Lesefestival "Käpt'n Book" in Wachtberg Kniffliges und Nachdenkliches

WACHTBERG · Das Lesefestival "Käpt'n Book" machte Station in Berkum und Adendorf mit zwei sehr unterschiedlichen Lesungen.

 Autorin Grit Poppe (links) und Kathrin Begoin, ehemalige Insassin des Jugendwerkhofes Torgau, bei der Lesung.

Autorin Grit Poppe (links) und Kathrin Begoin, ehemalige Insassin des Jugendwerkhofes Torgau, bei der Lesung.

Foto: Axel Vogel

"Jugendwerkhof", den Begriff schon mal gehört? Als die Potsdamer Schriftstellerin und Jugendbuchautorin Grit Poppe die Frage am vergangenen Donnerstag in der Aula der Sekundarschule Wachtberg stellte, zeigte keiner der rund 90 Schüler aus den neunten und zehnten Klassen auf.

Die 14- und 15-Jährigen hatten, wie viele andere Westdeutsche, schlicht kein Vorstellung von jenen düsteren Einrichtungen in der DDR, in denen das Regime unbotmäßige Jugendliche zu "sozialistischen Persönlichkeiten" umerziehen wollte, so Poppe. Schule schwänzen beispielsweise, um in einen der zuletzt 32 Jugendwerkhöfe zu gelangen, von denen der geschlossene Jugendwerkhof Torgau laut Grit Poppe "der schlimmste war". Sie muss es wissen, denn der Autorin hat das hierzulande wenig bekannte Thema mit ihrem Jugendroman "Weggesperrt" literarisch aufbereitet und ins Bewusstsein gebracht. In dem Buch durchlebt ihre Romanheldin "Anja" eindringlich geschildert die Hölle von Torgau.

Anlässlich des rheinischen Lesefestes "Käpt'n Book" las Poppe nun aus ihrem neuen Roman "Abgehauen" vor, deren Hauptperson, die rebellische Gonzo, ebenfalls in die Mühlen des geschlossenen Jugendwerkhofes gerät. Wie leidvoll und zerstörerisch dieser Alltag für die jungen Leute war, erfuhren die Sekundarschüler aus erster Hand.

Poppe hat Kathrin Begoin mitgebracht, die selbst Insassin in Torgau war, und ihre qualvollen Erlebnisse inzwischen in Liedern verarbeitet hat. "Konntet ihr es nicht sehen, wir waren doch noch Kinder" heißt es in einem der bewegenden Lieder von Begoin. Und weiter: "Keiner hat uns geholfen, viele sind zerbrochen."

Kathrin Begoin, 1968 in Thüringen geboren und wohlbehütet als ein Einzelkind aufgewachsen, wandte sich als junges Mädchen einer Clique zu, die dem DDR-System kritisch gegenüberstand. Daraufhin suchten die verzweifelten Eltern bei der "Jugendhilfe" Unterstützung. Die Eltern bewegte, wie ihre aufmüpfige Tochter wieder normal werden konnte. Daraufhin wird die 15-jährige Kathrin zunächst in ein Durchgangsheim in Gera eingewiesen. Es folgen Einzelhaft und eine Zelle ohne Licht. Bereits hier ging es ganz offensichtlich nur darum, die Jugendlichen zu brechen.

Als sie zu ihren Eltern flieht, kommt Begoin zur Strafe in den berüchtigten Jugendwerkhof Torgau. Hier erwarten den Teenager Folter, Einzelhaft und Missbrauch. Kathrin Begoin brauchte 14 Jahre, um über das Erlebte sprechen zu können. Bei anderen Leidensgenossen gingen 30 Jahre ins Land, manche finden bis heute keine Worte.

Alle Torgau-Insassen dürfte einen, dass sie fürs Leben gezeichnet sind. Ob der eindringlichen Lesung und des Zeitzeugengespräches war die Veranstaltung aus Sicht von Dieter Dresen, Vorsitzender des Wachtberger Büchereiverbunde und Mitorganisator des Lesefestes in Wachtberg, "eine unvergessliche Sternstunde". Eine weitere erwartete zahlreiche kleine Leseratten am Sonntag im Adendorfer Drehwerk: Hier las der bekannte Berliner Autor Tobias Bungter den zahlreichen Jugendlichen aus seinen Rätselkrimis "Leo & Leo" vor.

Bei einem der kniffligen Fälle, die der Detektivclub Leo & Leo in Gestalt der Zwillinge Leonie und Leonhard zu lösen hatte, ging es um einen mysteriösen Auftraggeber, einen Hamster mit wilden Ideen und den gefährlichsten Verbrecher der Welt. Dabei verstand es Bungter gekonnt, seine Zuhörer einzubeziehen: Zahlreiche Jungen und Mädchen rätselten in dem voll besetzten Saal engagiert mit.

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