Wachtberger Josef Abs setzte sich für Flüchtlinge ein Mit dem Arbeitsvertrag endete die Kriegsgefangenschaft
Wachtberg · Der Enkel des früheren Werthhovener Dorflehrers Ludwig Hubert erinnert daran, warum sein Großvater und viele andere Kriegsgefangene oder Flüchtlinge sich in Wachtberg ansiedeln konnten: Gutsbesitzer Josef Abs verschaffte ihnen Arbeit und bot günstiges Bauland.
Seinen Opa hat Markus Weyres nicht kennenlernen dürfen, da dieser fünf Jahre vor seiner Geburt starb. Dass Ludwig Hubert trotzdem immer Teil seines Lebens war, liegt zum einen daran, dass die Familie sein Andenken bewahrte. Und zum anderen, dass der einstige Dorflehrer von Werthhoven seinen historischen Platz hat – nicht nur in Form eines eigenen Weges.
Als sein Enkel (Jahrgang 1966) kürzlich im GA las, dass die katholische Kirchengemeinde Sankt Marien ihr Kirchweihjubiläum feierte und selbiges ohne eine großzügige Schenkung des Wachtbergers Josef Abs gar nicht möglich gewesen wäre, erinnerte Weyres dies an seine eigene Familiengeschichte. „Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Josef Abs nicht nur die Kirche unterstützte, sondern vielen Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang ermöglichte“, schrieb er. Abs habe entlassenen Kriegsgefangenen einen ersten Arbeitsplatz angeboten, zumeist auf seinem landwirtschaftlichen Gut, dem Jesuitenhof in Berkum. „Der Nachweis einer Arbeitsstelle war damals Voraussetzung, um aus der Kriegsgefangenschaft entlassen werden zu können“, so Weyres.
Aus britischer Kriegsgefangenschaft ging es nach Berkum
Unter den Angeworbenen war nämlich auch sein Großvater Ludwig Hubert. Im Norden Deutschlands war er in britische Kriegsgefangenschaft geraten und hatte per Zufall von dem Angebot im Rheinland erfahren. Seine Frau war aus Schlesien geflohen und mit den Kindern in Leipzig untergekommen. „1946 kam es dann in Berkum zur Wiedervereinigung“, erzählt der Enkel im Gespräch. Jahreszahlen und Begebenheiten sind für ihn als Hobby-Historiker kein Problem; zudem hat er vor sechs Jahren die 600-seitige Familienchronik „Westverschiebung“ verfasst und dafür Briefe ausgewertet und Verwandte befragt.
Auch seinen Onkel Wolfram Hubert, der lange Jahre am Aloisiuskolleg in Bad Godesberg unterrichtete und vergangene Woche seinen 90. Geburtstag auf dem Heiderhof gefeiert hat. Wolfram Hubert erinnert sich in dem Buch, dass die Familie aus Leipzig kommend mit zwei Koffern an der Straßenbahn in Mehlem anlandete und es dann – zumindest für die kleineren Geschwister und das Gepäck – per angehaltenem einspännigen Pferdefuhrwerk nach Berkum ging. Der Rest musste laufen.
Der Opa fing als Landarbeiter bei Josef Abs an
Während der Hubert-Nachwuchs auf dem Jesuitenhof die Gesellschaft vieler weiterer Kinder genoss - alleine zehn Kinder hatte die Familie Abs -, war das Familienoberhaupt Ludwig nun Landarbeiter statt wie vor dem Krieg Lehrer. Doch sein Chef scheint die anderen Talente in ihm schnell entdeckt zu haben. „Auf Vermittlung von Josef Abs erhielt er die freie Lehrerstelle in Werthhoven und konnte damit seine berufliche Laufbahn fortsetzen, die er als Dorfschullehrer im Kreis Neumarkt, Niederschlesien, begonnen hatte“, sagt sein Enkel Markus Weyres, der unweit der mittlerweile verfallenen alten Schule in Werthhoven lebt.
„Vater hatte ab jetzt eine ganz andere Stellung in der Gesellschaft des Dorfes. Nicht, dass ihm eine gesellschaftlich hervorgehobene Stellung wichtig gewesen wäre, aber uns ‚Lehrerkindern‘ kam eine ganz andere Rolle zu als die der Kinder eines Landarbeiters auf einem Gutshof“, hat es Weyres‘ Onkel Wolfram im Buch „Westverschiebung“ festgehalten.
Seinen Mitarbeitern überließ Abs Bauland zu günstigen Konditionen
Der Umzug in die Lehrerwohnung des Schulhauses dürfte vor allem Ludwig Huberts Frau gefreut haben. Denn das Bürgermeisteramt hatte ihr als Flüchtling keine Hoffnung auf eigenen Wohnraum gemacht, laut Sohn Wolfram sogar von einer Unterbringung in Sälen und Ställen gesprochen. Den Traum vom Haus erfüllte Jahre später wiederum Josef Abs, der seinen Beschäftigten zu günstigen Konditionen Bauland in Berkum überließ. „Meine Großeltern und viele ehemalige Landarbeiter haben davon Gebrauch gemacht“, sagt Enkel Weyres. Ludwig Hubert konnte sich wegen seiner schweren Parkinson-Erkrankung nur kurz am Eigenheim erfreuen, da er bereits 1961 starb.
Bei der Suche nach dem Warum für das Tun von Josef Abs nennt sein Enkel Arno Abs ein wichtiges Motiv: „Mein Großvater hat aus seinem christlichen katholischen Menschenbild heraus gehandelt. Er hat Menschen aufgenommen und unterstützt, die nach dem Krieg wenig hatten und auf dem Dorf mit ihm und seiner Familie gelebt und gearbeitet haben.“ Für Ludwig Huberts Enkel, Markus Weyres, ist auf jeden Fall klar: „Es war eine weitsichtige und kluge Entscheidung, nach dem Krieg qualifizierte Kräfte in das Drachenfelser Ländchen zu holen, um den Wiederaufbau zu unterstützen.“