Erziehung in Wachtberg Kindergarten kündigt einer Familie den Betreuungsvertrag

Wachtberg-Niederbachem · Eine Familie aus Niederbachem mit syrischen Wurzeln hat ein Betreuungsproblem für die beiden Töchter. Nach der Kündigung durch die Kita Drachenhöhle sieht sie sich kulturell benachteiligt.

 Hassan Koschani (Name geändert) ist gebürtiger Syrer, aber seit vielen Jahren mit seiner Familie in Niederbachem zu Hause, wo er sich auch als Jugendtrainer beim SV Niederbachem engagiert.

Hassan Koschani (Name geändert) ist gebürtiger Syrer, aber seit vielen Jahren mit seiner Familie in Niederbachem zu Hause, wo er sich auch als Jugendtrainer beim SV Niederbachem engagiert.

Foto: Axel Vogel

Hassan Koschani (37) und seine Frau Alyda (32) sind gebürtig kurdische Syrer, besitzen aber seit vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Er kam 1988 nach Deutschland. Das Ehepaar, dessen Namen der GA geändert hat, fühlt sich wohl in Niederbachem, versteht aber seit ein paar Tagen die Welt nicht mehr. Denn eigentlich wähnten sie ihre beiden Töchter ab August in der Kita Drachenhöhle. Doch der dahinterstehende private Träger, der Verein Kindertagesstätte Niederbachem, kündigte am 29. Juni den Betreuungsvertrag für die Töchter der Koschanis. Und zwar fristlos.

In der Begründung, die dem GA vorliegt, heißt es: „Eine Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten im Sinne unseres Konzeptes ist nicht möglich. In dieser Konsequenz ist eine angemessene Erziehung und Förderung beziehungsweise Bildung durch die Einrichtung nicht gewährleistet.“

Koschani und seine Frau halten die Begründung für „nebulös“ und fühlen sich stattdessen wegen ihrer Herkunft benachteiligt. Beide wollen die Sache nicht auf sich beruhen lassen und haben einen Anwalt eingeschaltet. Zumal sie sagen: „Wo sollen wir jetzt so kurzfristig zwei Ersatzplätze für unsere Ein- und unsere Vierjährige herbekommen?“

Zwei Gründe hätten den Ausschlag für die Kündigung gegeben, mutmaßt Koschani, der eine Dachdeckerfirma besitzt und sich beim örtlichen Fußballverein als Jugendtrainer engagiert. Zum einen hätten er und seine Frau bereits beim ersten Gespräch mit der Kita im Frühjahr den Wunsch geäußert, aufgrund ihres muslimischen Glaubens den Töchtern mittags kein Schweinefleisch anzubieten.

Zudem war es seiner Frau beim Windeln der bald Zweijährigen wichtig, dass dieses kein Betreuer, sondern eine Betreuerin übernimmt. Und zwar nicht aus religiösen Gründen, wie sie sagt: „Aufgrund von vielen Missbrauchsfällen von Kindern in letzter Zeit, die auch durch die Presse gingen, bringe ich meinen Töchtern bei, sich nicht von einem fremden Mann ausziehen zu lassen.“

Die Eltern hoffen auf Unterstützung der Gemeinde

Erneut sprachen die Eltern nach eigener Darstellung beide Punkte beim Kennenlerntag in der Kita am 25. Juni an. „Auch da hatte es überhaupt keine Probleme gegeben, als wir unsere Anliegen nochmals vorbrachten“, bekräftigt das Ehepaar. Man sei mit dem Gefühl nach Hause gegangen, dass alles in bester Ordnung ist, fassen sie ihre damaligen Eindrücke zusammen.

Doch ein paar Tage später folgte die Kündigung. Die Eltern hoffen nun auf Unterstützung der Gemeinde Wachtberg und des Rhein-Sieg-Kreises. Für die Familie ist alles in mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe: Die älteste Tochter wird bald fünf Jahre und soll im nächsten Jahr eingeschult werden. „Sie besaß seit einem Jahr einen Platz in der städtischen Kita Glühwürmchen, von dem wir sie aber abgemeldet haben, weil wir eben den Vertrag für zwei Plätze in der Kita Drachenhöhle hatten“, so der Vater.

