Wald in Wachtberg So bewirtschaften Waldbesitzer ihre schmalen Streifen gemeinsam
Wachtberg · Das historische Erbrecht mit Realteilung hatte zur Folge, dass in Wachtberg viele kleine Flurstücke entstanden sind. Eine Forstbetriebsgemeinschaft vereint die Besitzer kleiner Waldflächen. Das hilft auch bei der Wiederaufforstung. m Wald ahf
Wer auf dem Waldweg hinter dem Berkumer Einkaufszentrum mit dem Hund spazieren geht, merkt nicht, dass er ständig Grundstücksgrenzen überschreitet. Der Waldbesitz gliedert sich hier in schmale Streifen, die mit wenigen Schritten durchquert sind. Napoleon hatte die Realteilung mit ins besetzte Rheinland gebracht. Alle Erben bekamen so ihren Anteil an Grundstücken, wodurch die Flurstücke von Mal zu Mal schmaler wurden. In Wachtberg haben sich Waldbesitzer 1972 zur Forstbetriebsgemeinschaft Drachenfelser Ländchen zusammengeschlossen, um ihre Waldflächen gemeinsam zu verwalten und zu bewirtschaften.
Was die Realteilung in der Praxis bedeutet, zeigt Christoph Abs im Berkumer Waldstück. „Hier hat jemand aufgeforstet, aber die Bäume auf den Nachbargrundstücken sind so groß, dass sie kein Licht durchlassen“, erklärt Abs. Er ist selbst Waldbesitzer und seit der Gründung im Vorstand der FBG aktiv, seit 2001 als Vorsitzender. „Die meisten Mitglieder haben Wald in der Größenordnung von unter einem Hektar, oft auch noch auf mehrere Flurstücke verteilt“, berichtet Abs.
Maschinen lohnen sich nur für größere Waldstücke
Bei so kleinen Parzellen lohnt es sich nicht, selbst Maschinen für die Holzernte zu bestellen oder sich mit dem zuständigen Förster über Aufforstung zu beraten. In der Gemeinschaft funktioniert das viel besser. Die Herausforderungen für den Waldumbau sind deutlich sichtbar: Trockenheit setzt den Bäumen zu, abgestorbene Lärchen und Fichten ragen aus einer Lichtung, während die nachgepflanzten Bäumchen zwischen Brombeeren und Farn kaum zu entdecken sind.
Christoph Abs hat seinen ersten Streifen Wald vom Vater übertragen bekommen. Er freut sich, dass die Esskastanien so gut wachsen, die sie gemeinsam gepflanzt hatten. Abs kann den Wald regelrecht lesen. Er sieht, wo einer nachwachsenden Kirche Verbiss durch Wild droht und deshalb ein Schutz her muss. Er befreit die Kastanie, die von Brombeeren gewürgt wird, und drückt die Ranken zu Boden oder sorgt mit der Handsichel für Luft.
Idee einer Genossenschaft ist vom Tisch
Abs hat über Jahre versucht, Streifen zu tauschen oder zu kaufen, um seinen Wald besser pflegen zu können. Zwischen den Parzellen der FBG-Mitglieder liegen auch Flächen von Nichtmitgliedern. Das können laut Abs Erbengemeinschaften sein oder Leute, die nicht mehr in der Region wohnen und sich auch nicht um ihren Wald kümmern. Die FBG hat eine Flurbereinigung angestoßen, bei der Flächen zusammengelegt werden. Die Idee einer Genossenschaft zu gründen, bei der alle Mitglieder nur noch einen ideellen Anteil am gemeinsamen Wald haben, ist inzwischen wieder vom Tisch. Seit 1972 hat sich die Zahl der Mitglieder von 30 auf rund 180 gesteigert. Zusammen besitzen sie 506 Hektar Wald. Die Gemeinde Wachtberg ist mit rund 80 Hektar das Mitglied mit dem meisten Waldbesitz.
Christoph Abs war schon seit seiner Jugend mit dem Vater im Wald und hatte als Geschäftsführer der Stiftung Wald in Not bis zum Ruhestand auch beruflich mit dem Wald zu tun. In seinen Waldstücken kennt der 73-Jährige jeden Baum. Wo die Flurstücke der Nachbarn liegen, kann er anhand großer Bäume am Weg erkennen. „Es ist nicht einfach, die Grenzen zu finden“, sagt er und schaut auf die Karte zur Forsteinrichtung, die alle Eigentümer und Baumarten erfasst. Macht eigener Wald viel Arbeit? „Wenn er etwas abwerfen soll, ist es Arbeit.“
Wenn es optimal läuft, verjüngt sich der Wald aber von alleine. Dann muss der Besitzer Bäume entnehmen, um Lücken zu schaffen, die Licht durchlassen. Zu viel Licht auf den leeren Flächen, wo früher die Fichten standen, ist aber auch nicht gut, denn dort kommen die Brombeeren sofort wieder hoch. Nicht nur Beratungstermine zu Aufforstung und Baumauswahl mit dem Förster organisiert die Forstbetriebsgemeinschaft gemeinsam, sondern auch den Holzverkauf. „Man kann mit Brennholznutzung den Wald günstig pflegen“, weiß Abs.
An einer kleinen Fläche kann er zeigen, was Naturverjüngung bedeutet. Eiche, Vogelbeere und Kirsche warten auf die nächste Lücke, um selbst ihre Baumkronen dem Licht entgegenzustrecken. „Es ist das Wirtschaftlichste, wenn man keine Bäume kaufen muss. Die Bäume sind auch viel stabiler als ein gepflanzter Baum“, erklärt der Vorsitzende. Einen Vorteil hat das Puzzle aus vielen kleinen Waldparzellen in Wachtberg. „Die Fichtenflächen waren hier immer klein, sodass wir nicht so große Waldflächen wiederaufforsten müssen.“
Bei der jüngsten Mitgliederversammlung hielt Stephan Schütte, Leiter des Regionalforstamts Rhein-Sieg-Erft, einen Festvortrag zum Jubiläum und ging dabei auch auf die Herausforderungen ein, die sich aus den Folgen des Klimawandels entwickeln. Ziel des Waldbaus und vor allem der Wiederaufforstung der vielen Schadflächen müsse sein, einen Mischwald aus unterschiedlichen Baumarten zu entwickeln, so Schütte. So könne man versuchen, das Risiko aus einer nicht absehbaren Klimaentwicklung zu minimieren. Dabei sollte man auch auf Baumarten setzen, die aus wärmeren und trockeneren Regionen stammen. Ob Abs und sein Vater mit den Esskastanien richtig lagen, die schon die Römer ins Rheinland brachten, bleibt abzuwarten. Waldbau ist nicht nur Arbeit über viele unsichtbare Grenzen hinweg, sondern auch über Generationen.