Sonderpädagogik an Wachtberger Schulen Individuelle Hilfe für Kinder mit Förderbedarf

Wachtberg-Berkum · Seit 25 Jahren ist Sonderpädagogin Ute Luhmer an der Berkumer Grundschule im Einsatz, seit fünf Jahren im Team mit Ruth Kirchner. Sie beobachten, dass der Anteil von Kindern mit starkem Förderbedarf nicht steigt, wohl aber der von Kindern, die mehr Unterstützung brauchen.

 Im Ruheraum setzen die Sonderpädagoginnen Ute Luhmer (l.) und Ruth Kirchner spezielle Arbeitsmaterialien für Kinder mit Förderbedarf ein. 

Im Ruheraum setzen die Sonderpädagoginnen Ute Luhmer (l.) und Ruth Kirchner spezielle Arbeitsmaterialien für Kinder mit Förderbedarf ein. 

Foto: Axel Vogel

Wer mit Ruth Kirchner und Ute Luhmer über ihre Jobs spricht, hört ein Wort nicht: Problemkinder. Dabei haben sie es als Sonderpädagoginnen an der Berkumer Grundschule eben nicht mit Kindern zu tun, die durch die vier Jahre einfach mal so durchgleiten. Kirchner und Luhmer sprechen sehr wertschätzend von Kindern mit unterschiedlichen Förderbedarfen.

Beide haben auf Lehramt studiert. Luhmer wählte zu ihren Schwerpunkten Körperliche Behinderung und Lernen die Fächer Mathe und Geografie, Kirchner zu Geistiger Entwicklung und Lernen noch Deutsch und Englisch. Früher wären sie an Förderschulen im Einsatz gewesen, doch durch das vom Land vorgesehene „Gemeinsame Lernen“ von Kindern mit und ohne Behinderung versehen sie ihren Dienst an einer Grundschule. „Das hat natürlich Vorteile, weil die Kinder in ihrem Umfeld bleiben und nicht zu weiter entfernten Schulen müssen. Auf der anderen Seite gibt es an Förderschulen schon aufgrund der kleineren Klassenstärke viel mehr Möglichkeiten“, meint Luhmer. Im Ernstfall müsse man abwägen zwischen dem Wohl des Kindes und dem individuellen Förderbedarf.

Schon bei den Schulanmeldungen sind sie mit dabei

1997 kam die Niederbachemerin von einer Förderschule in Neuwied als erste Sonderpädagogin ins Ländchen. Seitdem hat sich vieles verändert, nicht jedoch, dass vor einer Förderung erstmal die Diagnose stehen muss. „Es ist ja nicht so, dass nicht jedes Kind mit einem besonderen Bedarf vorher in einem heilpädagogischen Kindergarten war“, sagt Kirchner. Die gebürtige Meckenheimerin ist seit November 2017 an Bord. Dazu noch eine Sozialpädagogin.

Schon bei Anmeldung und Schuleingangsuntersuchung sitzen sie mit dabei und schauen sich die Kinder an. Manches lasse sich da schon erkennen, so Luhmer. Und so sind sie auch bei der Frage beteiligt, wie die Eingangsklassen zusammengesetzt werden. „Wir sind Teil des Systems, machen schulisch alles, außer Klassenlehrerinnen zu sein“, betont Kirchner.

Ohne das Einverständnis der Eltern geschieht nichts

Egal, wann der Bedarf festgestellt wird: Zunächst müssen die Eltern überzeugt werden. „Wir machen nichts gegen deren Willen. Im Vorhinein überwiegen meist die Ängste, weil das Kind einen Stempel aufgedrückt bekommen könnte“, erzählt Kirchner. Dabei sei das Lernen in Kleingruppen oder die zusätzliche Hilfestellung während des normalen Unterrichts am Ende nur von Vorteil für die Kinder: „Wenn sie nachher nur noch schlechte Noten haben, wirkt sich das auf das Selbstbewusstsein aus.“ Nehme man dagegen bei diesen Fällen die Noten raus, nehme man auch den Druck.

Dafür allerdings müssen die beiden zunächst einen Förderantrag stellen, der dann von externen Kollegen oder Kolleginnen begutachtet wird. Das Resümee der beiden aus vielen Berufsjahren: „Man meldet nur die eindeutigen Fälle, aber an allen Schulen gäbe es mehr Bedarf.“ Nach Kirchners Einschätzung ist nicht der Anteil der Kinder mit hohem Förderbedarf gestiegen, sondern derjenigen, um die sich Lehrer mehr kümmern müssten, ihnen aber die Zeit fehlt. „Wir reden hier von auditiven Aufmerksamkeitsstörungen, von visuellen Wahrnehmungsproblemen oder auch motorischer Unausgeglichenheit“, sagt Kirchner.

Enger Austausch mit dem Rest des Kollegiums

Schneiden, kleben, falten, drei Aufträge hintereinander abarbeiten – da gehe es bei vielen schon los. 280 Kinder gibt es in der Grundschule Drachenfelser Ländchen, zwischen sieben und 14 davon hätten stets einen professionellen Förderbedarf, bräuchten also nicht einfach nur Nachhilfe. Basis ihrer Arbeit sei der enge Austausch mit Klassen- und Fachlehrern, denn man habe eine gemeinsame Verantwortung.

Sie freue sich über kleine Schritte ihrer Schützlinge, sagt Luhmer. Und ihre Kollegin ergänzt: „Wir haben eine andere Langsamkeit und stellen die Frage in den Vordergrund, wie sich das Kind entwickelt.“ Im besten Fall so, dass es nach vier – oder dank der flexiblen Schuleingangsphase fünf – Jahren gestärkt auf eine weiterführende Schule gehen kann. Wer doch noch etwas mehr Unterstützung braucht, erhält diese in direkter Nachbarschaft auf der Hans-Dietrich-Genscher-Schule. Bei 32 seiner knapp 300 Schülerinnen und Schülern sei das aktuell der Fall, sagt Schulleiter Hendrik Heimbach.

Genscher-Schule lässt eigene Kräfte weiterqualifizieren

Die Nachfrage ist also da, „aber der Markt an Sonderpädagogen leergefegt“, bedauert Heimbach. So hatte zum Beispiel die Niederbachemer Grundschule eine ausgeschriebene Stelle nicht besetzen können. Heimbach hat inzwischen an der profilierten Gemeinschaftshauptschule zwei Regelkräfte zu Sonderpädagogen weiterqualifizieren lassen. „Die Ausbildung erfolgt berufsbegleitend und endet mit einer Prüfung“, so Heimbach. Jetzt kann er auf drei Fachleute zurückgreifen. Er wünscht sich, dass man die Zahl der Studienplätze erhöht. Genau wie Luhmer und Kirchner glaubt Heimbach nämlich, dass ein vier-Augen-Prinzip in den Klassen, damit also mehr Personal, allen guttäte.

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