Witterschlicker Bahnhofsfest: Letzte Chance zur Besichtigung des Stellwerks

Die Muckibude können sie sich sparen: Für Fahrdienstleiter in alten Stellwerken der Bahn gehört Kraftsport zum Arbeitsalltag. Vor allem die wuchtigen Schaltstangen für Weichen und Signale haben es in sich.

Witterschlicker Bahnhofsfest: Letzte Chance zur Besichtigung des Stellwerks
Foto: Wolfgang Henry

Alfter-Witterschlick. Die Muckibude können sie sich sparen: Für Fahrdienstleiter in alten Stellwerken der Bahn gehört Kraftsport zum Arbeitsalltag. Vor allem die wuchtigen Schaltstangen für Weichen und Signale haben es in sich. "Das ist nix für Frauen", meint Fahrdienstleiter Albert Söhngen. Und das glaubt man ihm aufs Wort, wenn man seinen Körpereinsatz im Bahnhof Witterschlick beobachtet.

Nur dort können die Regionalzüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Bonn und Euskirchen aneinander vorbei. Damit das klappt, heißt es: Hebel stemmen, Schalter umlegen, Tasten drücken, Kurbeln drehen. Handarbeit im Viertelstundentakt. Daneben wird ein Zugtelefon bedient, das 45 Tasten hat, und handschriftlich ein Meldebuch geführt.

Nur einen Knopfdruck erfordert das Öffnen und Schließen der Schranken, die der Fahrdienstleiter auf Monitoren im Blick hat. Söhngen ist vernarrt in seinen Job und das alte Stellwerk. "Es wurde in den 1950er Jahren zwar mal erneuert, aber die Mechanik funktioniert so wie vor 100 Jahren", erläutert er.

Nun ist die Technik, die er als einer von 30 Fahrdienstleitern auf der Voreifelstrecke auch in Duisdorf und Rheinbach bedient, museumsreif. Das Stellwerk im Witterschlicker Bahnhof, der 1903 eröffnet wurde, wird wie die anderen auch stillgelegt. Ab Mai 2011 steuert ein elektronisches Stellwerk in Euskirchen die Weichen, Schranken und Signale.

Zurzeit entstehen längs der Strecke die Betonhäuschen für die moderne Schalttechnik. Das Bahnhofsfest in Witterschlick am Sonntag, 6. Juni ( der GA berichtete), dürfte daher wohl die letzte Gelegenheit sein, das Witterschlicker Stellwerk in Betrieb zu erleben. Denn von außen sieht man nichts.

Die Fenster sind mit Spiegelfolie beklebt, damit die Fahrdienstleiter vor neugierigen Blicken geschützt sind und in Ruhe arbeiten können. Für das Bahnhofsfest hat die Bahn eine Ausnahme gemacht: An diesem Tag sind Führungen im Stellwerk in kleinen Gruppen erlaubt. Interessierte dürfen also zuschauen, wenn der diensthabende Fahrdienstleiter zwischen den abgeschabten Holzmöbeln und der Steuerungsanlage hin und her sprintet.

Sie werden hören, wie er mit den Stellwerken in Duisdorf und am Bahnhof Kottenforst telefoniert. Sie werden staunen über die Vielzahl der Siegel und Sicherheitsschlösser, die vor einer Manipulation der Steuerungstechnik schützen. Neugierige werden erfahren, dass die erste Dienstpflicht eines Fahrdienstleiters bei Arbeitsbeginn ein Uhrzeitenvergleich ist.

Die Uhrzeit muss stimmen, auf die Sekunde genau. Die Besucher werden entdecken, dass es für den Notfall noch immer ein Horn und eine rot-weiße Signalkelle gibt, um einen Zug händisch zu stoppen. Und sie werden sich an frühere Zeiten erinnern, wenn sie den alten Fahrkartenschalter mit dem drehbaren Wechselgeldteller sehen, auf dem sie die gekauften Fahrscheine zugeschoben bekamen.

Trotz der Stilllegung des Stellwerks im nächsten Jahr geht den Witterschlickern das Inventar ihres Bahnhofs nicht verloren. Albert Söhngen, seit 2004 ohnehin schon Eigentümer des Bahnhofs, darf alles behalten. Und nun träumt der 51-Jährige von der Einrichtung eines Museums, in dem auch die Uniformsammlung seines Kollegen Stefan Ingenfeld aus Wachtberg ihren Platz finden könnte.

Das Bahnhofsfest Am Sonntag, 6. Juni, wird rund um den Bahnhof Witterschlick das 130-jährige Bestehen der Bahnstrecke zwischen Bonn und Euskirchen gefeiert und das 175-Jahr-Jubiläum der deutschen Eisenbahn. Hauptattraktion des Festes, an dem sich die Witterschlicker Vereine beteiligen, ist eine historische Diesellok mit mehreren Waggons aus den 1950er Jahren. Der Sonderzug pendelt von 10 bis 19 Uhr zwischen Bonn und Rheinbach und legt in Witterschlick einen längeren Aufenthalt ein. Fahrplan und Preise für den Sonderzug finden Interessierte im Internet unter www.bahnhofsfest-witterschlick.de. Fahrkarten gibt es auch direkt bei Albert Söhngen unter Telefon: (02 28) 64 55 87.

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