"Wir sind Teil eines größeren Gefahrenraums"

Wolfgang Bosbach diskutiert in Hennef über das Erbe der Terroranschläge vom 11. September

"Wir sind Teil eines größeren Gefahrenraums"
Foto: Vogel

Hennef. Worüber lässt sich am 11. September trefflicher diskutieren, als das Thema Terrorismus und Innere Sicherheit. Das sagte sich auch Hennefs CDU-Chef Thomas Wallau und organisierte auf den Tag genau fünf Jahre nach den verheerenden Terroranschläge in den USA eine Podiumsdiskussion in der Meys Fabrik.

Neben Bürgermeister Klaus Pipke und der Siegburger CDU-MdB Lisa Winkelmeier-Becker diskutierten rund 60 Gäste insbesondere mit Wolfgang Bosbach über das Thema "Sicherheit statt Freiheit?". Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ausgewiesener Experte in Sachen Innen- und Sicherheitspolitik, weilte am 11. September 2001 im Reichstag.

"Plötzlich bekam ich von einen Freund eine SMS: Hast Du schon die Bilder gesehen?" Als er und seine Kollegen die brennenden und später einstürzenden Türme des World Trade Centers sahen, in die Terroristen zwei Flugzeuge gesteuert hatten, "hat sich der Bundestag vertagt".

Auf die Frage von Moderatorin Claudia Sanders, was die Anschläge verändert haben, konstatierte Pipke Auswirkungen bis in seine Kommune. Gerade nach den Anschlägen auf Züge in Madrid sei deutlich geworden, "das kann auch bei uns passieren". Als Vorsitzender des DRK Hennef sei er beispielsweise in neue Rettungsübungen, etwa auf der ICE-Strecke eingebunden, die genau jene Terrorszenarien im Focus hätten. "Vor 9/11 hätten daran niemand gedacht."

Die gesetzlichen Maßnahmen, die der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nach den Anschlägen vom 11. September einleitete, waren aus Sicht Bosbachs "notwendig, aber nicht ausreichend". Schließlich habe man schon damals gewusst, "nirgends außerhalb den USA gab es so viele Täter und Tatspuren wie in den USA".

Diesen Hinweis wollte der Sicherheitsexperte explizit nicht nur auf die Terroranschläge in den USA verstanden wissen. Vielmehr hätten sich nach beinahe jedem Anschlag in der letzten Zeit Verbindung nach Deutschland nachweisen lassen. Das belege auch die Zahl von 200 Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden.

Für Bosbach vollzieht sich ein Wandel vom Rückzugs- und Vorbereitungsraum zum Zielgebiet: "Wir sind bereits Teil eines größeren Gefahrenraumes. Der Terrorismus ist nicht erst mit den beiden Zugbomben in Deutschland angekommen." Die Ereignisse um das Nena-Konzert Ende August in Gelsenkirchen hätten gezeigt, dass die Behörden auch mit neuen Bedrohungsszenarien rechnen müssen.

Einige junge Männer hätten eine Tankschiff gekapert, möglicherweise um dieses in der Nähe des Konzertortes zur Explosion zu bringen. Damit könnte auch "ein Tankschiff zur Waffen werden". Generell habe man es mit einer neuen Terrorform zu tun. Während es die RAF um Baader, Meinhof & Co. in den 70er Jahren auf die Spitzen im Staat abgesehen habe, ging es dem allein politisch motivierten Islamismus um "weiche Ziele".

Extremisten schlügen dort zu, "wo sich mit geringen Mitteln höchste Opferzahlen erzielen lassen". Was kann man dagegen tun? Bosbach setzt da weniger auf das Strafrecht, denn "Selbstmörder schreckt das nicht ab". Vor allem Prävention sei wichtig, etwa in Form der diskutierten Antiterrordatei, die natürlich auch religionsspezifische Merkmale enthalten müsse.

Weil er bei der Polizei immer noch gravierende Defizite ausmache, kann Bosbach sich einen Einsatz der Bundeswehr im Inland vorstellen. "Wenn nur die Bundeswehr die technischen Möglichkeiten hat, müssen Fähigkeiten und Kompetenzen zusammengeführt werden. Es gib nur zwei Länder in Europa, die noch nicht über einen digitalen, abhörsicheren Funk verfügen: Albanien und Deutschland."

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