Hotspot Rodderberg Ungewöhnliches Fleckchen Vulkangebiet

Bonn/Wachtberg/Remagen · Tolle Aussicht und erstaunliche Artenvielfalt: Die Biologischen Stationen Bonn/Rhein-Erft und Rhein-Sieg kümmern sich um das Naturschutzgebiet Rodderberg. Dort gibt es Pflanzen, die man nicht auf jeder Wiese findet, und so manche Tiere fühlen sich dort pudelwohl.

 Die Schafherde auf dem Rodderberg hilft beim Erhalt der Artenvielfalt.

Die Schafherde auf dem Rodderberg hilft beim Erhalt der Artenvielfalt.

Foto: Stefan Knopp

Die Schafe sind wieder auf dem Rodderberg unterwegs. Ein bisschen später, als sich das der Schäfer gedacht hat, dem die Herde dort gehört. Er hätte sie gerne schon im April beweiden lassen, aber davon riet ihm Christian Chmela von der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft ab. Zum einen, weil nach dem recht trockenen Frühlingsanfang Gräser und andere Pflanzen noch nicht ausreichend gewachsen waren. Und zum anderen, „damit die Larven von Insekten, die im Herbst ihre Eier in Altgrasbestände und vertrocknende Kräuter legen, eine Chance haben, sich zu entwickeln“, erklärt der Diplom-Biologe.

Der Rodderberg, dieses ungewöhnliche Fleckchen Vulkangebiet, ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, sondern auch aus biologischer und Naturschutzsicht interessant. Vor allem am Kraterrand ist der Vulkanasche-Boden mager, dort wachsen Pflanzen, die man nicht auf jeder Wiese findet, etwa Thymian, Natterkopf oder auch der Scharfe und der Milde Mauerpfeffer: Den findet man mitunter auf Garagen, „hier wächst er natürlich“, erzählt der Leiter der Biostation. Ackerwitwe, Frühlingsfingerkraut, Knolliger Steinbrech, die Taubenskabiose und die Zypressenwolfsmilch findet man dort ebenfalls. Sie verwandeln den Vulkankrater in ein buntes Blütenmeer, das viele Schmetterlinge wie den Schwalbenschwanz und das Blutströpfchen und andere Insekten anzieht, und damit auch diverse Vögel wie den Neuntöter. Auch die Blauflügelige Ödlandschrecke wurde auf der Windkuppe schon gesichtet, sie ist in dieser Gegend eher selten.

Bis in die 70er-Jahre wurde Altgras im Herbst gebrannt

Drei Parkplätze gibt es dort, der zentrale liegt neben der Kapelle, die man über die Vulkanstraße erreicht. Vom Parkplatz aus Richtung Rhein lässt man den Broichhof mit seinen Pferdeställen und -koppeln rechts liegen und gelangt zur Windkuppe, der Erhebung, von der aus man über das Rheintal bis nach Köln blicken kann. Dort oben auf der Weide führt die Biostation ein Experiment durch: Man möchte, indem man den Oberboden auffräst, herausfinden, ob noch Samen früherer Flora vorhanden sind und sie noch Keimpotenzial haben. Etwa die der Klebrigen Miere, eine in Deutschland bedrohte Pflanzenart. „Vor 30 Jahren wuchs sie noch auf dem Rodderberg, jetzt ist sie verschwunden“, so Chmela.

Bis in die 70er-Jahre, so Chmela, sei das Altgras im Herbst gebrannt worden, die Asche diente als Dünger. Damals habe die Kuhschelle dort in großer Zahl violett geblüht, jetzt gibt es nur noch ein einziges Exemplar, das aber seit mindestens 20 Jahren konstant auf der Windkuppe wiederkehrt. Irgendwann habe er mal gebuddelt – und festgestellt, dass die Blume aus einem Torftopf herauswächst, also von jemandem gepflanzt wurde. Eine gute Idee, um diese Pflanze wieder anzusiedeln, findet Chmela. Er möchte Samen aussäen, die er in Euskirchen beziehen könnte. „Dafür brauche ich aber die Genehmigungen sowohl der Unteren Naturschutzbehörde in Bonn als auch die der in Euskirchen.“

Zu wenige Kontrollen auf dem Rodderberg

Chmela darf für seine Untersuchungen die durch Holzgeländer begrenzten Wege verlassen, aber als Spaziergänger darf man das nicht. Denn der Rodderberg ist ein Naturschutzgebiet, das sich über Bonner (Windkuppe und Heinrichsblick), Wachtberger (Broichhof) und Remagener Gebiet (Rodderberghof, Rolandsbogen) erstreckt. Deshalb sind die Biostation Bonn/Rhein-Erft und Rhein-Sieg gemeinsam zuständig. Leider würden sich vor allem auf der Windkuppe viele Besucher nicht daran halten, sagt er. „Wir haben die Stadt Bonn gebeten, Leute vom Ordnungsdienst hier abzustellen“, sagt Chmela. Bislang werde zu wenig kontrolliert.

„Der Rhein-Sieg-Kreis hat da Pionierarbeit geleistet und von zwei auf vier Leute aufgestockt.“ Die würden in den Natur-Hotspots des Kreises kontrollieren. „Dem darf sich Bonn gerne anschließen.“ Chmela appelliert an die Spaziergänger, in Naturschutzgebieten auf den Wegen zu bleiben und Hunde anzuleinen.

Von der Windkuppe aus geht es hinab Richtung Rhein und die Vulkanstraße entlang südwärts. Vorbei am Heinrichsblick, einer Richtstätte des Amtes Mehlem. Dort kann man mit den Verurteilten von damals die herrliche Aussicht auf Siebengebirge und Rhein teilen. Mit ein bisschen Glück kann man auch den kauzigen „Sänger vom Rodderberg“ treffen, der gerne den Schafen ein Ständchen bringt. Wer, wenn es wieder erlaubt ist, am Rolandsbogen essen und trinken möchte, geht dann geradeaus weiter Richtung Rodderberghof und den steilen Waldweg hinab. Ansonsten zweigt der schönere Wanderweg rechts ab und führt und durch einen Tunnel aus Sträuchern und Bäumen hindurch mit Blick auf die weiße Wachtberger Kugel auf einen Weg, der wieder zum Wanderparkplatz führt. Eine entspannte, nicht ganz drei Kilometer lange Wanderung auf dem Kraterrand des Rodderbergs.

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