Interview mit der Volkshochschule Es fehlt an Räumen und Personal

Wachtberg · Warum die VHS mit ihren Angeboten nicht flexibler auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen mit einem Arbeitsverhältnis reagiert, erklärten Adrian Grüter, Leiter der Volkshochschule Meckenheim Rheinbach Swisttal mit Wachtberg (VHS), und Tanja Waldeck, VHS-Fachbereichsleiterin für Deutsch- und Integrationskurse.

Immer noch müssen Migranten, die bereits lange in Deutschland leben, in späten Jahren die Landessprache in Integrationskursen lernen, wie eine VHS-Mitarbeiterin schildert. Fangen staatliche Stellen jetzt an, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen?
Tanja Waldeck:Dass würde ich schon so sagen. Der beste Beleg ist das neue Integrationsgesetz, das die Bundesregierung plant. Kommt es so, wie jetzt berichtet wird, wäre das ein Paradigmenwechsel: Bisher hatten die meisten Migranten einen Anspruch auf einen Sprachkurs, wie wir ihn hier in Rheinbach in Form eines „Integrationskurses“ beziehungsweise eines „Alphabetisierungskurses“ anbieten. Dieser Anspruch wurde individuell durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) oder die Ausländerbehörde geprüft und durch eine ausgesprochene Verpflichtung oder Berechtigung zum Besuch eines Integrationskurses in die Tat umgesetzt, das heißt, der Teilnehmer konnte dann einen Integrationskurs besuchen. Bestandteil des geplanten Integrationsgesetzes ist nun, dass diese Integrationskurse generell verpflichtend werden, was ich für sehr sinnvoll halte.

Problem scheint ja weiterhin zu sein, dass sich Arbeiten und Deutsch lernen oft nicht verbinden lassen. Sind die Kurse so zeitraubend?
Waldeck:Zur Durchführung ist schon einige Zeit erforderlich. Ein Integrationskurs umfasst 600 Stunden Deutsch plus 60 Stunden Sozialkunde und Geschichte. Bei einem Alphabetisierungskurs sind es noch 300 Stunden zusätzlich. Bei einem Integrationskurs veranschlagen wir deshalb vier Stunden Unterricht pro Tag, sodass der Kurs im Durchschnitt nach rund neun Monaten beendet ist.

Inklusive Abschlussprüfung?
Adrian Grüter: Ja, es gibt einen verpflichtenden Test, den „Deutschtest für Zuwanderer“. Ziel ist das Erreichen des B1-Niveaus, ein europäisches Referenzniveau. Der Absolvent kann Alltagssprache sprechen und verstehen. Ausreichend ist aber auch schon A2-Niveau. Damit können beispielsweise Arbeitgeber im handwerklichen Bereich etwas anfangen.

Und wer dieses Niveau nicht erreicht?
Waldeck:Muss den Test wiederholen. Wenn sich jemand verweigert, können wir das auch dem Ausländeramt in Siegburg mitteilen. Das passiert aber nur in unter einem Prozent der Fälle. In der Regel sind die Kursteilnehmer sehr motiviert.

Aber nicht alle können einen VHS-Kurs besuchen, weil sie arbeiten müssen. Ist die Verlegung des Unterrichts in den Abend in der Tat ein Problem?
Grüter:Ja, das ist es. Die Raumfrage ist ein Nadelöhr. Wir würden gerne Unterricht anbieten, aber zum einen fehlen uns die Räume. Die VHS bekommt nämlich grundsätzlich laut Zweckverbandssatzung die Räume kostenlos von den Gemeinden gestellt. In unserem Fall sind das Wachtberg, Rheinbach, Meckenheim und Swisttal. Hauptsächlich sind dies dann Räumlichkeiten in den weiterführenden Schulen, die uns zugewiesen werden. Durch die Ausweitung der Ganztagsbeschulung sind wir aber in den Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt, zumal wir uns stets nach den Belangen der Schulen richten müssen. So können wir während der Ferien keine Angebote machen. Grundschulklassen und OGS-Räume können wir nicht verwenden, weil etwa die Stühle hier meist für Erwachsene zu klein sind.

Wie sieht es mit den Bürgerhäusern aus?
Grüter: Deren Nutzung wird ebenfalls schwierig, was teilweise auch mit der Flüchtlingskrise zu tun hat. Das Bürgerhaus Morenhoven, das wir vorher für unsere VHS-Kurse fest einplanen konnten, wurde kurzfristig mit Flüchtlingen belegt. Zwar werden wir von den Kommunen nach Kräften unterstützt. Aber Fakt ist auch: Die Flüchtlingskrise hat die schon immer vorhandene Raumnot der VHS verschärft. So mussten wir wiederholt Kurse verlegen – für einen Tanzkurs haben wir mittlerweile den vierten Veranstaltungsort. Werden Bürgerhäuser in Swisttal von Vereinen betrieben, muss zudem geklärt werden, wer die Miete schuldet.

Und was wäre, wenn jemand der VHS kostenlos einen Raum zur Verfügung stellen würde?
Waldeck: In dem Fall könnte ich beispielsweise drei Kurse am Tag anbieten, einen vormittags, einen nachmittags und einen am Abend, etwa von 17.30 bis 20.45 Uhr.

Wäre das mit dem jetzigen VHS-Personal überhaupt zu schaffen?
Grüter:Das ist in der Tat das nächste Problem. Es fehlt an genügend zertifizierten Dozenten, denn die müssen seit 2010 auch vom Bamf zugelassen sein. Wir haben derzeit acht zugelassene Fachkräfte, bräuchten aber eher 20. Auf dem Arbeitsmarkt sind diese Kräfte schwer zu bekommen. Das ist meiner Ansicht nach auch die Folge einer Entwicklung, die den Beruf „Deutschlehrer für Ausländer“ lange Zeit vernachlässigt hat.

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