Vandalismus in Wachtberg Erinnerungsort an Toten geschändet

WACHTBERG · Tamina und Oliver Linden sind empört. Und tieftraurig dazu. Die Lindens sprechen von "Vandalismus und Werteverfall". Aber auch davon, wie verletzt sie und ihre Freunde sich in ihrer Trauer fühlen.

 Leer ist die Stelle, an der die Bank der Erinnerung (Foto unten) neben der öffentlichen Gemeindebank von den Freunden des Verstorbenen aufgestellt worden war.

Leer ist die Stelle, an der die Bank der Erinnerung (Foto unten) neben der öffentlichen Gemeindebank von den Freunden des Verstorbenen aufgestellt worden war.

Foto: Alfred Schmelzeisen

Der Erinnerungsort an einen plötzlich verstorbenen Freund ist in den Nächten des 31. Juli und 1. August in ihrem beschaulichen Fritzdorf geschändet worden. Vor zwei Jahren hatte der Freund im Alter von 43 Jahren völlig unerwartet den Herztod erlitten.

"Da wir ihm ein Andenken schaffen wollten, haben wir uns entschlossen, eine Tradition, die uns aus Schottland bekannt ist, für ihn zu nutzen", erzählt Tamina Linden. Dort finde man nämlich sowohl in Parks, im innerstädtischen Bereich, aber auch abseits jeglicher Zivilisation Bänke, die Verstorbenen gewidmet sind und auf denen Metallplättchen liebevoll an diesen Menschen erinnern.

"So eine Bank wollten wir also für unseren Freund hier an einer Feldgemarkung aufstellen", berichtet Linden. Jeder sollte sich hier in Stille an den Verstorbenen erinnern können, zumal sein Grab nicht in Wachtberg liege. Auf der Verlängerung, also dem Wirtschaftsweg der Assenmacher Gasse, fanden sie neben einer öffentlichen Bank einen geeigneten Ort.

Die Gemeinde Wachtberg beschied die Anfrage positiv. Der Freundeskreis beschaffte eine Teakbank, die ein Metallbauer im Asphalt verankerte, um einen Diebstahl zu verhindern. Die Familie des Verstorbenen stellte an der Bank frische Blumen auf.

Und unter den Fritzdorfer Freunden hieß es fortan nicht mehr "wir waren spazieren", sondern "wir sind heute bei Michael vorbeigegangen" (Name von der Redaktion geändert). Besonders die Tochter des Verstorbenen sei glücklich mit dieser Lösung gewesen. "Wir dachten: Man kann nicht umhin, diesem Menschen zu gedenken, auch wenn man als völlig Fremder auf einer solchen Bank Platz nimmt", sagt Tamina Linden und schweigt erst einmal. "Sollte man wenigstens meinen", kommt dann hinterher.

Doch dann wurde die Bank der Erinnerung innerhalb von zwei Nächten nachhaltig durch Fußtritte beschädigt. Die Blumenvase wurde zerschlagen. Und sogar die Metallplättchen, die die Nachrufe der Freunde und der Familie festhielten, waren fast alle mit Gewalt aus dem Holz herausgerissen und gestohlen worden. "Freunde gehen niemals ganz", stand darauf à la Trude Herr.

Und "Als Du noch bei mir warst, warst du sehr viel für mich wert. Jetzt, wo du nicht mehr da bist, weiß ich, dass du unersetzlich bist." Tamina Linden schluckt. Die bewegenden Sätze "Festhalten, was man nicht halten kann. Begreifen wollen, was unbegreiflich ist. Im Herzen tragen, was ewig ist", habe ein weiteres Metallplättchen verzeichnet. Alle Beteiligten seien nun sehr erschüttert, dass es offenbar auch in ihrem beschaulichen Dörfchen Menschen gebe, die weder vor der Zerstörung von fremdem Eigentum zurückschrecken noch irgendeinen Wert mehr kennen. Zumal die öffentliche Bank daneben keinerlei Beschädigung aufweist: Die Täter hatten es genau auf die Bank des Verstorbenen abgesehen.

"Wie kann es sein, dass Mitmenschen keine Achtung vor dem Andenken an einen Toten besitzen?", fragt Linden fassungslos. Denn dass die Bank einem Nachruf galt, müsse doch für jeden offensichtlich gewesen sein, fügt sie hinzu. Sie wolle gar nicht erzählen, wie nachhaltig betroffen gerade die Tochter des Freundes sei. Man habe die Bank nun gesichert und wolle sie nach einer Reparatur im Garten der Familie des Verstorbenen aufstellen.

Es sei sehr traurig, dass man heutzutage so handeln müsse, dass nicht mehr jeder im Dorf des Toten gedenken könne. Die Lindens, die beide Polizisten sind, haben nun eine Anzeige wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung" eingereicht. Es gehe juristisch also um Diebstahl von Gut, das öffentlichen Nutzen habe, erläutert Tamina Linden. Die reine Zerstörungswut, die den oder die Täter getrieben habe, könne man damit ja gar nicht erfassen.

Inzwischen hat sich der Freundeskreis auch entschieden, eine Belohnung von 100 Euro für denjenigen bereitzustellen, der einen Hinweis zur Ergreifung des Täters oder der Täter geben kann. Unter Telefon 0 15 75/7 67 18 68 kann man sich melden. Und dann sagt Tamina Linden noch: "Eine Stätte der Andacht mutwillig zu zerstören, das ist und bleibt für uns alle ein Schlag ins Gesicht."

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