Flüchtlinge in der Ermekeilkaserne Warten auf die Weiterreise

Bonn · Seit mehr als vier Wochen dient ein Gebäude in der ehemaligen Ermekeilkaserne als Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes NRW. 100 Menschen warten dort auf ihre Zuweisung in eine Kommune.

 Eine willkommene Abwechslung ist für einige Flüchtlinge die Gartenarbeit auf dem Kasernengelände.

Eine willkommene Abwechslung ist für einige Flüchtlinge die Gartenarbeit auf dem Kasernengelände.

Foto: Nicolas Ottersbach

Wenn das Wetter schön ist, hält es die Flüchtlinge in der Ermekeilkaserne nicht auf ihren Zimmern. Sie verbringen den Tag lieber auf dem einstigen Appellhof. Verständlich. Denn in die ehemaligen Büros, die jetzt als Schlafräume dienen, passen gerade einmal zwei Stockbetten und die Spinde aus Metall. Pro Zimmer ist nur eine Steckdose verfügbar. Die anderen sind abgeklemmt. So wollen es die Sicherheitsbestimmungen, sagt Hassan Dirk Yücelli vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), das die Unterkunft im Auftrag des Landes betreibt. Gemütlich sieht anders aus.

Andererseits: Für die etwa 100 Männer, Frauen und Kinder, die zurzeit in der Ermekeilkaserne untergekommen sind, ist die Notunterkunft nach einer strapaziösen und meist gefährlichen Flucht eine sichere Zwischenstation. Sie alle warten darauf, in eine Stadt oder Gemeinde weiterreisen zu können, wo sie bis zu einer Entscheidung ihres Asylantrags wohnen werden.

Das sollte schnell passieren. Eigentlich. Zwei, drei Tage, höchstens eine Woche sollten die Flüchtlinge in der Anfang August in Betrieb genommenen, sogenannten "Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes NRW" bleiben. Doch manche müssen länger ausharren. Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab, er wächst immer weiter. Viele Kommunen wissen nicht mehr, wohin mit den vielen Menschen.

[kein Linktext vorhanden] Die Mitarbeiter vom DRK geben sich alle Mühe, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das geht nicht ohne feste Regeln. Der Tag ist genau unterteilt in Zeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen. Auch die Öffnungszeiten der Ausgabe für Hygieneartikel und der Kleiderkammer sind festgelegt. Um letztere kümmert sich ein ehrenamtliches Team aus Mitgliedern des DRK-Kreisverbands und der Ermekeilinitiative. Darüber ist Georg Fenninger froh. Der DRK-Kreisverbandsvorsitzende, der im Hauptberuf Fraktionsgeschäftsführer der CDU ist, hat mit seinen eigenen, ausschließlich ehrenamtlichen Kräften den Betrieb der Unterkunft in den ersten drei Wochen gestemmt, bis das DRK Nordrhein genügend hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt hatte, die sich seither um den Betrieb der Notunterkunft in der Südstadt kümmern.

"Da sind viele bis an ihre Grenzen gegangen", sagt Fenninger, als er mit Yücelli und dem GA die bereits bezogenen Räume im Erdgeschoss eines Gebäudes der Kaserne besichtigt. Es ist noch früh am Morgen. In den oberen Etagen arbeiten Handwerker. Zusätzliche Büros müssen zu Schlafräumen umgebaut werden. 200 weitere Flüchtlinge werden in den nächsten Tagen in der Ermekeilkaserne erwartet. Wer die Bilder im Fernsehen vom Wochenende gesehen hat, ahnt, dass es vermutlich deutlich mehr werden.

Einige Bewohner sitzen in der ehemaligen Kantine und frühstücken auf Biertischgarnituren. Das ursprüngliche Mobiliar ist nach der Übergabe der Kaserne 2013 an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ausgeräumt worden. Es gibt Weißbrot, Aufschnitt und Melone zum Frühstück. Wer das nicht mag, bekommt Reis und Gemüse. Neben dem Nötigsten zum Leben erhält jeder Flüchtling 15 Euro Taschengeld pro Woche für den persönlichen Bedarf, erklärt Yücelli. Draußen auf dem Hof passt Djevat aus Albanien auf seinen vier Monate alten Sohn auf. Seine Frau ist gerade mit einer anderen Flüchtlingsfrau beim Arzt. Sie ist eine der wenigen, die Deutsch spricht und dolmetschen kann. Der 25-Jährige würde gerne arbeiten, er ist Elektriker. Doch für Asylsuchende und Geduldete ist die Arbeit in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts verboten. Und auch danach sind die bürokratischen Hürden hoch.

Einige der Bewohner machen sich nützlich und pflegen die Baumscheiben auf dem Gelände. Auch beim Garten-Gemeinschaftsprojekt der Ermekeilinitiative ist ihre Mithilfe willkommen. "Das ist für mich eine gute Abwechslung", sagt ein Mann, "sonst haben wir hier ja nichts zu tun. Außer zu warten. " Eigentlich darf die Presse in der Kaserne keine Interviews mit den Bewohnern führen. "Das dient dem Schutz der Menschen", erklärt ein Sprecher der Bezirksregierung Köln später auf Nachfrage.

Besucher müssen sich beim Wachdienst melden. Wenn Bewohner das Gelände verlassen, müssen sie ihre Papiere hinterlegen. Außerdem besteht Übernachtungspflicht in der Kaserne. "Das ist kein Gefängnis", betont Yücelli. Aber die Flüchtlinge müssten zur Verfügung stehen, wenn sie einer Kommune zugewiesen werden. Da rollen die Busse auch schon mal am frühen Morgen an.

