Praxis mitten im Ort Witterschlicker Margarethenkloster wurde zum Ärztehaus umgebaut

ALFTER-WITTERSCHLICK · In der wechselvollen Geschichte des Margarethenklosters in Witterschlick hat die Pfarrgemeinde Sankt Lambertus ein neues Kapitel aufgeschlagen: Das 1935/36 erbaute Haus im Ortszentrum wurde aufwendig zum Ärztehaus umgebaut.

 Einweihung: (v.l.) Rainald Ollig, Frank Roegele, Josef Wenzler, Elisabeth Nauck, Manfred Braun, Rolf Kornelius Schmitz.

Einweihung: (v.l.) Rainald Ollig, Frank Roegele, Josef Wenzler, Elisabeth Nauck, Manfred Braun, Rolf Kornelius Schmitz.

Foto: Wolfgang Henry

Mädchen lernten hier im vorigen Jahrhundert nähen, Fußballjungs ließen sich ihre blutenden Knie verbinden, Gläubige nutzten das Gebäude zeitweise als Notkirche. Jetzt hat das Haus eine neue Verwendung: Anfang des Jahres ist auf zwei Etagen des dreistöckigen Gebäudes die hausärztliche Gemeinschaftspraxis von Franz Roegele, Maria Elisabeth Nauck und Rolf Kornelius Schmitz eingezogen. Die älteste Arztpraxis von Witterschlick, 1946 von Johann Theodor Ritter am Klausenweg gegründet, feierte dort am Mittwoch ihr offizielles Einweihungsfest.

Dechant Rainald Ollig segnete die neuen Räume und ausdrücklich vor allem auch die Menschen, die dort arbeiten. Unter den Gästen begrüßte Roegele, Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirotherapeut, besonders das Ehepaar Albert und Franziska Monnens, das seit 1977 die oberste Etage des Margarethenklosters bewohnt und während der Umbauzeit viel Lärm und Dreck ertragen musste.

Doch Franziska Monnens (80), die insgesamt 32 Jahre als Küsterin für die Pfarrgemeinde tätig war, ist versöhnt: "Wir staunen, wie wunderschön es hier geworden ist." Und sie schätzt den nunmehr kurzen Weg zu ihrem Hausarzt eine Treppe tiefer. Für einen hohen sechstelligen Betrag, der aus Rücklagen aufgebracht wurde, hat die Pfarrgemeinde die Etagen unter Monnens Wohnung nicht nur komplett saniert; angebaut wurde auch ein Treppenhaus mit Aufzug.

Das Gemeinschaftsprojekt verbindet die Interessen der Pfarrgemeinde mit den Überlegungen der Ärzte. Zum einen kann Sankt Lambertus die Immobilie durch langfristige Vermietung wirtschaftlich erhalten. Zum anderen sichern die Ärzte durch den neuen Standort eine zukunftsfähige hausärztliche Versorgung in Witterschlick. "Denn nur eine attraktive Infrastruktur wird in den nächsten Jahren Nachfolger anlocken", meinte Roegele.

Er befürchtet, dass es in den nächsten Jahren bestenfalls für jeden zweiten ausscheidenden Hausarzt in Nordrhein-Westfalen einen interessierten Nachfolger geben werde. "Die Zeiten der Einzelpraxis sind vorbei", sagte der Mediziner. Der Einstieg in eine Gemeinschaftspraxis sei für junge Ärzte günstiger als eine Neugründung.

Als weiteren Pluspunkt für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaftspraxis in Witterschlick als Lehrpraxis der Universität Bonn wertete Roegele, dass die Erweiterung neue Möglichkeiten für die Ausbildung von Fachärzten biete. Roegele dankte herzlich dem geschäftsführenden Kirchenvorstand Manfred Braun und dem Kölner Juristen Professor Michael Loschelder für ihre Unterstützung bei der langwierigen Umsetzung des Projektes.

Die Überlegungen der Ärzte reichen bis in das Jahr 2007 zurück, als der erste von ihnen 55 Jahre alt wurde. "Das war der Anlass, erstmals ernsthaft und konkret über die Frage der Nachfolge nachzudenken", so Roegele. Die Pfarrgemeinde Sankt Lambertus wiederum stand unter dem Druck der vom Erzbistum Köln vorgegebenen Sparmaßnahmen und musste sich Gedanken über die wirtschaftliche Nutzung ihrer Immobilie machen.

Das Ergebnis lobte Dechant Ollig: "Die Praxis mitten im Ort ist bei den Menschen in Witterschlick, Volmershoven und Heidgen auf große Akzeptanz gestoßen. Wir können uns glücklich schätzen, dass das gelungen ist."

Das Margarethenkloster

Der Ziegelbau mit je 100 Quadratmetern pro Etage wurde 1935/36 auf Initiative von Pfarrer Wilhelm Neu errichtet, der von 1915 bis zu seinem Tod 1959 in Witterschlick tätig war. Die Errichtung wird noch heute als eine mutige Leistung des Pfarrers gewertet, der in der Zeit des Nationalsozialismus christliches Engagement zeigte. Das Grundstück zwischen Hauptstraße und Nordstraße war eine Stiftung des kinderlosen Ehepaars Johann und Margaretha Mütter.

Sie hatten es Anfang des 20. Jahrhunderts der Pfarrgemeinde St. Lambertus vermacht mit der Auflage, es zu kirchlichen, caritativen oder sozialen Zwecken zu nutzen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf weiterer Liegenschaften des Ehepaars wurde das Gebäude finanziert. Pfarrer Neu holte mehrere Schwestern des Franziskanerinnenordens aus Essen in den fortan Margarethenkloster genannten Neubau. Sie betrieben dort ein Sozialzentrum mit Kranken- und Familienpflege, Kindergarten, Altenheim und Nähschule.

Anfang der 70er Jahre bekam der Orden Personalprobleme, 1976 verließen die letzten Schwestern Witterschlick. Seither diente das Gebäude als Wohnraum und Standort für die Pfarrbücherei, die 2003 ins Pfarrheim in der Adolphsgasse umzog. Seither herrschte Leerstand im Erdgeschoss des Klosters.

Die erste Etage, die bis in die 90er Jahre eine Caritasstation beherbergte und anschließend als Wohnraum genutzt wurde, stand seit 2009 leer. Der Umbau startete im Frühjahr 2011. Zum Jahreswechsel 2011/12 zog die Gemeinschaftspraxis Roegele, Nauck und Schmitz bereits dort ein.

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