Aus der Vogelperspektive Sauberes Abwasser für den Rhein

Beuel · Die Kläranlage Beuel arbeitet hocheffektiv - und stinkt gar nicht so sehr, wie angenommen. Es gibt wohl kein Unternehmen auf der Welt, das so viel und oft Kundenkontakt hat, wie eine Kläranlage. Zumindest indirekt.

Denn was in einer Kläranlage ankommt, dürfte jedem klar sein: Das, was jeder zu Hause die Toilette runterspült oder auf sonstigen Wegen in der Kanalisation landet. Im Fall der Kläranlage in Beuel sind das im Schnitt knapp zehn Millionen Liter Abwasser täglich. An einem Tag ohne Regen kommen in jeder Sekunde 265 Liter Abwasser an. In Zeiten mit dauerhaftem Regen, so wie vor einigen Tagen, kann sich dieser Wert auf rund 3000 Liter erhöhen.

Es sind vor allem solche niederschlagsreichen Tage, an denen Achim Höcherl so richtig aufblüht. Dann, wenn "seine" Anlage unter Volllast läuft, es überall sprudelt, pumpt - und trotzdem erstaunlich wenig stinkt. Höcherl ist Abwassermeister und zuständig für zwei der vier Bonner Kläranlagen: Duisdorf und eben Beuel. Die anderen beiden stehen in der Rheinaue in Bad Godesberg und quasi gegenüber der Beueler Anlage am Salierweg. Dass alle vier Kläranlagen am Rhein stehen, hat einen simplen Grund: "Wir reinigen das Wasser hier nur so, dass es in den nächsten Vorfluter geleitet werden kann", sagt Höcherl. Mit Vorfluter meint er Gewässer, in diesem Fall den Rhein.

"Viele Menschen glauben, dass wir das Wasser reinigen, um es nachher wieder als Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Auch wenn das technisch möglich wäre, ist das in Deutschland verboten", sagt Höcherl. "Das Wasser darf nicht aus ekelerregenden Quellen kommen." Zudem sei die Gefahr groß, dass durch so einen sehr kleinen Wasserkreislauf Rückstände wie etwa Hormone im Trinkwasser bleiben, die der Mensch dann wieder aufnehme. "Durch den Abfluss in den Rhein wird dieser Wasserkreislauf erweitert." Da in Bonn aber ohnehin kein Rheinuferfiltrat als Trinkwasser genutzt wird, hat die Kläranlage vor allem den Zweck, den Fluss nicht zur Kloake verkommen zu lassen.

Doch bevor das Abwasser in den Rhein geleitet wird, durchläuft es sehr viele Reinigungsprozesse, die teilweise sehr komplex sind. Was nicht verwundert, bedenkt man, dass rechnerisch das Abwasser von 77 084 Einwohnern an der Kläranlage ankommt. Dazu addiert sich noch das Regenwasser und das, was von den Straßen über die Gullis in die Kanalisation läuft. "Das nennt sich Mischwasserkanalisation", erklärt Richard Esser in einem Büro. Er leitet die vier Bonner Kläranlagen.

"Hier reinigen wir aber nur das Abwasser von Beuel und Hangelar." Die krumme Zahl von 77.084 Einwohnern beinhaltet allerdings neben 50 000 realen Menschen auch Gewerbebetriebe, die für ein Vielfaches der Einwohner zählen - da sie in der Regel mehr Abwasser produzieren. Die Umrechnung auf die Einwohnerzahl ist aber wichtig, weil die Kläranlage bei rechnerisch 80.000 Menschen an ihre Kapazitätsgrenze stoßen würde.

Zu Beginn der Abwasserreinigung stehen mechanische Stationen: Der sogenannte Rechen funktioniert wie eine Art großes Sieb, in dem grobe Gegenstände, etwa Toilettenpapier, hängen bleiben. Im Sandfang wird der Abwasserfluss dann extrem verlangsamt, damit sich der mineralische Sand absetzt, da er später nicht abgebaut werden kann, im Gegensatz zu organischen Stoffen wie etwa Essensresten.

Die letzte Stufe der mechanischen Reinigung ist das Vorklärbecken. Hier wird das Wasser nochmals beruhigt, damit sich weitere Partikel absetzen können. Sie bilden am Boden des Beckens dann eine Schlammschicht, die zur weiteren Verarbeitung unter dem Rhein durch eine Leitung (in der Fachsprache Düker genannt) zur Kläranlage am Salierweg gepumpt wird. "Diese drei Schritte sind wichtig, damit die biologische Reinigung funktioniert", erklärt Esser.

In der biologischen Reinigung werden dann vor allem Bakterien genutzt, um gelöste organische Substanzen aus dem Wasser zu tilgen, da diese sich nicht absetzen, sondern mit dem Wasser vermischen. Vergleichbar mit dem Effekt, wenn man Milch in Kaffee kippt. Nur dass die Bakterien gezielt durch sauerstoffarme oder -reiche Becken dazu angeregt werden, Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphat-verbindungen abzubauen, so dass sie dem Ökosystem nichts mehr anhaben können. Auch dabei entsteht Schlamm, der zum Salierweg gepumpt wird, wo in einem Faulbehälter Gas gewonnen wird, um damit Energie für den Betrieb der Anlage zu gewinnen.