Ruhige Nachbarn

Vor der Ermekeilkaserne ist es still. Nur ein paar gedämpfte Stimmen dringen aus dem Innern des gegenüberliegenden Lokals "Joligs" - eine geschlossene Gesellschaft. Mitten auf der Straße vor dem Eingang der Kaserne sitzt eine grau-weiße Katze im Laternenschein, an der Scheibe des Kontrollhäuschens klebt ein Schild: "Vorerst keine Spenden mehr", steht dort.

Kleidung, Spielzeug und Hygieneartikel - momentan sind die Flüchtlinge bestens versorgt. Die Solidarität der Bonner mit den Menschen in der Ermekeilkaserne scheint groß. Oder trügt der Schein? Denn noch vor einer Woche hatte die Rockgruppe Brings Flüchtlinge zu einem Konzert eingeladen, um ein Zeichen gegen potenzielle Kritik zu setzen. "Auf der Ermekeilstraße gibt es schon einen unterschwelligen Widerstand", hatte Schlagzeuger Christian Blüm dem GA gesagt - und das zum Anlass genommen, etwas dagegen zu unternehmen. "In einer Stadt mit so vielen gebildeten Menschen darf es so etwas nicht geben", sagte er.

Eine Gruppe junger Studenten kommt vorbei. Sie machen eine Kneipentour. Das Ziel: eine Bar auf der Clemens-August-Straße. "Ich habe von dem Heim im Internet gelesen", sagt Stephan. "Ganz ehrlich: Wenn ich es nicht gelesen hätte, wüsste ich nicht, dass sie sich hier in unserer Nachbarschaft befinden. Aufgefallen sind sie mir bislang jedenfalls noch nicht."

Besonders auffällig verhalten sich die Bewohner der Kaserne offenbar ohnehin nicht. "Im Zusammenhang mit der Ermekeilkaserne gibt es weder eine Beschwerdelage noch besondere Vorkommnisse", sagt Robert Scholten, Sprecher der Bonner Polizei. "Ganz im Gegenteil. Die Kollegen, die in dem Gebiet im Einsatz sind, geben an, dass die Menschen vor Ort sehr positiv gestimmt sind." Auch bei den verschiedenen Stellen der Stadt, die sich mit den Flüchtlingen beschäftigen, liegen keine Beschwerden vor.

Ein Wagen parkt in unmittelbarer Nähe der Kaserne. Die Katze nimmt vor Schreck Reißaus. Im Kofferraum des Fahrzeugs befinden sich Möbel und Plastiktüten, sogar ein alter Röhrenfernseher. Die junge Fahrerin steigt aus und geht in Richtung Kontrollhäuschen. Nach nur wenigen Augenblicken kehrt sie zu ihrem Fahrzeug zurück. "Schade. Eigentlich wollte ich nur etwas Gutes tun", sagt sie. "Den Fernseher hätten sie ohnehin nicht genommen. Elektrogeräte darf man generell nicht abgeben. Und auch die Kleidung können sie im Moment nicht gebrauchen."

Auf der anderen Straßenseite geht ein älterer Mann mit seinem Hund spazieren. "Nein, Probleme machen die Flüchtlinge sicher nicht", sagt er. "Wenn sie sich anpassen und unsere Sprache lernen, sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten." Auch er ist ein Flüchtling: Vor vielen Jahren ist er aus der früheren DDR in den Westen geflohen.

Zahl der Flüchtlinge in Bonn wächst

Insgesamt 1283 Flüchtlinge aus 35 Nationen betreut die Stadt Bonn aktuell in fünf großen Übergangsheimen mit jeweils mehr als 50 Bewohnern sowie in kleineren Notunterkünften, in Ferienwohnungen und in Hotels. Das sind 43 Personen mehr als in der vergangenen Woche, teilte das Presseamt gestern mit. In den kommenden Tagen sollen laut Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit mindestens 121 weitere Flüchtlinge zugewiesen werden. Sie sollen in der ehemaligen Pestalozzischule an der Budapester Straße gegenüber dem Stadthaus ein Quartier finden. Das Gebäude sei hergerichtet, die Betten seien aufgebaut. Zum Duschen gebe es Container auf dem ehemaligen Schulhof.

Ob darüber hinaus noch weitere Flüchtlinge nach Bonn kommen werden, konnte Wahrheit nicht sagen. "Wir können nur sagen, dass wir auf das vorbereitet sind, auf das wir bisher glauben, uns vorbereiten zu müssen", betonte die Dezernentin am Montag.

Ein vor einigen Wochen eingerichteter Arbeitsstab innerhalb der Stadtverwaltung, den Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Wahrheit leiten, unternehme jedenfalls alle Anstrengungen, die Unterbringung der Flüchtlinge zu organisieren. Die Stadt sei nach wie vor bestrebt, keine Turnhallen und Zelte als Unterkünfte zu nutzen, solange sie noch Zugriff auf andere Räumlichkeiten habe. "Angesichts der unkalkulierbaren Umstände wäre es aber fahrlässig zu sagen, dass wir Turnhallen grundsätzlich ausschließen. Die Vereine können sicher sein, dass wir erst dann auf den Stadtsportbund mit konkreten Absichten zugehen, wenn dies die letzte Option ist. Wir alle müssen in diesen Tagen und den kommenden Monaten hier und da mal ein wenig enger zusammenrücken", warb Nimptsch gestern um Verständnis.

Vereinsvertreter aus Lessenich hatten sich zuvor an den GA gewandt und erklärt, ihnen seien bereits Hallentermine gekündigt worden. Wahrheit bezeichnete diese Information gestern als Missverständnis. "Richtig ist, dass wir im Arbeitskreis über diese Möglichkeiten gesprochen haben. Es gibt aber keine offiziellen Schreiben."

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