Wachtberger Originale Dorothee Hochgürtel: Biolandwirtin aus Leidenschaft

WACHTBERG · Nur die Wasserkante am Stall und ein großer Abfall-Container vor der Scheune erinnern daran, dass die Hofstelle von Biolandwirtin Dorothee Hochgürtel nach dem Juni-Unwetter einen halben Meter tief unter Wasser stand.

 Dorothee Hochgürtel mit einer ihrer Ziegen im Stall in Züllighoven.

Dorothee Hochgürtel mit einer ihrer Ziegen im Stall in Züllighoven.

Foto: Katharina (FM) Weber

Der Schlamm ist weggeputzt, die Scheune aufgeräumt und die rund 20 Ziegen vor Ort bestens versorgt. Auch den schlimmsten Ereignissen kann Hochgürtel etwas Positives abgewinnen, seien es Unwetter oder der Tod ihres geliebten Pferdes. „Der war so einmalig, der wusste, was ich gedacht habe“, erinnert sie sich zurück.

Er liebte es, seinen Wassereimer in die Schnauze zu nehmen und damit die Menschen zu begießen. Das habe er auch schwer krank, kurz bevor er eingeschläfert wurde, noch gemacht. „Der hat mir ganz viel von meinem eigenen Charakter beigebracht. Der Verlust hat mich getroffen, aber im Nachhinein habe ich auch das positiv umgewandelt“, erzählt die ehemalige Turnierreiterin mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Sie ist durch und durch eine Frau der Tat: Gitterzäune, Stallboxen, Dachstühle – die Hofstelle in Züllighoven habe sie mit ihrer Familie so gut wie alleine gebaut, berichtet sie stolz und doch bescheiden zugleich. Dabei ist Hochgürtel eigentlich studierte Pharmazeutin. Mit der Landwirtschaft fing sie eher zufällig an: Gesundheitliche Probleme brachten sie Anfang der 90er Jahre dazu, ein Stück Wiese hinter ihrem Haus umzugraben, um dort Gemüse anzubauen.

Ein Obstbaumschnittkursus änderte dann endgültig ihre Sicht der Dinge: „Ich habe angefangen, mehr draußen hinzugucken. Was vorher selbstverständlich immer da war, habe ich aus einem anderen Blickwinkel betrachtet“, erinnert sich die 58-Jährige. Schnell erkannte sie das Potenzial der hiesigen Obstbäume: 1994 gründete sie den Streuobstwiesenverein Wachtberg mit und kämpfte engagiert und erfolgreich dafür, von der Gemeinde ein Stück Land für sich zu erhalten. Erklärtes Ziel: die Erhaltung alter Apfelsorten. Heute wachsen auf ihrem 14-Hektar-Betrieb über 130 davon.

Außer ihr darf an ihre Schätzchen aber niemand heran: „Auch Baumschnitt ist eine gewisse Philosophie“, erläutert sie. Wenn es um „Graue Herbstrenette“ und „Rheinischen Bohnapfel“ geht, kommt sie ins Schwärmen, gestikuliert stark, während sie bei Anbau, Schnitt und Vermarktung ins Detail geht. „Ich rede vielleicht manchmal ein bisschen viel, das sagt man mir nach“, reflektiert sie. Ihr Wissen gibt sie gerne weiter. Zur Apfelernte lädt sie Schulklassen ein, führt Interessierte über die Obstwiesen und bietet über die Volkshochschule ein Ferienprogramm für Familien an.

Biolandwirtin ist sie offiziell seit 2001 und hofft, noch vor der Rente nicht mehr auf ihre Tätigkeit als Apothekerin angewiesen zu sein. Stillsitzen ist nicht ihr Ding und so entwickelt sie das Gesamtkonzept ständig weiter: Obstanbau, Viehhaltung, Tourismus und Umweltbildung – das Gespräch unterbricht ein Maler, der das neue Wirtschaftsgebäude inklusive zu vermietender Schulungsräume streichen soll. „Ein echter Luxus“, sagt sie fast verlegen, sonst habe sie hier alles selbst angestrichen. Sollten ihre Kinder Till (28) und Anke (26) den Hof übernehmen wollen, würde sie sich freuen, aber sie setzt sie nicht unter Druck. Ihr Mann komme jedenfalls nicht mit den Ziegen klar, verrät sie. Wegen ihrer Intelligenz haben ihr die Tiere stets imponiert.

Die ersten beiden Ziegen hatte sie schon lange vor ihren Kindern. Schließlich wurden es 39 und das Hobby zum Beruf. „Meine Philosophie ist eigentlich: Ich mache in der Landwirtschaft das, was keiner macht.“ So kam es, dass sich zu den Ziegen noch 48 Heidschnucken gesellten – eine vom Aussterben bedrohte Haustierrasse.

Ob bei all der Arbeit auch noch ein bisschen Freizeit bleibt? „Ich nehme mir die durchaus, aber bei mir kann Freizeit auch sein, wenn ich für mich alleine meditativ Obst ernte, weil ich dann viele Dinge ausblenden kann“, erklärt sie lächelnd. Auch ein gutes Buch oder eine Runde Reiten mit der Tochter entspannen sie.

Ursprünglich stammt Hochgürtel aus Bochum, aufgewachsen ist sie in Osnabrück. Zum Studieren zog sie mit 19 nach Bonn, wo sie über den Reitsport nach Wachtberg kam. Dort lernte sie ihren späteren Mann Alois kennen, „einen Ur-Züllighovener“, wie sie selbst sagt. Das Norddeutsche bei ihr schlägt manchmal noch durch: „Meine Meinung sag ich, ob jemand sie hören will oder nicht.“

Die Serie

Der Duden weiß es ganz genau. Ein Original ist umgangssprachlich jemand, „der unabhängig von der Meinung anderer in liebenswerter Weise durch bestimmte Besonderheiten auffällt“. Der General-Anzeiger widmet sich eben jenen Menschen, die im positiven Sinne „auffallen“. Dabei muss es sich nicht nur um berühmte Bürger der Gemeinde handeln.

Kennen Sie auch jemanden, den der GA einmal porträtieren sollte? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail angodesberg@ga.de.

In der nächsten Folge am Mittwoch, 24. August, geht es um den Vater der Wachtberger Ferienfreizeit, Winfried Ley.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort