Regieren per Dringlichkeitsentscheidungen Politischer Dialog in Wachtberg findet nicht statt

Wachtberg · Wachtberger Politiker kritisieren mangelnde Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen in Corona-Zeiten. Ausschusssitzungen finden nicht statt. Auch auf Ortsebene geht nichts mehr, da sich die neuen Ortsausschüsse noch nicht einmal konstituieren konnten.

 Videokonferenzen über einen Beamer gehören für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Wollmann in Corona-Zeiten zum Büroalltag.

Videokonferenzen über einen Beamer gehören für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Wollmann in Corona-Zeiten zum Büroalltag.

Foto: Axel Vogel

Die Corona-Pandemie hat in Wachtberg praktisch alle politischen Entscheidungsprozesse in den gewählten Gremien zum Erliegen gebracht. Ausschusssitzungen finden nicht statt, der Rat hat bekanntlich seine Befugnisse an den Hauptausschuss delegiert. Auch auf Ortsebene geht nichts mehr, da sich die neuen Ortsausschüsse noch nicht einmal konstituieren konnten. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Wollmann ist das alles andere als befriedigend. „Es findet kein demokratischer Willensbildungsprozess mehr statt, es wird mit ,Dringlichkeitsentscheidungen’ gearbeitet“, kritisiert er.

Da kein politischer Dialog stattfinde, könne dieses Verfahren kaum oder nur schwer auf sachliche Korrektheit geprüft werden. "Wir Politiker diskutieren ja auch ständig in digitalen Zusammenhängen, sei es über Videokonferenzen oder Skype“, sagt Wollmann weiter. „Warum kann die Gemeinde hier nicht proaktiv nach Formen suchen, die eine möglichst große Partizipation erzeugen?“ Zumal aus seiner Sicht auch „das Leben verändernde Projekte“ anstehen, wie zum Beispiel in Niederbachem der Umbau der Mehlemer Straße an der Bildungsmeile oder der Platz am Bach und der Umbau Henseler Hof im Innenbereich.

Sitzungen für Februar ebenfalls abgesagt

Die UWG bedauere ebenfalls, dass die Sitzungen für Februar abgesagt wurden, betont Fraktionschef Joachim Mittweg. Bereits im Januar habe sich die Wählervereinigung an den Bürgermeister gewandt und auf das Problem hingewiesen. Eine Antwort stehe noch aus. „In anderen Kommunen finden Sitzungen online statt“, so Mittweg weiter. „Das müsste doch auch bei uns möglich sein.“ Die Technik stehe mittlerweile zur Verfügung und verschiedene Online-Sitzungen hätten gezeigt, dass dies durchaus eine probate Alternative ist. An Themen mangele es sicher nicht, findet Mittweg: „Bis auf Weiteres mit Dringlichkeitsentscheidungen zu operieren, halten wir für problematisch.“ Zumal in Nachbarkommunen wie Meckenheim sowie im Kreistag durchaus Sitzungen durchgeführt würden, betont der langjährige CDU-Politiker Hartmut Beckschäfer. Hinzu kommt: „Nach der Übertragung der Befugnisse vom Rat auf den Hauptausschuss wurde auch der abgesagt.“

Gemeindesprecherin Margrit Märtens stellt dazu grundsätzlich klar, dass der Rat aufgrund seiner Größe und geltender Corona-Einschränkungen nicht zusammenkommen kann. Stünden jedoch dringliche Entscheidungen an, würde das dann dem Haupt- und Finanzausschuss stellvertretend für den Rat zufallen. Für die Fachausschüsse gelte: „Gemäß aktuell geltender CoronaSchVO könnten unter den bekannten Hygiene- und Abstandsmaßnahmen Sitzungen mit bis zu 20 Personen durchgeführt werden. Da die Wachtberger Fachausschüsse in der Regel aus 15 Personen bestünden, zuzüglich der Vertreter aus der Gemeindeverwaltung, könnte die 20er-Grenze eingehalten werden. Einzige Ausnahme sei der Bildungsausschuss.

Allerdings bleibt laut Märtens ein anderer Aspekt bei der theoretisch machbaren Durchführbarkeit außer Acht: Die Bürgerbeteiligung. „Diese wäre nur äußerst eingeschränkt bis gar nicht umsetzbar“, betont sie. Im Notfall und bei dringend anstehenden Entscheidungen wären Fachausschusssitzungen – außer dem Bildungsausschuss – in der Aula der HDG-Schule möglich. Dort könnten der nötige Abstand gewahrt werden und eventuell Bürger, auf Abstand im Foyer sitzend, der Versammlung beiwohnen. Für Versammlungen der Ortsausschüsse gelte Gleiches, jedoch ist hier die maximale Teilnehmerzahl von 20 Personen schwer einzuhalten. „Meldungen von Ortsausschüssen, dass dringende Themen anstehen, und Fragen, ob und wie Versammlungen stattfinden könnten, liegen zurzeit keine vor.“

Die CDU-Fraktion habe den Bürgermeister im Einvernehmen mit dem Koalitionspartner auch darin bestärkt, „Ausschusssitzungen abzusagen“, stellt CDU-Fraktionschef Christoph Fievet klar: „Dabei haben wir uns nicht von dem rechtlich Möglichen leiten lassen, sondern angesichts weiterhin hoher Inzidenzwerte von der Überzeugung, dass es richtig ist, auf Präsenzsitzungen zu verzichten, um so zur Vermeidung von Kontakten beizutragen.“ Dies bedeutet jedoch nicht, dass die politische Arbeit in Wachtberg völlig ruht.

Sowohl die Gremien der CDU als auch die der Fraktion nutzen die technischen Möglichkeiten, um beispielsweise Sitzungen in Form von Videokonferenzen durchzuführen. Der Bürgermeister unterrichtet die Fraktionsvorsitzenden bei Bedarf über aktuelle Themen per Zoomkonferenz. Die Durchführung von Rats- und Ausschusssitzungen als Videokonferenz ist jedoch derzeit nicht möglich, weil hierzu noch die rechtlichen Grundlagen fehlen würden.

„Allerdings haben sich die Wachtberger Fraktionen einmütig dafür ausgesprochen, die Sitzungstermine Ende Januar zu verschieben, denn wenn nicht die Politik mit gutem Beispiel voran geht beim Thema ,vermeidbare Kontakte’, wer dann?“, sagt Grünen-Fraktionschef Oliver Henkel. „Dass dies kein Dauerzustand sein kann, ist jedem bewusst. Dringliche Entscheidungen werden getroffen“, erklärt der Vorsitzende des CDU-Koalitionspartners. Auf seine Bitte hin würden diese Themen vorab allen Fraktionen zur Verfügung gestellt und nicht – wie bisher meist üblich – ohne vorherige Beteiligung nur von einem Ausschussmitglied gegengezeichnet. Das sei zwar aus formalen Gründen immer noch nötig: „Aber jetzt tauschen wir uns wenigstens in der Sache vorher aus.“

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