Freiwillige aus Wachtberg gesucht Ohne Jugendschöffen können Gerichte ihre Aufgaben nicht erfüllen

Wachtberg · Laienrichter unterstützen in den Amtsgerichten und im Bonner Landgericht die Jugendrichter. In Wachtberg fehlen noch Freiwillige für die Vorschlagsliste. Die Aufgabe ist spannend und gibt Einblick in eine andere Welt.

Eingang zum Bonner Amts- und Landgericht: Jugendschöffen aus Wachtberg werden hier eingesetzt.

Eingang zum Bonner Amts- und Landgericht: Jugendschöffen aus Wachtberg werden hier eingesetzt.

Foto: dpa/Daniel Naupold

Bürgermeister Jörg Schmidt machte in der jüngsten Gemeinderatssitzung Werbung für ein spannendes Ehrenamt. Der Hintergrund: Aus Wachtberg haben sich noch nicht genug Freiwillige als Jugendschöffin oder Jugendschöffe gemeldet. In der Gemeindeverwaltung hat der Bürgermeister schon nachgefragt. „Es ist natürlich ideal, wenn Leute schon im Kindergarten oder in der Jugendarbeit tätig sind“, sagte Schmidt. Aber aus den Reihen der Hauptamtlichen gab es bisher keine Kandidaten.

SPD-Ratsherr Paul Lägel berichtete: „Ich bin zurzeit Jugendschöffe, aber es gibt eine Altersgrenze, und die liegt bei 69 Jahren.“ Er stehe Interessierten aber mit Informationen zur Verfügung. Ebenso wie Ulrich Feyerabend, Ratsherr von „Unser Wachtberg“. Lägel habe insgesamt zwei Amtszeiten miterlebt, aufgrund der Altersgrenze scheide er nun aus. „Beide Amtszeiten waren für mich persönlich bereichernd, haben meinen Horizont erweitert. Hatte Einblick in die teilweise schwierigen Lebensumstände der Angeklagten , ebenso Einblick in unser Rechtssystem“, so Lägel. Er könne „nur jedem empfehlen“ eine solche Möglichkeit wahrzunehmen. Der Direktor des Siegburger Amtsgerichts ist selbst Jugendrichter und arbeitet regelmäßig mit Laienrichtern zusammen.

Wie viel Zeit muss man mitbringen? „Jeweils im November werden die Termine für das kommende Jahr ausgelost“, erklärte Feyerabend. Jeder Schöffe oder jede Schöffin bekomme zwölf Termine. Das heißt aber nicht, dass dann auch eine Gerichtsverhandlung stattfindet. „Wenn Sie für einen bestimmten Termin ausgelost sind und an dem Tag ist keine Schöffensache, bekommen Sie eine Abladung“, so der Jugendrichter. Es kann aber auch anders herum sein: Wenn ein Verfahren am angesetzten Termin nicht zu Ende ist, bleiben die Schöffen auch an den weiteren Terminen bis zum Urteil zuständig.

Das Strafmaß ist entscheidend

Ob Schöffen überhaupt dabei sind, hängt vom zu erwartenden Strafmaß ab. „Bis zu einem Jahr Jugendstrafe entscheide ich alleine“, sagte Feyerabend. Das Jugendschöffengericht kann bis zu zehn Jahre Jugendstrafe verhängen. Die Aufgabe der Jugendschöffen besteht darin, die Jugendrichter bei ihrer Arbeit zu unterstützen und den Blick zu weiten.

Viel Vorbereitung ist dafür nicht erforderlich. In der Regel erfahren sie erst beim Verlesen der Anklage, um was es in dem Verfahren geht. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen Feyerabend die Laien auf das vorbereitet, was kommt. Vor allem bei Strafverfahren gegenüber Erwachsenen, bei denen Kinder und Jugendliche die Opfer sind. Auch sie werden zum Schutz der Heranwachsenden vor Jugendrichtern verhandelt.

Häufige Delikte, mit denen Jugendschöffengerichte zu tun haben, sind laut Feyerabend Sexualstraftaten, Raub und Körperverletzung. Beim Urteil können die Laien ihn überstimmen. „Das ist mir zwar noch nicht passiert, aber die beiden Schöffen haben das gleiche Stimmrecht wie ich“, sagte Feyerabend. Als Vorsitzender verkündet er in jedem Fall das Urteil.

Und was sollte man als Voraussetzungen für das Amt mitbringen? „Man sollte schon Verständnis haben für Jugendliche und das, was mit Jugendlichen zu tun hat“, sagte der Amtsgerichtsdirektor. Außerdem sei ein „wacher Menschenverstand“ nötig und die Bereitschaft, die eigene Einstellung zu verändern. „Man muss offen sein, bis das Verfahren abgeschlossen ist.“

Lohnausfall wird erstattet

Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeitenden für das Ehrenamt freistellen. Sie müssen aber nicht zwingend den Lohn weiter zahlen. „Den bekommt man aber erstattet“, sagte Feyerabend. Er wirbt um Freiwillige, denn: „Es ist eine wichtige staatsbürgerliche Aufgabe, weil sonst Gerichte ihre Aufgabe nicht erfüllen können.“ Und man lernt selbst dazu, wenn man Einblick in das bekommt, was die Gerichte tagtäglich beschäftigt. „Viele merken, in was für einer heilen Welt sie selbst leben“, so der Richter.

Die Gemeinde Wachtberg hat gerade einen erneuten Aufruf veröffentlicht, wonach „dringend Bewerberinnen und Bewerber für das Amt als Jugendschöffin beziehungsweise Jugendschöffe gesucht“ werden. Bürgermeister Schmidt appelliert darin an die Wachtberger, sich für das interessante Amt zu melden.

Amtsperiode dauert vier Jahre

Die nächste Amtsperiode beginnt am 1. Januar 2024 und endet am 31. Dezember 2028. Der Einsatz der Schöffen kommt laut Gemeinde Wachtberg für die Amtsgerichte Bonn, Euskirchen, Siegburg, Waldbröl und für das Landgericht Bonn in Betracht. Er richte sich nach dem Wohnort der Bewerberin oder des Bewerbers. Ulrich Feyerabend berichtete, dass Schöffen, die in Wachtberg gemeldet sind, entweder am Bonner Amtsgericht oder am Bonner Landgericht eingesetzt werden.

Rhein-Sieg-Kreis erstellt die Vorschlagsliste

Wer sich für das Amt interessiert, kann sich um die Aufnahme in die entsprechende Vorschlagsliste bewerben. Für die Gemeinde Wachtberg ist hierfür das Jugendamt des Rhein-Sieg-Kreises zuständig. Die formalen Bewerbungsvoraussetzungen sind in einem Formular zusammengestellt, das per E-Mail an birgit.wennmacher@rhein-sieg-kreis.de oder unter der Rufnummer ☎ 02241/13-3211 angefordert werden kann.

Weitere Informationen gibt es auch unter rhein-sieg-kreis.de/schoeffenwahl. Bewerbungen sind zu richten an den Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Kreisjugendamt, Postfach 1551, 53705 Siegburg. Über die Aufnahme in die Vorschlagsliste entscheidet der Jugendhilfeausschuss des Kreises.

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