Analyse Spahn und Merz nehmen Maß: Ist "AKK" die lachende Dritte?

Berlin · Wettbewerb auf offener Bühne, gar mit mehr als zwei Kandidaten. Für die CDU-Mitglieder ist das alles noch sehr neu und fremd - aber irgendwie auch spannend.

 Eingerahmt von Konkurrenten: Annegret Kramp-Karrenbauer zwischen Jens Spahn (r.) und Friedrich Merz.

Eingerahmt von Konkurrenten: Annegret Kramp-Karrenbauer zwischen Jens Spahn (r.) und Friedrich Merz.

Foto: Michael Kappeler

Jens Spahn (38) und Friedrich Merz (62) sind einander schon mehrfach begegnet. Gut kennen tun sich die beiden konservativen Westfalen aber nicht. Man siezt sich.

Bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt als Kandidaten für den CDU-Vorsitz taxieren die beiden Männer einander, über den Kopf von Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer (56) hinweg, die zwischen ihnen steht. Es sind keine freundlichen Blicke, die da hin und her gehen. Merz wippt auf den Füßen hin und her. Er wirkt wie ein Pferd, das zu lange in der Box stand und jetzt endlich losgaloppieren will.

Das Trio steht an diesem Nachmittag in Berlin erstmals gemeinsam auf einer Bühne. In den kommenden Wochen werden sich die drei aussichtsreichsten Bewerber um die Nachfolge von Angela Merkel an der Parteispitze noch häufiger treffen. Bei acht Regionalkonferenzen sollen sie mit der Parteibasis ins Gespräch kommen. Zum ersten Mal am nächsten Donnerstag in Lübeck.

Alle drei Kandidaten formulieren heute den gleichen - erwartbaren - Anspruch: den Volkspartei-Status der CDU zu sichern. Das aktuelle Siechtum der SPD ist ihnen mahnendes Beispiel. Am kämpferischsten tut das Merz, der sich aus der aktiven Politik zu einer Zeit verabschiedet hat, als dieser Status noch als eine Art Naturgesetz galt. Er sagt, sein Anspruch sei es, dieses "Ausfransen an den Rändern" nicht nur zu stoppen, sondern "vielleicht sogar umzukehren".

Etwas bescheidener formuliert Kramp-Karrenbauer. Sie erklärt, eine Volkspartei müsse "immer das Ziel haben, dass sie so stark ist, dass sie die politischen Geschehnisse in Deutschland gestalten kann". In den vergangenen Tagen hat die inoffizielle Favoritin Merkels in Reden und Interviews schon klar gemacht: auch vor schwierigen Themen wie dem Umgang mit kriminellen Asylbewerbern schreckt sie nicht zurück.

Merz kennt die Argumente, die gegen ihn als Kandidaten sprechen. Eines davon lautet, er sei ein Mann von gestern, der mit den neuen Herausforderungen - der Spaltung der Gesellschaft, dem neuen Konkurrenten AfD, der Energiewende - nicht vertraut sei. Das spricht er offensiv an. Merz empfiehlt sich mit den Worten: "Die Welt hat sich verändert, ich mich übrigens auch, aber das werde ich ihnen bei anderer Gelegenheit noch etwas erläutern."

Spahn hat das Wechselbad der Gefühle vom 29. Oktober inzwischen verarbeitet. Man muss sich das einmal vorstellen: Erst kündigt Merkel für ihn überraschend an, sie wolle im Dezember nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren. Das ist der Moment, in dem die Sterne plötzlich zum Greifen nah erscheinen. Dann taucht, für Spahn genauso überraschend, mit Merz plötzlich ein Konkurrent auf, den er gar nicht mehr so richtig auf dem Zettel hatte. Denn dass Merz ein Comeback in der Bundespolitik anstrebt, wussten wohl bis zuletzt nur wenige Vertraute und zu denen gehört Spahn nicht.

In den Wählerumfragen liegt Kramp-Karrenbauer derzeit auf dem ersten Platz, knapp vor Merz. Deshalb wird Spahn jetzt manchmal gefragt, ob er Merz nicht den Vortritt lassen wolle. In den nächsten Tagen ist damit auf jeden Fall nicht zu rechnen. Spahn will wohl erst einmal schauen, wie es bei den Regionalkonferenzen für ihn läuft.

Zwei Kernbotschaften hat Spahn mit seiner Kandidatur verknüpft: "Generationswechsel" und "Neustart". Vor allem über den zweiten Begriff hat er länger nachgedacht. Er wollte niemanden vor den Kopf stoßen, auch die Anhänger Merkels nicht, die ihn so oft ausgebremst hat. Einen funktionierenden Motor kann man neu starten, man muss ihn nicht austauschen.

Zum ersten Zusammentreffen der drei Kandidaten kommt es auf dem niedrigen Podest im Eingangsbereich der Parteizentrale. Daneben hängt noch ein Plakat aus dem vergangenen Bundestagswahlkampf mit einer lächelnden Merkel. "Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben", steht darauf. Kramp-Karrenbauer sagt, Merkel habe mit ihrer Entscheidung, "Raum gelassen für ein neues Kapitel". Spahn erinnert versöhnlich daran, dass die Zeit mit Merkel an der Spitze für die CDU auch eine Zeit "mit vielen Erfolgen" war. Nur Merz erwähnt die Bundeskanzlerin, mit der er nach eigenem Bekunden schon "klarkommen" wird, mit keiner Silbe.

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