Zwei Männer, ein Deal Soja-Importe sollen Handelskrieg verhindern

Washington/Brüssel · Kaum jemand hätte EU-Kommissionschef Juncker zugetraut, im Handelsstreit mit den USA das Schlimmste abzuwenden. Dennoch ist ihm das gelungen, US-Präsident Trump entdeckt gar seine "Freundschaft" mit Europa. Hat sich da einer über den Tisch ziehen lassen?

 Sojabohnen werden in Redfield im US-Bundesstaat Iowa in einen Anhänger geladen.

Sojabohnen werden in Redfield im US-Bundesstaat Iowa in einen Anhänger geladen.

Foto: Charlie Neibergall/AP

Der Auftritt mit dem unberechenbaren Donald Trump muss für ihn eine Genugtuung ohnegleichen gewesen sein.

Wochenlang hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter schwerem Beschuss gestanden. Wegen Gesundheitsproblemen und eines Videos, das ihn schwankend beim Nato-Gipfel zeigt, wurde infrage gestellt, ob er überhaupt noch in der Lage sei, sein Amt vernünftig auszuüben. Politische Gegner forderten sogar einen Rücktritt. Klare Dementis halfen wenig.

Nun stand der 63-Jährige am späten Mittwochabend deutscher Zeit neben dem mächtigen US-Präsidenten im Rosengarten des Weißen Hauses und konnte verkünden, was kaum jemand für möglich gehalten hatte: Die von den USA angedrohten und vor allem in Deutschland gefürchteten Sonderzölle auf Autoimporte seien vorerst vom Tisch, lautete die überraschende Botschaft. Stattdessen werde man mit den USA Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf andere Industriegüter beginnen und wolle auch in anderen Handelsfragen eng zusammenarbeiten.

Trump (72), der die EU kürzlich noch einen "Gegner" genannt hatte, sprach von einer neuen Phase "enger Freundschaft, starker Handelsbeziehungen, in denen wir beide gewinnen werden". Später verbreitete er auf Twitter sogar ein Foto, das zeigt, wie Juncker ihm einen dicken Männerkuss auf die Wange drückt. Verhandlungsteilnehmer berichteten, zwischen den beiden Männern stimme die Chemie.

Die Atmosphäre bei dem Treffen soll hervorragend gewesen sein - ganz anders zum Beispiel als beim letzten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington. Auch die deutsche Regierungschefin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten zuletzt mehrfach versucht, Trump zu einer Beilegung des Handelsstreits zu bewegen.

Im Gegensatz zu Juncker blieben sie allerdings erfolglos. Noch wenige Stunden vor dem Treffen mit ihm drohte Trump den EU-Staaten mit neuen Zöllen. "Zölle sind das Größte!", schrieb er bei Twitter.

Was sorgte nun aber dafür, dass ausgerechnet Juncker ein großer Schritt nach vorn gelingen konnte? War es allein sein jahrzehntelang trainiertes Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, selbst mit schwierigen Charakteren gut auszukommen? Selbst in Junckers Umfeld wird eingeräumt, dass wohl auch andere Faktoren eine Rolle spielten.

So hatte Trump erst am Vortag des Treffens mit dem Kommissionschef eine Nothilfe-Paket von bis zu 12 Milliarden Dollar für den US-Agrarsektor verkünden müssen, weil seine eigentlich zum Schutz der eigenen Wirtschaft eingeführten Sonderzölle zu Vergeltungszöllen der Handelspartner führten. Immer lauter wurden zudem auch die Warnungen aus der eigenen Industrie, dass Sonderzölle auf Autoimporte auch für die USA katastrophale Folgen haben könnten.

Juncker nutzte diese Situation geschickt aus. Um Trump zu einem Deal zu bewegen, sagte er ihm zu, dass die EU den Import von Flüssiggas aus den USA erleichtern wolle und mehr Soja von dort einführen werde. Trump ermöglichte er damit, das Gesicht zu wahren und sich wieder einmal als Retter der US-Wirtschaft zu feiern. Dass die Zugeständnisse eigentlich keine sind, weil die EU ihre Importeure nicht zwingen kann, mit den USA mehr Geschäfte zu machen, wurde nicht erwähnt.

In Brüssel hieß es am Donnerstag, dies sei auch gar nicht nötig. Wegen der derzeit sinkenden Preise für US-Soja sei es nahezu sicher, dass Importeure aus Europa in den kommenden Monaten deutlich mehr des vor allem als Futtermittel wichtigen Rohstoffes in den USA kaufen würden. Die bisher aus Ländern wie Brasilien und Argentinien bezogenen Mengen könnten hingegen nach China umgeleitet werden. Also in das Land, das derzeit wegen seines eigenen Handelsstreits mit Trump deutlich weniger Soja aus den USA abnimmt.

Ein klarer Erfolg für die EU also? Kritiker in Brüssel verweisen darauf, dass es auch Schattenseiten gibt. Bislang hatte es in Brüssel nämlich immer geheißen, man verhandele nicht mit der Pistole auf der Brust - und die USA müssten zunächst die Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aufheben, bevor über andere Themen gesprochen werden könne. Diese Strategie wurde nun zugunsten des Friedens mit Donald Trump aufgeben. Trump stellte nämlich lediglich vage in Aussicht, die bereits existierenden Extrazölle "überdenken" zu wollen.

Nicht überall in der EU wurde "Junckers Deal" deswegen so positiv gesehen wie in der Bundesregierung. Über Handel müsse auf einer klaren Grundlage und nicht unter Druck verhandelt werden, forderte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire.

Völlig unklar ist auch, ob der Deal wirklich hält. Solange man über künftige Handelsbeziehungen spreche, werde es keine weiteren Zölle geben, erklärte Juncker. Heißt im Umkehrschluss: Falls es sich Trump doch noch anders überlegt, könnten die Autozölle ganz schnell wieder Thema sein. Wie rasch so etwas gehen kann, hatte sich beim G7-Gipfel im Juni in Kanada gezeigt. Dort zog Trump kurz nach seiner Abreise die Zustimmung zur mühsam ausgehandelten Abschlusserklärung wieder zurück - und das nur, weil ihm Äußerungen von Gastgeber Justin Trudeau bei dessen Pressekonferenz nicht gepasst hatten.

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