"Nur dadurch, dass wir so sauberes Abwasser haben, ist die Trinkwasserqualität bei uns so hoch", sagen Esser und Höcherl nicht ohne Stolz. Rund 10.000 kommunale Kläranlagen gibt es in Deutschland. Für alle gelten einheitliche Grenzwerte. "Bei einem mehrfachen Verstoß dagegen begeht man eine Straftat. Deswegen treiben wir hier einen extrem großen Aufwand." Die elementaren Gerätschaften stehen ständig auf Abruf, damit der Betrieb bei einem Defekt gleich weitergehen kann.

Der Aufwand lohnt sich auch für die Bürger: "Umso besser wir hier reinigen, desto weniger müssen wir an das Land zahlen, damit wir das Abwasser in den Rhein leiten dürfen", sagt Esser. Und weil in Bonn die Grenzwerte ständig unterschritten werden, muss auch weniger gezahlt werden - was an die Bonner weitergegeben werde.

Die Kontrollen sind sehr streng. Vor allem sind sie unangemeldet. "Die kommen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Probe am Ablauf unserer Anlage muss immer korrekt sein", sagt Höcherl. Trinken würde er das gereinigte Abwasser nicht unbedingt. "Davon bekommt man ein paar Bauchschmerzen." Von der Qualität her könne man im Rheinwasser aber schwimmen - eben weil das eingeleitete Abwasser so gut sei.

  • 1. Mechanische Reinigung: Hier laufen, verdeckt von den Bäumen, alle Kanäle aus Beuel-Nord und Beuel-Süd zusammen. Das Abwasser wird von drei Pumpen, die jeweils 700 Liter pro Sekunde fördern können, an den Beginn der mechanischen Reinigung befördert. Zunächst wird grobes Material, dann mineralischer Sand herausgefiltert.
  • 2.Vorklärbecken: Das Abwasser wird an dieser Stelle beruhigt, damit sich feinere Partikel absetzen können. Ein wichtiger Vorgang, damit die nachfolgende biologische Reinigung funktioniert.
  • 3. Biologische Phosphat-Elimination: Hier beginnt die biologische Reinigung des Abwassers. An diesem Punkt entziehen unter Stress gesetzte Bakterien dem Abwasser Phosphat.
  • 4. Prozessleitwache: Überwachung und Steuerung aller Vorgänge der Kläranlage. Auf den Monitoren in der Leitstelle kann unter anderem die Auslastung aller Pumpen, der Füllstand der Becken und die Messwerte des Abwassers an verschiedenen Stellen kontrolliert und gesteuert werden.
  • 5. Betriebslabor: Eine der wichtigsten von der Vielzahl an Einrichtungen in diesem Gebäude ist das Labor. Hier werden täglich Abwasserproben, die an verschiedenen Stellen gezogen werden, analysiert und mit den zulässigen Werten abgeglichen.
  • 6. Belebung I: Neben den festen Stoffen befinden sich auch viele gelöste Stoffe im Abwasser. Diese werden durch mehrere Stufen in der Belebung herausgefiltert.
  • 7. Belebung II: In den Belebungsbecken sorgen Bakterien in verschiedenen Zonen dafür, dass beispielsweise aus Urin Nitrat und später aus Nitrat gasförmiger Stickstoff entsteht, aus dem unsere Luft zu einem Großteil besteht.
  • 8. Nachklärung: Die biologische Klärung ist an diesem Punkt abgeschlossen. Das Abwasser wird hier unterirdisch in zwei große Nachklärbecken befördert. Dort sinkt durch die Schwerkraft übrig gebliebene Biomasse zu Boden und wird mit Pumpen erneut unterirdisch zurück in die biologische Klärung transportiert.
  • 9. Räumsystem: Die roten Räumer sind dafür zuständig, den Schlamm, der sich in den trichterförmigen Nachklärbecken abgesetzt hat, in die Mitte zu befördern, damit er von dort aus zurückgepumpt werden kann.
  • 10. Ablauf der Nachklärung: Das gereinigte Abwasser läuft hier über den Beckenrand und wird unterirdisch in den Rhein geleitet.
  • 11. Verteilerschacht: An dieser Stelle wird geregelt, dass das Abwasser, das aus der biologischen Reinigung ankommt, gleichmäßig auf die beiden Nachklärbecken verteilt wird.
  • 12. Einlauf in den Rhein: Sicher nicht die beliebteste Badestelle. Hier wird das gereinigte Abwasser in den sogenannten Vorfluter, in diesem Fall den Rhein, geleitet.
  • 13. Regenwasserbehandlung: In zwei Becken wird hier Regenwasser gesammelt. Da dieses zu Beginn auch verunreinigt ist, wird ein Teil in die biologische Reinigung gegeben. Das reine Wasser, das sich nach längerem Niederschlag ansammelt, wird hingegen in den Rhein geleitet.
  • 14. Hochwasserpumpwerk: Beueler Bürger können sich über diese Einrichtung freuen: Normalerweise würde der Rhein bei Hochwasser in den Vilicher Bach laufen und das besiedelte Gebiet fluten. Dort ist aber eine Sperre installiert. Durch diese würde allerdings auch der Vilicher Bach gestaut und seinerseits für Hochwasser in den Wohngebieten sorgen. Daher wird dessen Wasser mit einer leistungsstarken Pumpe in den Rhein befördert, damit Beuel nicht "von hinten" überschwemmt wird.
  • 15. Deich: Der Deich wurde vor drei Jahren modernisiert und erweitert. Er liegt zwölf Meter über einem Rheinpegel von Null und ist ausgelegt für ein 200-jähriges Hochwasser.
  • 16. Doppelkirche in Graurheindorf
  • 17. Post-Tower und "Langer Eugen"
  • 18. Stadthaus in der Bonner Innenstadt
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