Zentrum des "greulich Unwesen der Zauberey"

Uni-Archivar auf den Spuren der Walpurgisnacht und der Hexenverfolgung - Rund 100 Opfer wurden in Bonn verbrannt

  Einen "Hexenzug"  zeigt diese Zeichnung von Hans Thoma.

Einen "Hexenzug" zeigt diese Zeichnung von Hans Thoma.

Foto: GA

Bonn. Auch wenn das Wetter Zweifel aufkommen lässt: Am Montagabend, in der Nacht vor dem 1. Mai, schwingen sich der Sage nach wieder die Hexen auf ihre Besen und machen sich auf zum Blocksberg, um sich dort im wilden Reigen mit dem Teufel einzulassen. Thomas P. Becker, Historiker und Leiter des Archivs der Universität Bonn, spürt seit vielen Jahren den Ursachen des Hexenglaubens nach - so auch der Entstehung des Walpurgisnacht-Mythos'' - und erforscht die Hexenverfolgung im Rheinland, die im 17. Jahrhundert ihren grausigen Höhepunkt hatte.

Bonn, so fand er heraus, war ein Zentrum dieser Verfolgung. "Es ist eine sehr alte Vorstellung", erläutert Becker, "dass sich Hexen zu gewissen Zeiten versammelt haben. Sie trafen sich an nahe gelegenen Orten, in einem Talkessel oder unsichtbar mitten auf dem Marktplatz." Erst 1669 werde erstmals der Blocksberg (gemeint: der Brocken im Harz) als Zentrum der Teufelsanbetung erwähnt. Goethe verewigte die Walpurgisnacht - die Heilige Walpurga sollte vor Hexen beschützen - im "Faust" als die große Hexenversammlung.

Die Vorstellung des Hexentanzes diente laut Becker auch dazu, ein Bedrohungsszenario aufzubauen: "Hexen oder Zeubersche, wie man sie damals eher nannte, waren demnach keine Einzelpersonen, sondern man ging davon aus, dass sie einer Teufelssekte angehörten, die ihre neuen Mitglieder durch Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft in ihren Bann brachte." Die "Überführung" einer vermeintlichen Hexe sei nicht das Ende, sondern erst der Auftakt gewesen, da zwangsläufig noch weitere Personen zu der vermaledeiten Teufelssekte dazugehören mussten.

Um denen auf die Spur zu kommen, wurden die der Hexerei bezichtigten Personen so lange gefoltert, bis sie andere "besagten". So sei es zu Kettenprozessen gekommen. Der Kölner Kurfürst, in dessen Regierungszeit die Verfolgungen stattfanden, war Ferdinand von Wittelsbach. Er erließ im Jahr 1607 eine Hexenordnung, musste jedoch zwanzig Jahre warten, bis die Prozesswellen seinem Wunsch nach der Ausrottung des "greulich und abscheulich Unwesen der Zauberey" in Erfüllung gehen lassen konnte. Beckers Quellenstudien ergaben, dass Klerus und Hochadel die Hexenverfolgung zwar unterstützten, die eigentliche Aktivität aber vom Volk ausging.

Die Hexenverfolgung erlebte in Bonn von 1628 bis 1630 ihren Höhepunkt mit rund 100 Opfern, darunter etwa 20 bis 25 Prozent Männer, schätzt Becker. Sie wurden vor den Toren der Stadt auf der Josephshöhe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Als Schreckgestalt habe der Hexenkommissar Franz Buirmann gewirkt, ein, so Becker, "gewinnsüchtiger und sadistischer Mensch, in dessen Wirken die ganze Widerwärtigkeit und Absurdität der Hexenverfolgung überdeutlich zum Tragen" komme.

Unter den "Zeubersche" finden sich laut Becker "vor allem Bürgermeister, Schultheißen und Schöffen in bemerkenswerter Häufung". Die Wirtin des Gasthauses "Zur Blomen" neben dem Bonner Rathaus, Elisabeth Kurtzrock, gehörte zu den höchsten Bürgerkreisen und war Witwe eines Bürgermeisters. Sie wurde am 30. Oktober 1928 als Hexe hingerichtet. Katharina Curtius, die Tochter des ersten Bonner Apothekers Gierhardt Roeseler, der 1600 als Besitzer des Hauses "Zur Laurdannen" am Markt bezeugt ist, hatte mit ihrem Mann Reiner 1628 das Haus "Zum Sternenberg" gekauft. Ein Jahr später wurde sie als Hexe verurteilt und machte vor Buirmann und ihren Peinigern ihr Testament. Becker: "Nutznießer ihres Todes war eindeutig ihr Mann Reiner."Der Rheinlandforscher schließt daraus, dass häufig die Hexenverfolgung als Vorwand gedient habe, um sich zu bereichern oder um ganze Familien aus dem Weg zu räumen. Was die Walpurgisnacht angeht, geben sich die Bonner heutzutage friedlich: Sie beschränken sich auf das Schlagen von Maibäumen und ein bisschen Hexenzauber bei fröhlichen Frühlingspartys. Und setzen auf die alte Bauernregel: "Ist die Hexennacht voll Regen, wird''s ein Jahr mit reichlich Segen."

Beckers Forschungen zur Hexenverfolgung können auf seiner Homepage im Internet nachgelesen werden: http://members.aol.com/tombeee/welcome.html

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