Wildschweine plagen die Region

Steigende Zahl von Schwarzkitteln verursacht Unfälle und Flurschäden - Förster raten, vermehrt Jungtiere zu schießen

Region. Die Tiere kommen des Nachts und in Rotten. Auf ihrer Suche nach Nahrhaftem haben es Schwarzkittel zwischen Windeck und Wachtberg verstärkt auf Parks, Friedhöfe, Obst- und Vorgärten abgesehen.

In Rhöndorf haben die Wildschweine jüngst sogar einen Weinberg geplündert. "Auch Verkehrsunfälle mit Schwarzwild häufen sich", klagt Dirk Kreienmeier, Staatswalddezernent im Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft. Die Wildschweine werden in der Region zur Plage. Und keiner wird ihrer Herr.

Dabei ist das Problem schon einige Zeit bekannt: Die Wildschweinbestände sind überall in der Republik in den letzten Jahren stark gestiegen. Da jetzt die Jagdsaison beginnt, will Kreienmeier einen neuen Anlauf starten und das Borstenvieh ins Visier nehmen. Allerdings mit Augenmaß.

Hat doch sein ehemaliger Revierförster, der ausgewiesene Wildschwein-Experte Norbert Happ, herausgefunden: Sinnloses Bejagen bringt gar nichts. Happ nennt Zahlen: Während in den 30er Jahren etwa 10 000 Sauen pro Jahr geschossen worden seien, habe sich die Zahl bis zu den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht: "2001/02 wurden in der Bundesrepublik über 500 000 Stück geschossen, die Durchschnittsstrecke der letzten Jahre lag bei 400 000 Wildschweinen." Und trotzdem wuchs der Bestand.

Der pensionierte Happ, der drei Jahrzehnte das Sozialverhalten einer frei lebenden Schwarzwildfamilie im Kottenforst studiert hat, spricht von einer "explosionsartigen Zunahme" des Schwarzwildes. Es vermehre sich vier mal so schnell wie das Rehwild.

Und das bleibt nicht ohne Folgen: Immense Wildschäden sind ebenso zu beklagen wie die nicht mehr einzudämmende Verbreitung der Schweinepest und vermehrte Verkehrsunfälle mit Schwarzkitteln. Kreienmeier weiß sogar von einer Rotte zu berichten, die "regelmäßig über Bahngleise in ein Maisfeld wechselt". Damit ist für ihn einer der Hauptgründe für das starke Ansteigen der Populationen genannt: "Für Wildschweine ist es ein Leben wie im Schlaraffenland."

Die Klimaveränderung führe nicht nur zu einer häufigeren Fruchtfolge bei den Waldbäumen, sondern mit milden Wintern zu größeren Würfen und einer geringeren Sterblichkeit der Frischlinge. Großflächiger Mais- und Raps-Anbau bereichere den Speiseplan der Schwarzkittel zusätzlich. Wenn dann, wie in diesem Jahr, weniger Eicheln im Wald liegen, treibe es die Wildschweine auf Nahrungssuche in die Nähe der Menschen. Was laut Kreienmeier die Bestände verringern kann, ist eine "biologisch ausgerichtete Bejagung", zu der Experte Happ Erkenntnisse beigesteuert hat.

Dazu muss man wissen: Wildschweinrotten sind komplexe Familienverbände, an deren Spitze eine älteste Leitbache steht. "Sie bestimmt alle Abläufe, von der gleichzeitigen Paarungsbereitschaft der Bachen bis zum Tagesverhalten der Gruppe." Werden die Bachen geschossen, fällt das steuernde Element aus. Marodierende "Jugendbanden" von Schwarzkitteln vermehren sich dann wie wild.

Dank des Futterangebots erlangten überdies weibliche Sauen bereits im Frischlingsalter die Geschlechtsreife und bringen über 50 Prozent des Nachwuchses zur Welt. Deshalb müssten zu 90 Prozent Jungtiere, gemeint sind Frischlinge und Überläufer, geschossen werden, um den Bestand zu reduzieren. Was manchem Tierfreund ans Herz gehen dürfte, entspricht aber der Natur, in der früher die Wölfe just diese Tiere erbeutet hätten, argumentieren die Jäger.

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