Ein Berufsleben für den Nachwuchs Wachtberger Erzieherin vereint das Beste aus zwei Welten

Wachtberg-Ließem · Ende Dezember geht die Ließemer Erzieherin Kornelia Gercen in Rente. Mit 37 Jahren kam sie einst aus Kasachstan nach Wachtberg. Bei ihrer Anerkennungsprüfung setzte sie alles auf eine Karte.

 Erzieherin Kornelia Gercen bereitet im evangelischen Kindergarten in Ließem die Ordner für die Kinder zum Abschied vom Kindergarten vor.

Erzieherin Kornelia Gercen bereitet im evangelischen Kindergarten in Ließem die Ordner für die Kinder zum Abschied vom Kindergarten vor.

Foto: Petra Reuter

Stolz, konzentriert oder einfach glücklich lächeln die Kinder mit ihren Bastelprojekten oder beim Theaterspiel auf den Fotos in den Ordnern von Kornelia Gercen. Die Erzieherin mit kasachischen Wurzeln schenkte über 25 Jahre lang ihren Schützlingen mit einem besonderen Konzept nachhaltige Erinnerungen. Einige grüßen „ihre“ Frau Gercen auch nach Jahren noch gern. Am 22. Dezember wird die bewährte Kraft in den Ruhestand gehen.

Mit schwerem Herzen hatte sie ihre Heimat als 37-Jährige verlassen, erinnert sich die Wachtbergerin. Umso schöner sei es für sie gewesen, in ihrem neuen Wirkungskreis „so viel menschliche Wärme zu spüren, wie sie nur Kinder geben können“, sagt die heute 65-Jährige. „Das hat mir viel Kraft gegeben.“

In Ihrer Heimat hatte sie zuvor längst ihr Universitätsstudium abgeschlossen und als Dozentin für Vorschulpädagogik und Kinderpsychologie in der Erwachsenenbildung unterrichtet. Weil ihr Diplom in Deutschland damals nicht anerkannt wurde, nahm sie an einem Sprachkurs teil und absolvierte im Kindergarten der evangelischen Heilandkirche in Mehlem ein Anerkennungspraktikum.

„Ich sprach noch nicht so viel Deutsch und habe bei der Prüfung alles auf eine Karte gesetzt“, erinnert sich Gercen. Sie habe all ihr fundiertes Fachwissen präsentiert und den Prüfern gesagt, sie wolle das Beste aus beiden Bildungssystemen nehmen und damit als Spezialistin für beide Systeme arbeiten. „Zum Schluss habe ich gesagt: ‚Wenn Sie mich jetzt durchfallen lassen, verlieren Sie eine sehr gute Erzieherin.’“ Trotz der damals teilweise noch vorhandenen Sprachbarriere bestand sie die Prüfung und fand in Ließem eine Anstellung als Erzieherin.

Im kasachischen Bildungssystem gebe es für alle Kinder eines bestimmten Alters festgelegte Programm- und Informationsinhalte, so Gercen. Der Kindergartenalltag sei mitsamt Unterrichtszeiten und Prüfungen starr geregelt. Das gelte dort auch schon für Zweijährige. „Hier gefällt mir das Freie“, sagt Gercen. „Es werden den Kindern nicht so viel fertige Informationen vorgegeben, es gibt eine gewisse Freiheit in einem bestimmten Rahmen.“ Ein wichtiges Ziel sei für sie immer gewesen, die Kinder zu motivieren, „so, dass die Kinder sich frei fühlen und trotzdem bestimmte Inhalte lernen möchten und logisch denken“.

In dieser Dynamik könne es auch schon einmal vorkommen, dass man Fragen von Kindern nicht beantworten könne. „Das sage ich dann auch und schlage vor, dass ich zu Hause nachschlage, und alle Kinder, auch mit der Hilfe der Eltern, versuchen, mehr Informationen zu sammeln“, sagt Gercen. So würden die Kinder beginnen, selbst nach Lösungen zu suchen. „Am nächsten Tag besprechen wir dann, wer welche Informationen gefunden hat und welche Lösungen es geben kann.“ Auch das fördere die Lernbegierde und das Miteinander der Kinder.

Insgesamt sei das deutsche System stärker darauf ausgerichtet, Eigenständigkeit und Entscheidungsfähigkeit zu fördern. „Wenn man beide Systeme kombiniert, profitieren die Kinder“, so Gercen.

Mit ihrer individuellen Art habe sie den Kindern Anstand, Respekt, Disziplin und vor allem Liebe mit auf den Lebensweg gegeben, findet eine Mutter. Der nachhaltige Effekt offenbart sich heute. So besuchen jetzt, nach über 25 Jahren ihrer Kita-Arbeit in Ließem, schon die Kinder ihrer ehemaligen Kindergartenkinder die Einrichtung, berichtet Kita-Leiterin Karin Pagenkopf. „Manchmal kommt ein Jugendlicher irgendwo im Laden plötzlich auf mich zu, begrüßt mich herzlich und fragt, ob ich ihn noch kenne“, erzählt Gercen. Natürlich erinnere sie sich an die ehemaligen Kinder, die heute als junge Erwachsene in ihr Leben gehen. „Das ist dann ein sehr schöner Moment“, sagt sie.

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