Interview mit Opferschutzbeauftragte Irmgard Küsters „Wichtig ist, dass Opfer ernst genommen werden“

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Irmgard Küsters kümmert sich bei der Polizei um Opfer von Verbrechen, wie Opfer von Raubüberfällen, Körperverletzungs-, Sexual- oder Zeugen von Tötungsdelikten. Im Interview berichtet sie über ihre Arbeit in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis.

Wer wendet sich an die Opferschutzbeauftragten? Sind es vor allem Gewaltopfer?

Küsters: Opfer im Sinne des kriminalpolizeilichen Opferschutzes sind alle Personen, die unmittelbar oder mittelbar infolge einer Straftat materiell, psychisch oder physisch geschädigt wurden. Das können über die direkten Geschädigten hinaus auch Zeugen oder Angehörige sein. Unter den Personen, die weiterführende Opferhilfemaßnahmen benötigen, befinden sich mehrheitlich Opfer von Gewalttaten, wie zum Beispiel Raubopfer, Opfer von Körperverletzungs-, Sexual- oder Tötungsdelikten, aber auch Opfer von häuslicher Gewalt.

Wie werden Sie auf die Betroffenen aufmerksam?

Küsters: In den allermeisten Fällen erhält der Opferschutz durch die ermittelnden Dienststellen den Hinweis auf die Opfer, bei denen weiterführende Maßnahmen erforderlich scheinen. Zudem wenden sich Betroffene auch direkt an den Opferschutz, wobei zu beachten ist, dass die Polizei einen Strafverfolgungszwang hat und bei Straftaten, die von Amts wegen verfolgt werden, ohne Anzeigenerstattung nicht beraten kann.

Was haben Betroffene erlebt, die sich an Sie wenden?

Küsters: Das ist sehr unterschiedlich und vielseitig. Es sind Menschen, die Schwierigkeiten mit den Nachbarn haben, die einen Angehörigen durch Suizid verloren haben, die gestalkt oder bedroht werden oder deren Kinder gemobbt werden. Einbruchsopfer, Opfer von Cybercrime oder Opfer vom „Enkeltrick“ gehören ebenfalls zu dem Personenkreis, der sich hilfesuchend an uns wendet.

Kann man wirklich verarbeiten, was man als Opfer einer Straftat erlebt hat? Wirkt so etwas nicht ein Leben lang nach?

Küsters: Diese Frage müsste eher einem Therapeuten oder einem Psychologen gestellt werden. Der Opferschutz stellt Hilfs- und Unterstützungsnotwendigkeiten fest und vermittelt professionelle Hilfeangebote bedarfsgerecht und problemorientiert. Praktische therapeutische Opferhilfe ist nicht Aufgabe der Polizei. Sie übernimmt im Ausnahmefall oder bei Gefahr im Verzug eine persönliche Opferbetreuung. Diese findet aber ihre Grenzen, wenn juristische, medizinische, psychologische oder sonstige therapeutische Fachbetreuung erforderlich wird. Wichtig ist, dass Opfer von Straftaten ernst genommen werden und auf Wunsch und nach Bedarf frühzeitig menschlichen Beistand und persönliche Betreuung erhalten.

Welche Hilfseinrichtungen gibt es?

Küsters: Opfer von Gewalttaten weisen wir auf die Möglichkeit hin, die Traumaambulanz der LVR-Klinik aufzusuchen, um dort individuelle Hilfe zu erhalten und um langfristigen gesundheitlichen und psychosozialen Beeinträchtigungen vorzubeugen. Auch zum Beispiel die katholischen und evangelischen Beratungsstellen bieten Hilfestellungen für Menschen in Krisensituationen an. Seit Anfang 2017 gibt es für Opfer auch das Recht der Psychosozialen Prozessbegleitung. Diese Begleiterinnen und Begleiter informieren über den Ablauf und die Aufgaben der beteiligten Personen im Strafverfahren, begleiten zu den Vernehmungen, betreuen während der Wartezeiten und helfen bei der Bewältigung von Ängsten und möglichen Belastungen in Bezug auf das Strafverfahren. In der akuten Folge einer Tat können Notfallseelsorger einem Opfer an die Seite gestellt werden. Des weiteren gibt es die Kooperation der Polizei mit der Opferhilfeorganisation „Weißer Ring“.

Ist Ihnen ein Fall besonders im Gedächtnis geblieben?

Küsters: Jeder Fall hat seine eigene Präsenz. Doch am ehesten bleiben mir die Fälle in Erinnerung, bei denen ein Elternteil das andere Elternteil tötet und noch Minderjährige im Haushalt leben. In solchen Fällen verliert das Kind den einen Elternteil durch Tod und den verbliebenen Sorgeberechtigen durch eine Haft. Dazu kommt das ambivalente Gefühl zum Täter, welcher bis zur Tat vielleicht ein liebevolles Verhältnis zum Kind hatte, und die Ungewissheit darüber, wo es zukünftig unterkommt. Trotz allem professionellen Abstand zu Opfern und Angehörigen berührt mich das Dilemma dieser Menschen sehr.

Die Opferschutzbeauftragte Irmgard Küsters und ihr Kollege Klaus Schmitz sind im Polizeipräsidium Bonn, Königswinterer Straße 500, unter 02 28/15 20 20 und per E-Mail an Opferschutz.Bonn@polizei.nrw.de zu erreichen.

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