Ratsmehrheit verabschiedet Haushalt 2022 Das Leben in Wachtberg wird teurer

Wachtberg · Die schwarz-grüne Ratsmehrheit beschließt den Haushaltsentwurf von Bürgermeister Jörg Schmidt (CDU) – mit höheren Steuern für Bürger und Gewerbe. Die Opposition fordert, die Ausgaben für Personal oder Projekte wie die Leichtathletikanlage zurückzufahren.

 Dieser Gewerbetreibende im Villiper Gewerbegebiet hat noch etwas Zeit, bis er Steuern zahlen muss – dann jedoch fallen für ihn 520 Prozent an.

Dieser Gewerbetreibende im Villiper Gewerbegebiet hat noch etwas Zeit, bis er Steuern zahlen muss – dann jedoch fallen für ihn 520 Prozent an.

Foto: Axel Vogel

Dass Bürgermeister Jörg Schmidt (CDU) seinen fast 60 Millionen Euro schweren Haushalt angesichts der Stimmenmehrheit von Schwarz-Grün durchbringen würde, war am Ende keine Überraschung. Eher schon der Verlauf der Ratssitzung am Donnerstag, bei der die Opposition wenig unversucht ließ, das ein oder Projekt noch zu stoppen, um Geld zu sparen. Und so die drohende Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer moderater zu gestalten.

Wie berichtet, war der Hauptausschuss noch über die Forderung von Kämmerin Beate Pflaumann hinausgegangen. Dem schloss sich die Ratsmehrheit an, so dass künftig die Grundsteuer A auf 380 Prozent (alt 285) steigt, die Grundsteuer B auf 695 (480) und die Gewerbesteuer auf 520 (440) Prozent.

FDP kritisiert Zuwachs von 18 Stellen in zwei Jahren

Die FDP stellte sich hinter die Erhöhung auf das durchschnittliche Niveau im Rhein-Sieg-Kreis. Aber der Fraktionsvorsitzende Friedrich Oettler hielt an seiner Kritik fest, dass die Gewerbesteuer zu hoch sei und Angehörige freier Berufe gar nicht betreffe. Potenzial sieht er bei der Ausgabenseite. „Wir können uns den Personalaufbau letztes und dieses Jahr von zusammen 18 Personen nicht leisten“, meinte Oettler.

Unser Wachtberg teilte den Wunsch der Verwaltung nach einem Mehr an Einnahmen, allerdings nicht eine so starke Belastung der Bürger. „Und dennoch erklären Sie, Herr Bürgermeister, im Vorbericht, dass der Haushalt trotz der Steuererhöhungen bei gleichbleibendem Ausgabenaufwand strukturell nicht ausgeglichen werden kann“, sagte Vize-Fraktionsvorsitzende Mira Schwarzenberger. Das höre sich nach Kapitulation an.

SPD wirft der CDU vor, nötige Renovierungen bewusst gestrichen zu haben

Eine nachhaltigere Haushaltspolitik, die in der Vergangenheit versäumt worden sei, forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Wollmann. Er freute sich, dass der Bürgermeister Wert auf den Erhalt des Strukturvermögens lege. „Im gleichen Atemzug muss gesagt werden, dass in der vergangenen Legislaturperiode gerade bei Renovierung und Instandhaltung seitens der CDU die entsprechenden Positionen in nahezu jedem Haushalt zusammengestrichen wurden, um eine damals noch mögliche maßvolle Erhöhung der Grundsteuern zu verhindern“, so Wollmann.

UWG will alle freiwillige Leistungen um 30 Prozent reduzieren

Die gesamtpolitische Lage mit weiteren finanziellen Belastungen für die Bürger dürfe man nicht ignorieren, betonte Angelika Schmidt, Vize-Fraktionsvorsitzende der UWG, und spielte dabei auf Energie- und Lebensmittelkosten an. Um die Bürger nicht immer mehr zu schröpfen, müsse die Gemeinde bei Flächen und Geld nachhaltiger haushalten. Deshalb forderte sie „eine schlanke Gemeindeverwaltung und die pauschale Reduzierung aller freiwilligen Leistungen um 30 Prozent“. Projekte „nur für wenige Bürger“ wie die Leichtathletikanlage müssten gestrichen werden.

Grüne werten den Haushaltsentwurf als Kompromiss

„Manchmal muss die Politik noch mutiger sein als der Bürgermeister in seinem ersten Entwurf“, erwiderte Grünen-Fraktionsvorsitzender Oliver Henkel auf die Kritik an den hohen Hebesätzen bei den Steuern. Es sei einfacher, gegen jede Notwendigkeit zu sein, aber man sei eben gewählt, um Verantwortung zu übernehmen. „Wer ehrlich mit den Menschen umgeht, der sagt ihnen auch unangenehme Wahrheiten“, lautete Henkels Fazit. Den Entwurf wertete er als Kompromiss, sei man doch von einem ausgeglichenen Haushalt noch ein ganzes Stück entfernt. Mit diesem Mittelweg bleibe man aber handlungsfähig.

CDU kann sich gemeindeeigene Solar- oder Windenergieanlagen für mehr Einnahmen vorstellen

Ein Haushaltssicherungskonzept zu vermeiden, darauf liegt auch das Hauptaugenmerk des grünen Koalitionspartners, der CDU. Fraktionsvorsitzender Christoph Fiévet machte vor allem die Steigerung bei der Jugendamtsumlage, die Anhebung der ÖPNV-Umlage oder Förderprogramme wie Lead City und den Digitalpakt Schule für die schwierige finanzielle Situation der Gemeinde verantwortlich. „Zwar hat das Land die Anschubfinanzierung übernommen oder wie beim Digitalpakt Schule die Hardwarebeschaffung finanziert, die Folgekosten tragen jedoch die Kommunen“, kritisierte Fiévet. Die Einnahmensituation könnte für ihn neben neuen Wohn- und Gewerbegebieten durch den Bau und Betrieb Solar- oder Windenergieanlagen verbessert werden – mit Beteiligung der Bürger an den Gewinnen.

Unser Wachtberg will ein Sieben-Punkte-Programm

Mira Schwarzenberger war es, die nach den Haushaltsreden alle verblüffte: Sie machte die Zustimmung ihrer Wählervereinigung von einem Sieben-Punkte-Programm abhängig. Einstellungsstopp bis Jahresende, die Festsetzung der Kassenkredite auf 30 Millionen Euro, 13.000 Euro weniger Kopierkosten lauteten einige ihrer Forderungen. „Bei dieser Höhe der Kopierkosten können wir die Landtagswahl nicht durchführen“, erwiderte die Kämmerin. Von Unverschämtheit (Grüne), sich überfahren fühlen (FDP) bis zum Show-Vorwurf (CDU) reichten die Reaktionen.

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