Werden keine Ersatzplätze gefunden, muss sich die Mutter weiterhin selbst um die Töchter kümmern. Eigentlich wollte sie die Büroführung in der Firma ihres Mannes übernehmen. Für die Eltern steht fest: Wenn sie für die älteste Tochter keinen Kindergarten finden, muss die für nächstes Jahr geplante Einschulung auf 2023 verschoben werden. „Ich habe mir einiges vorgenommen“, resümiert der Vater: „Meine Kinder sollen keine Nachteile haben wegen ihrer Herkunft.“

Dass dem so ist, bestreitet der Vorstand der Elterninitiative energisch: „Weitergehende von der Familie erhobene Vorwürfe, die Kündigung hätte mit dem Migrationshintergrund der Familie zu tun, weisen wir entschieden zurück. Unsere Kindertageseinrichtung steht für Weltoffenheit und Toleranz.“ Trotzdem sei die Kündigung „unumgänglich“ gewesen. Denn leider habe sich erst nach Abschluss des privatrechtlichen Vertrages, aber noch vor Betreuungsbeginn gezeigt, „dass seitens der Familie sehr individuelle und besondere Anforderungen an die Betreuung gestellt werden, welche personell nicht umsetzbar und auch nicht mit dem im Betreuungsvertrag angeführten und auf der Homepage veröffentlichten pädagogischen Konzept der Einrichtung vereinbar sind“.

Auf den Betreuungsvertrag hat der Kreis keinen Einfluss

Weitergehende Angaben wolle man insbesondere zum Schutz der betroffenen Kinder und der von der Familie angekündigten anwaltlichen Vorgehensweise nicht machen. Dieser Darstellung widerspricht das Ehepaar: „Wir haben beide Wünsche bezüglich des Windelns und des Essens von Anfang an geäußert und nicht erst am Kennenlerntag.“ Sie hätten den Vertrag eben nicht durch nachträgliche Forderungen gefährden wollen.

Dem Rhein-Sieg-Kreis ist der Fall bekannt, aber Sprecherin Rita Lorenz betont: „Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Kitas, ob ein Betreuungsvertrag geschlossen oder gekündigt wird. Darauf hat der Kreis keinen Einfluss.“ Seitens des Kreises versuche man aber nun, für die Kinder andere Betreuungsmöglichkeiten zu vermitteln.

So ist die Geschichte für die älteste Tochter erst einmal gut ausgegangen: Sie hat für das neue Kindergartenjahr kurzfristig einen Platz in der benachbarten kommunalen Kita bekommen, „dort, wo sie auch schon zuvor war“, so der Vater voll Freude. Trotzdem will er die Kündigung der Drachenhöhle von einem Anwalt prüfen lassen.

Zur Frage, wie die Gemeinde in ihren Kindergärten kulturell bedingte Sonderwünsche von Eltern handhabt, sagt Benedikt Bungarten, Referent des Bürgermeisters: „Es wird darauf geachtet, dass Fleisch nur sehr reduziert zum Speiseplan gehört. Wenn Fleisch angeboten wird, dann auch nur sehr selten Schweinefleisch.“ In diesem Fall bestehe dann aber immer auch die Alternative eines vegetarischen Gerichtes. Aber: „Die Problematik mit dem Windelnwechseln durch männliche Betreuer hat sich für die kommunalen Einrichtungen bisher nicht gestellt“, so Bungarten.

Am Donnerstagnachmittag teilte Lorenz mit, dass auch für die jüngste Tochter ein Platz in einer Tagespflege gefunden wurde. Auf der Warteliste für eine Kita in Wachtberg befinden sich für die Zeit vom 1. August 2021 bis 31. Juli 2022 derzeit 13 Kinder für Gruppen über drei Jahren und 47 unter drei. „Dabei sind im Bereich der U3-Anmeldungen einige dabei, die erst im Laufe des Kindergartenjahres einen entsprechenden Betreuungswunsch angezeigt haben“, so Lorenz.

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