Tempolimit in Wachtberg Diskussion über Tempo 70 auf den Landstraßen hält weiter an

Wachtberg · Auf allen Landstraßen nur noch maximal Tempo 70? Die Politik in Wachtberg hält das Thema weiter am kochen. Ein Experte des Straßenverkehrsamtes erklärt dem Ausschuss, was in Wachtberg möglich ist.

 Hier gilt noch Tempo 100: Auf dem Villiper Weg zwischen Villip und Arzdorf dürfte der geforderter Zwei-Meter-Abstand zu Radfahrern bei entgegenkommenden Autos nicht einzuhalten sein.

Hier gilt noch Tempo 100: Auf dem Villiper Weg zwischen Villip und Arzdorf dürfte der geforderter Zwei-Meter-Abstand zu Radfahrern bei entgegenkommenden Autos nicht einzuhalten sein.

Foto: Axel Vogel

Der Bürgerantrag war einfach formuliert: „Der Rat der Gemeinde Wachtberg möge beschließen, auf allen Land- und Kreisstraßen im Gemeindegebiet die maximale Geschwindigkeit auf 70 Stundenkilometer zu begrenzen.“ So lautete die Kernforderung Andreas Stümers von der Ortsgruppe Wachtberg des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Mitte März im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität vorgetragen hatte.

Im Ausschuss fand der Bürgerantrag viel Zustimmung, doch bereits vor rund zwei Monaten war klar, dass die Gemeinde bei der Umsetzung eines solchen Vorhabens wenig Handlungsspielraum haben wird. Vielmehr ist hier das Straßenverkehrsamt in der Siegburger Kreisverwaltung der richtige Ansprechpartner. Doch auch da sind die Möglichkeiten begrenzt, wie Christoph Paßgang, Abteilungsleiter im Siegburger Straßenverkehrsamt, kürzlich dem Ausschuss gegenüber ausführte.

Straßenverkehrsordnung schreibt Tempolimits vor

Was ist rechtlich überhaupt möglich bei der Festlegung eines inner- beziehungsweise außerörtlichen Tempolimits? „Bei der Frage werden wir auf den Begriff der Gefahrenlage kommen“, erklärte Paßgang. Warum er überhaupt dem Ausschuss vortrug, erklärte er so: „Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sind verkehrsrechliche Maßmaßnahmen auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung, für die die Straßenverkehrsbehörde zuständig ist.“ Und die habe nun im Fall von Wachtberg in Gestalt des Straßenverkehrsamtes eben ihren Sitz in Siegburg. Dabei seien diese Aufgaben staatliche Pflichtaufgaben. „Das bedeutet ganz grundsätzlich, dass das Straßenverkehrsamt bei diesen Entscheidungen immer den Hut auf hat.“

Paßgang ist sich klar darüber, dass diese Aussage im Wachtberger Fachausschuss als „Stimmungskiller“ empfunden werden könnte, aber das Festlegen eines Tempolimits falle eben nicht in die Entscheidungshoheit einer Gemeinde: „Aber natürlich haben verkehrsrechtliche Maßnahmen immer auch Schnittmengen mit Bedürfnissen, Überlegungen und Planungen im Sinne eines kommunalen Selbstbestimmungsrechts.“ Daher entscheide man solche Dinge auch in Absprache mit der Bonner Polizei.

Was nun konkret den ADFC-Antrag und Tempo 70 auf Kreisstraßen angeht, verwies der Kreisexperte auf das Gebot der Bundeseinheitlichkeit der Straßenverkehrsordnung, wonach alle Verkehrsteilnehmer bundesweit bei vergleichbaren örtlichen Gegebenheiten die gleichen Regelungen zu beherzigen hätten. Dazu gehöre grundsätzlich eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer innerorts und 100 Stundenkilometer außerorts.

Darüber hinausgehende Beschränkungen wie Tempolimits könnten Straßenverkehrsbehörden nur anordnen, „wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt“. Pauschale Änderungen bedürften daher eine Änderung des Gesetzesgebers resümierte Paßgang: „Daher hat ein Straßenverkehrsamt überhaupt keine Kompetenzen, da flächendeckend Maßnahmen anzuordnen.“ Paßgang verwies in dem Zusammenhang auf die Initiative „Lebenswerte Städte“, die das versuche zu ändern.

Städte und Gemeinden wollen mehr Mitsprache

Eine im Juli 2021 von derweil über 700 Städten und Gemeinden gegründete Initiative, setzt sich gegenüber dem Bund dafür ein, „dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden“. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) habe dem Ansinnen zwar eine generelle Absage erteilt, aber angekündigt, dass es möglicherweise zum Jahreswechsel zu Änderungen in der Straßenverkehrsordnung kommen könne.

Allerdings gibt es laut Chistoph Paßgang „Türöffner“, um Tempolimits zu ändern. Am einfachsten sei das mit Blick auf eine Unfalllage umzusetzen, „die auf Geschwindigkeit basiert“. In dem Fall wäre das Straßenverkehrsamt sogar in der Pflicht, Maßnahmen in die Wege zu leiten. Ein weiterer Ansatzpunkt wären eingeschränkte Sichtbeziehungen oder unzureichend zur Verfügung stehende Verkehrsflächen, etwa „weil auf der Straße viel zu viel los ist“.

Weiterhin nennt er als Ansatzpunkt schwer kalkulierbare Fehlverhalten beispielsweise durch Schülergruppen: „Die verhalten sich nicht verkehrs- sondern altersgerecht.“ Ferner könnten auch Straßenschäden sowie das Überschreiten von Immissionsgrenzen bei Schadstoffen oder Lärm Anlass für ein Tempolimit bieten.

Für Christoph Paßgang gibt es Ansätze für eine „kreative Herangehensweise“. Etwa über die neue gesetzliche Vorgabe, Radfahrer innerorts mit 1,50 Meter Mindestabstand zu überholen und außerorts mit zwei Meter Abstand. Er stelle sich etwa die Frage, ob sich im fließenden Verkehr ein Rad mit Tempo 100 überhaupt so überholen lasse, ohne den entgegenkommenden Verkehr zu behindern.

Ausschussmitglied Oliver Henkel (Grüne) zeigte sich dankbar für Paßgangs Ausführungen. Denn er hatte sofort den Villiper Weg zwischen Villip und Arzdorf im Auge. Dort sei nämlich Tempo 100 zwar erlaubt, aber die ohnehin enge Strecke auch noch wegen einer Kuppe schwer einsehbar. „Die Gefahrenlage dort ist durch den geforderten Zwei-Meter-Abstand deutlich besser begründbar.“

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