Ärger zwischen Ankara und Riad Saudi-Arabien weist Berichte über Mord an Journalist zurück

Istanbul · Er betritt das Istanbuler Konsulat und kommt nicht heraus: Der Krimi um einen verschwundenen saudischen Regimekritiker geht weiter und könnte eine diplomatische Krise auslösen.

 Absperrgitter auf der Straße zum saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Foot: Lefteris Pitarakis/AP

Absperrgitter auf der Straße zum saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Foot: Lefteris Pitarakis/AP

Foto: Lefteris Pitarakis

Im Fall eines in Istanbul verschwundenen und möglicherweise ermordeten saudischen Regimekritikers und Journalisten zeichnet sich ein diplomatischer Streit zwischen Riad und Ankara ab.

Berichte unter anderem der "Washington Post", dass Dschamal Chaschukdschi im Konsulat Saudi-Arabiens ermordet wurde, wies das autoritär regierte Königreich als "gegenstandslos" zurück. Ein Freund des Regimekritikers sagte der Deutschen Presse-Agentur unter Verweis auf die türkische Polizei jedoch, Berichte über den Mord seien zutreffend.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, er verfolge die Ermittlungen aus nächster Nähe und hoffe auf ein schnelles Ergebnis. Er habe noch "positive" Erwartungen.

Nach Angaben von Freunden und Kollegen war der ehemalige Chefredakteur der saudischen Tageszeitung "Al-Watan" am Dienstag in das Konsulat im Viertel Levent des Stadtteils Besiktas gegangen, um Papiere abzuholen, war aber nicht wieder herausgekommen. Nach Angaben türkischer Offizieller zeigen Videoaufnahmen, dass Chaschukdschi das Gebäude nicht verlassen hat. Die saudische Seite erklärte dagegen, Chaschukdschi sei erst nach dem Besuch in dem Konsulat verschwunden.

Chaschukdschi lebte seit einiger Zeit im selbstgewählten Exil in den USA und der Türkei. Zwar strebt Kronprinz Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien mit Reformen eine vorsichtige Öffnung der Gesellschaft an. Politisch aber lässt er weiter keinen Widerspruch zu und hat viele Kritiker einsperren lassen.

Der Erdogan-Berater Yasin Aktay sagte der dpa, die türkischen Behörden gingen inzwischen davon aus, dass Chaschukdschi aus dem Konsulat gebracht wurde. Ob tot oder lebendig, das wisse er nicht. "Alles ist möglich", sagte er. "Wir glauben inzwischen nicht mehr, dass er noch drin ist." Aufnahmen der Straßenkamera zeigten, dass Autos mit verdunkeltem Scheiben herausgefahren seien. Darin könnte Chaschukdschi gewesen sein. "Eine andere Möglichkeit bleibt eigentlich nicht mehr."

Ein Freund Chaschukdschis, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte der dpa: "Die türkische Polizei hat uns gesagt, dass er im Konsulat getötet wurde. (...) Sie haben ihn in kleine Stücke zerschnitten."

Den Mordvorwurf dementierte ein Vertreter des saudischen Konsulats über die saudische staatliche Nachrichtenagentur SPA. Die saudischen Behörden würden sich vielmehr um ein Aufklären des Falls bemühen. Dazu sei ein Team saudi-arabischer Ermittler sei seit Samstag in Istanbul und arbeite mit den türkischen Behörden zusammen.

Eine offizielle Erklärung der Ermittler gibt es auch fünf Tage nach dem Verschwinden des Journalisten nicht. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf die Polizei, die Behörden prüften zurzeit, ob ein Zusammenhang zu einer Gruppe von Saudi-Arabern bestehe, die sich am Tag von Chaschukdschis Verschwinden im saudischen Konsulat aufgehalten hätten. Die 15 Saudi-Araber seien mit zwei Flugzeugen in Istanbul gelandet, zur gleichen Zeit wie Chaschukdschi im Konsulat gewesen und am selben Tag wieder abgereist.

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