Logopädie-Angebote Sprachtherapien für Kindern werden stärker nachgefragt

Wachtberg · Immer mehr Kinder gehen zum Logopäden. Was dahinter steckt, versuchen zwei Experten einzuordnen. Sie raten den Eltern vor allem zu mehr Gelassenheit.

 Die Handpuppen Waldemar und Poldi helfen Logopädin Maren Mangel bei der Arbeit mit Kindern.

Die Handpuppen Waldemar und Poldi helfen Logopädin Maren Mangel bei der Arbeit mit Kindern.

Foto: Axel Vogel

Gelassenheit ist ein Wort, das Kinderarzt Hubert Radinger Eltern gerne mit auf den Weg gibt. Vor allem auch beim Thema Logopädie. „Es gibt immer mehr Wünsche nach Verordnungen“, stellt der Bonner Mediziner im Alltag fest. Der Anspruch der Eltern an Perfektion bei den Kindern steige stetig. Diesen Trend beobachtet Logopädin Maren Mangel ebenfalls. Da durchaus Kinder in ihren Sprechstunden in der Niederbachemer Praxis saßen, die eigentlich keinen Bedarf hatten, hält sie seit einigen Jahren Vorträge im Familienzentrum Berkum und hat eine Kooperation mit dem Familienzentrum Drachenhöhle.

„Die Eltern können sich hier kostenlos Tipps holen beziehungsweise erstmal beschreiben, woran es hakt“, sagt Mangel, die sich 2006 selbstständig gemacht hat. Die Kinder selbst dürfen bei diesen Sprechstunden nicht gehört werden, denn ohne Rezept darf sie nicht therapeutisch tätig werden. Mit gezielten Fragen, so Mangel, lasse sich auch so herausbekommen, ob es Probleme bei Artikulation, Grammatik oder auch Wortschatzentwicklung gebe.

Große Unterschiede in den Entwicklungsstufen

„Wir nehmen mittlerweile auch die Late Talker mehr in den Blick“, erzählt sie aus Studien. Das sind Zweijährige, die weniger als 50 Wörter sprechen. Dazu, so Mangel, zählten auch Wörter wie Heia für Schlafen. Aber gibt es nicht immer große Unterschiede in den Entwicklungsstufen? „Das schon, aber wir schauen dann frühzeitig, ob das Kind Blickkontakt hält, wie Spiel- und Imitationsverhalten sind und wie es um das Hörvermögen steht“, so die Logopädin. Sei dies alles in Ordnung, könne man abwarten, denn 50 Prozent würden zu sogenannten Late Bloomern, bei denen der Wortschatz etwas später explodiert. „Aber 50 Prozent eben nicht“, betont Mangel.

Therapien schon für Zweijährige befürwortet Mediziner Radinger dagegen nicht unbedingt und weist darauf hin, dass Kommunikation in diesem Alter eben nicht immer gelinge. Er hält die Logopädie durchaus für sinnvoll, meint aber auch, dass durch die Vorsorgeuntersuchungen mit zwei, vier und fünf Jahren in Deutschland ein gutes Kontrollsystem für Kinder bestehe. „Wenn der Arzt einen guten Job macht, fällt ihm durch Fragebögen und standardisierte Tests auf, wenn bei Sprachverständnis oder dem Hören etwas nicht stimmt“, so der Bonner. Geht man rein nach den Zahlen, gibt es tatsächlich immer mehr Kinder, die nicht richtig sprechen, schlucken oder schreiben können, die stottern oder sonst eine Stimmproblematik haben.

Auch Eltern sind in der Pflicht

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gab im Jahr 2010 für 0 bis Zehnjährige 36,9 Millionen Euro aus. 2018 waren es schon 61,3 Millionen Euro. „Dass die Verordnungen steigen ist unstrittig, aber das Rezept alleine heißt nicht unbedingt, dass ein Bedürfnis besteht“, umschreibt Radinger das Problem, das seine Kollegen und er haben, wenn verzweifelte Eltern vor ihnen sitzen. Er würde sich mehr Sprachförderung in Kindergärten und Schulen wünschen, weiß aber auch, dass hier die Anforderungen in allen Bereiche mittlerweile gestiegen sind.

Bliebe das Elternhaus, das er ebenfalls in der Pflicht sieht. „Die Kommunikation ist gestört“, sagt der Mediziner. „Der kommunikative Alltag hat sich durch Handy und Laptop sehr verändert, zu Lasten des Dialogs“, ergänzt Mangel. Dabei sei es wichtig für den Lese-Schreib-Erwerb darüber berichten zu können, was man erlebt habe. Vom Vorlesen und Singen ganz zu schweigen.

Dabei lasse sich Vieles im Alltag einbinden, zum Beispiel beim gemeinsamen Playmobilspiel oder noch früher beim bloßen Ballzurollen. „Später habe ich meine Kinder die Einkaufszettel immer schreiben lassen“, gibt sie einen weiteren Tipp. Neben mehr Zeit, die sich Eltern für ihre Kinder nehmen sollten, haben Mangel und Radinger übrigens noch einen Wunsch an die Kassen: flexiblere Verordnungen. Therapiepausen von bis zu drei Monaten seien nämlich sehr sinnvoll, derzeit aber nicht möglich.

Am Freitag, 17. Mai, bietet das Familienzentrum Drachenhöhle eine kostenlose Sprechstunde mit Maren Mangel in der Kita Glühwürmchen, Mehlemer Straße 3a, in Niederbachem an. Wer ab 7.30 Uhr einen Termin haben möchte, muss sich vorher anmelden unter 02 28/34 27 23.

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