verarbeitet, die haben Gewicht“, so von Düsterlho.

Mitgeschrieben hatten an den Buchchroniken von 1951 bis 2012 Willi Münz, Alfons Paus, Klaus Eichner, Brigitte Römmelt und Renate Clasen. In den darauf folgenden Jahren wurde die Chronik noch bis 2017 per Computer weitergeführt. „Danach hat sich niemand mehr bereit erklärt, die Schulchronik zu schreiben“, berichtete das aktive Heimatvereinsmitglied.

Erschütternde Zuständen, effektives und beachtliches Lehrerengagement

Der erste Teil der Schulchronik wirft einen Blick auf erschütternde Zuständen, effektives und beachtliches Lehrerengagement und manch lustiges Ereignis bis etwa 1945. Die aktuelle Ausgabe befasst sich mit der Zeit von Kriegsende bis etwa 1974 – in Text und anhand historischer Fotografien. „Da findet man noch einige bekannte Gesichter und Ereignisse, an die sich Eltern und Großeltern vielleicht erinnern werden“, sagte von Düsterlho. Auch an die Lücke in der Reihe der aufgezählten Dorfschullehrer werden sich vielleicht einige Mitbürger erinnern.

So hatte sich nach den Lehrern M. Stolz, Klees, C. Krebsbach, Rausch, Heinrich Toenessen, Heinrich Weber, Anton Frings und Peter Kurtenacker der Lehrer Otto Reifferscheid um die Pecher Schule und ihre Zöglinge bemüht. Dessen Eintragungen enden allerdings abrupt im Jahr 1949. Der seit 1926 an der Schule aktive Lehrer hatte einige Jahre zuvor deutschlandweit mit seinen Lehrmethoden und einer von ihm erfundenen Schrift, Wurzelschrift oder Sprechspur genannt, von sich reden gemacht. Um den Lesern die Zeit vor, während und nach dem Krieg nahezubringen, enthält die „Pecher Schulchronik Teil II“ einen wörtlich wiedergegeben Text des Anfang der 1930er Jahre geborenen Zeitzeugen Alois Kindler.

Der Leser erfährt von Kindern, die ihre Wege am ersten Schultag ohne Eltern zu bewältigen hatten, vom heute in dieser Form nicht mehr denkbaren Schulalltag mit Frühsport, Kampfspielen und Ringelreihen oder von der Klassengröße des Einschulungsjahrgangs 1938. Zu dieser Zeit schulte der Lehrer ohne große Feierlichkeit nämlich vier Jungen und zwei Mädchen in der erste Klasse ein, der schlicht zwei der vorderen Tische in der „Einraumschule“ zugewiesen wurde.

Lehrmittel wurden mit mageren Ressourcen hergestellt

Zudem glänzte Reifferscheid zu dieser Zeit durch eine gewissen Kreativität. Lehrmittel wurden mit den mageren Ressourcen hergestellt, Lernspiele erfunden und damit das Lernen per Schiefertafel oder – je nach Klasse – Feder und Tinte ergänzt. Das Verbot des Religionsunterrichts während des Krieges hinderte Reifferscheid nicht daran, regelmäßig die Inhalte der Sonntagsschule abzufragen. Ebenso wenig scheute er sich, zur Zeit der Schulschließung bis zum September 1945 die Kinder in wechselnden Privathäusern zu unterrichten. Ob er wegen seiner neuen Lehrmethoden, einer gewissen Unbeugsamkeit oder aufgrund von Anfeindungen 1949 sang- und klanglos aus dem Leben der Schule verschwand, ließ sich laut Christa von Düsterlho bisher nicht herausfinden.

Otto Reifferscheid folgten Vertretungslehrer, bis Willi Münz am 1. April 1951 nach Pech versetzt wurde. In seinen Chronikberichten erfährt der Leser von Ausflügen, der Schulerweiterung, der ersten Turnhalle im Ländchen und von vielen Details der Schule, deren Werden das Leben im Ort widerspiegelt.

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