Flüchtlingsbetreuung in Wachtberg „Schwerfällige Bürokratie kann berufliche Integration verhindern“

Wachtberg · Der Pecher Unternehmer Michael Rentmeister organisierte früh die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in Wachtberg. Mittlerweile nimmt er in vielen Fällen wahr, dass mehr Konflikte im Zusammenleben entstehen.

Michael Rentmeister hat die Ukrainerin Iryna Panasenko in seinem Privathaus aufgenommen.

Michael Rentmeister hat die Ukrainerin Iryna Panasenko in seinem Privathaus aufgenommen.

Foto: Axel Vogel

Der Pecher Unternehmer Michael Rentmeister gehörte nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar mit seinem Verein MOVARE zu einer der ersten Organisationen in der Region, die sich um die Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge kümmerten. Angesichts eines derzeit nicht abzusehenden Kriegsendes und in Erwartung weiterer Flüchtlinge aus der Ukraine, die auch in Wachtberg unterkommen müssen, wollte Axel Vogel von Rentmeister wissen, welche Probleme sich daraus ergeben.

Herr Rentmeister, im Frühjahr war auch die Euphorie in ihrem Verein MOVARE groß. Viele Wachtberger hatten Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen. Vielerorts scheint diese Euphorie verflogen, weil sich ein Zusammenleben auf längerer Zeit immer schwieriger gestaltet.

Michael Rentmeister: Ja, das ist in der Tat so. Eigenen Wohnraum für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu organisieren, ist derzeit ein immens großes Problem, weil auch mit den steigenden Energiepreisen mancher Gastgeber beziehungsweise privater Vermieter immer kritischer wird. Auch wir haben nun vermehrt Fälle, wo Gastgeber nicht mehr bereit sind, Flüchtlinge bei sich zu beherbergen. Zudem muss man sagen: Wohl kaum jemand hätte im Frühjahr gedacht, dass der Krieg so lange dauern wird. Daher ist es auch kein Wunder, dass es im Zusammenleben zunehmend Konflikte gibt.

Hilft es Ukrainern, die sich jetzt nach einer neuen Bleibe in der Region umsehen müssen, wenn sie sich an den vorgeschriebenen Weg halten, und sich bei der Erstaufnahmestelle des DRK in Bonn melden?

Rentmeister: Aus meiner Sicht ist das nicht zielführend, weil die Ukrainer dann auch anderen Städten zugewiesen werden. Das wollen viele nicht, und es macht auch meist keinen Sinn, weil bereits Arbeits- oder Ausbildungsplätze gefunden wurden beziehungsweise in Aussicht stehen. Die Suche in unserer Region stellt sich allerdings bei dem ohnehin knappen Immobilienmarkt als schwierig dar. Zumal alle Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis ähnliche Probleme mit der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus anderen Ländern haben.

Wie kann man für diese Menschen hier eine Perspektive schaffen?

Rentmeister: Viele Ukrainer wollen genau eines: Hier in Deutschland leben und vor allem arbeiten, was ja aufgrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels sicherlich auch eine kleine Entlastung des Arbeitsmarktes in der Bonner Region bedeuten würde. Zumal viele Ukrainer hervorragend ausgebildet sind. Da mehr größere Wohnungen verfügbar sind, sollten Kommunen diese anmieten und Wohngemeinschaften bilden. Außerdem liegt ein großes Entlastungspotenzial für unsere Gemeinde Wachtberg im angrenzenden Kreis Ahrweiler. Dort sollte der Aufnahmestopp sofort aufgehoben werden.

Was müsste für eine solche Integration in den Arbeitsmarkt geschehen?

Rentmeister: In erster Linie müssten sich eine Reihe der für die Betreuung von Kriegsflüchtlingen zuständigen staatlichen Stellen wesentlich weniger bürokratischer aufstellen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Rentmeister: Ja, der 18 Jahre alte Bohdan, der als 17-Jähriger im Frühjahr mit seiner Schwester und Mutter aus der Ukraine geflohen war. Eine Bonner Familie hatte die drei aufgenommen. Dort gab es Probleme, sodass Mutter und Schwester wieder in die Heimat zurückkehrten. Bohdan aber will hier bleiben, besucht inzwischen das Heinrich-Hertz-Berufskolleg.

Wo liegt das Problem?

Rentmeister: Mutter und Schwester hatten sich nur bei der Stadt Bonn und nicht beim Bonner Jobcenter abgemeldet, sodass die Transferzahlungen für ihre Bedarfsgemeinschaft weitergezahlt wurden. Natürlich will die Familie die 5500 Euro, die vom Bonner Jobcenter zu viel gezahlt wurden, zurücküberweisen. Aber bis heute ist es schwer abzuklären, wie viel Bohdan eigentlich zusteht. Trotz allen Engagements der zuständigen Mitarbeiter, muss ich viel Zeit für E-Mails an die verschiedenen Stellen verwenden, weil die Regelungen es erfordern und die Kommunikation unter den staatlichen Stellen begrenzt ist. Alle, die ehrenamtlich helfen, sind da mittlerweile genervt. Eine Ehrenamtskoordination, wie in der Gemeinde Wachtberg ist da ein hilfreicher Ansatz.

Erleben Sie so etwas häufiger im Umgang mit Behörden?

Rentmeister: Ja, leider, obwohl dies meist nicht an den Mitarbeitern, sondern an den Regeln liegt. Da wir sowohl über unseren Verband MOVARE Kriegsflüchtlingen als auch unabhängig davon mit meinem Unternehmen KMU Werk internationalen Arbeitskräften dabei helfen, nach Deutschland auszuwandern. Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo schwerfällige Bürokratie eine berufliche Integration ukrainischer Arbeitnehmer behindert, manchmal sogar verhindert hat. Einfach weil es oft zu lange dauert.

Was würden Sie sich von Verwaltungen wünschen?

Rentmeister: Eigentlich gar nicht so viel. Das allerwichtigstes ist, dass Helfer und Ehrenamtler, bei ihrer Flüchtlingsarbeit auf ein offenes Ohr und auch zeitnahe Unterstützung treffen. Dass so etwas überaus positiv und produktiv klappen kann, zeigen die Gemeinde Wachtberg und der Rhein-Sieg-Kreis. Hier habe ich Kontaktpersonen, die wirklich völlig unkompliziert helfen: Wenn ich zum Beispiel freitagabends eine Mail schreibe, bekomme ich noch am Samstagmorgen eine Antwort.

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