Reinhard Vogt bei Podiumsdiskussion zu Starkregen in Wachtberg „Hochwasser-Papst“ wünscht sich mehr Hochwassermarken

Wachtberg · Bei einer Podiumsdiskussion der Gemeinde Wachtberg zum Thema Starkregen und Überflutungsvorsorge nimmt „Hochwasser-Pabst“ Reinhard Vogt die Podiumsgäste in die Zange. Für ihn geht der Schutz bei der Planung der Baugebiete los. Das Publikum sieht vor allem Folientunnel kritisch.

 Am Mehlemer Bach in Niederbachem hat die Gemeinde eine Hochwassermarke angebracht.

Am Mehlemer Bach in Niederbachem hat die Gemeinde eine Hochwassermarke angebracht.

Foto: Axel Vogel

Es war eine große Runde, die sich Bürgermeister Jörg Schmidt als Gastgeber in die Aula des Berkumer Schulzentrums eingeladen hatte. Vielleicht sollte schon das die Wichtigkeit und gleichzeitig Komplexität des Themas aufzeigen. „Nicht sicher – aber vorbereitet: Starkregen- und Überflutungsvorsorge in der Gemeinde Wachtberg" hatte die Veranstaltung am Dienstagabend betitelt. Man hätte den sieben Fachleuten auf der Bühne mehr Zuhörer in der Aula gewünscht.

Als Moderator fungierte neben dem Beigeordneten Swen Christian der frühere Leiter der Hochwasserschutzzentrale Köln, Reinhard Vogt. Wobei sich der „Imi“ nicht scheute, den Menschen links und rechts auf dem Podium, kritische Fragen zu stellen. Als erste war Jeannette Herrmann, Leiterin des Fachbereichs Gemeindeentwicklung und Bauleitplanung, dran. Inwiefern sie denn den Hochwasserschutz bei Bebauungsplänen berücksichtige, wollte Vogt wissen. Bei den Bebauungsplänen, die jetzt aufgestellt würden, spiele das eine große Rolle, meinte Herrmann. „Die Dichte der Bebauung legen wir genauso fest wie wir auch die Starkregenkarten berücksichtigen und die Entwässerung und Rückhalteflächen“, so die Fachbereichsleiterin.

Während die Gemeinde stolz ist auf diese Gefahrenkarten, zeigte sich Erwin Ruckes im Publikum wenig begeistert. Die Szenarien seien wenig aktuell, worauf er die Verwaltung schon mehrfach hingewiesen habe. Er gebe ihm im Prinzip recht, erwiderte Volker Strehl von den Gemeindewerken AöR, aber er sehe das Ganze eher als Hinweiskarte. „Die Ingenieursbüros sind seit der Flut im vergangenen Jahr sehr gefragt, aber wir bleiben dran“, kündigte Strehl an.

In die Zange genommen wurde Landwirt Michael Hüllen gleich von mehreren Seiten. „Wie fühlt sich die Landwirtschaft dem Thema Starkregen verpflichtet?“, lautete Vogts Frage an ihn. Der Werthhovener erklärte zunächst, dass er viel Humus in den schweren Lehmboden einbringe und quer zu den Hängen arbeite, damit das Regenwasser nicht ungebremst bergab läuft. Vogt ließ durchblicken, dass er genau deshalb ein großes Problem mit Maisfeldern habe, vor allem abgeernteten. Bei einer Kreislaufwirtschaft seien die Flächen eben irgendwann „nackt“, meinte Hüllen: „Aber wir bauen in Wachtberg nur für die Viehzucht an, nicht in großem Stil für Biogas.“

Von den Politikern aller Fraktionen war Joachim Mittweg (UWG) der erste, der die Folientunnel ansprach. Der Einsatz sei verständlich aus Sicht der Obstbauern, die wirtschaftlich denken müssten, „aber eben problematisch im Starkregenfall, da Versickerungsfläche entzogen wird“. Hüllen warb zwar um Verständnis für seine Kollegen, erntete aber spätestens bei der Aussage, diese verzichteten möglichst auf Folien in Hanglagen starkes Gemurmel aus dem Publikum. Das Landschaftsbild spricht eine andere Sprache.

Birte Kümpel, die stark im Naturschutz engagiert ist, kritisierte deshalb auch eine Aussage von Bürgermeister Schmidt; der hatte zuvor betont, die Bürger müssten das Ihrige tun bei der Prävention, zum Beispiel Kaminholz nicht direkt am Bach lagern. „Wir Bürgern können viel tun, selbst für Versickerung sorgen, aber der Hauptakteur ist in Wachtberg die Landwirtschaft“, so Kümpel. Weshalb Benjamin Menke (Unser Wachtberg) forderte, dass es eine Kontrollinstanz in der Gemeinde geben müsse, die diesen Bereich kontrolliert. Vogt sprach sich für eine übergeordnete Instanz wie den Kreis aus, die Gespräche mit den Landwirten führen solle.

Gastgeber Schmidt hatte eingeladen, um über Geleistetes und Ausstehendes zu informieren. „Als Gemeinde sind wir moralisch und gesetzlich dazu verpflichtet, die Bürger zu schützen, aber jeder Schutz hat auch Grenzen“, befand er einleitend. Gleichwohl sei es wichtig, neue Perspektiven zu bieten. Experte Vogt sprach mobile Wände an, wie sie bald in Werthhoven getestet werden sollen. Zudem wasserdurchlässige Straßen ganz ohne Kanal, wie der „Hochwasser-Papst“ sie in seiner Gemeinde schon durchgesetzt hat, was Christian Pohl vom Fachbereich Infrastruktur interessieren könnte. Außerdem warb Vogt für wasserdichte Fenster und Garagentore und bot einen Besuch mit seinem Hochwassermobil an. Wachtberg bescheinigte er, „schon sehr gut aufgestellt“ zu sein. Selbst die Hochwassermarken, von denen er sich noch mehr gegen die „Hochwasserdemenz“ der Bürger wünscht, gibt es schon an einigen Stellen.

Die Feuerwehr und der Katastrophenschutz, die von André Hahnenberg und Markus Zettelmeyer repräsentiert wurden, parierten alle Fragen von Vogt: Satellitentelefone bei Ausfall des Funknetzes sind ebenso im Haushalt eingeplant wie Notstromaggregate, um die kritische Infrastruktur wie Rathaus und Seniorenheim zu versorgen. Nach den Starkregen 2010, 2013 und 2016 hat man zudem mit der Stadt Bonn die Alarm-Pegel an Godesberger und Mehlemer Bach installiert, um die Bevölkerung frühzeitiger zu warnen. Der Bauhof kontrolliert regelmäßig die Gewässer. Und die Gemeindewerke wollen an den Klärwerken die Schalträume besser absichern. Im Ernstfall braucht es trotz bester Vorbereitung Glück, was Feuerwehrchef Hahnenberg der Gemeinde für den 13./14. Juli 2021 attestierte: „Es war eng.“

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