Interview mit BSC-Vorstand Dirk Mazurkiewicz „Wir sind ein zu hohes Risiko eingegangen“

Bonn · Die Trennung des langjährigen Sportdirektors Thomas Schmitz, sieben sieglose Spiele in Serie und der Abgang einiger Leistungsträger – von der erhofft „ruhigen“ Saison ist der Bonner SC weit entfernt. Im Interview blickt der BSC-Vorstandsvorsitzende Dirk Mazurkiewicz zurück auf das vergangene halbe Jahr und äußert sich über die Zukunft des Vereins.

 BSC-Boss Dirk Mazurkiewicz macht sich keine Sorgen vor der Rückrunde.

BSC-Boss Dirk Mazurkiewicz macht sich keine Sorgen vor der Rückrunde.

Foto: Benjamin Westhoff

Herr Mazurkiewicz, nach der Zitterpartie in der vergangenen Saison haben Sie damals im GA-Interview den Wunsch geäußert, dass der Bonner SC in der neuen Spielzeit in ruhigeren Fahrgewässern unterwegs sein soll. War das in der Hinrunde aus Ihrer Sicht der Fall?

Dirk Mazurkiewicz: Insgesamt war 2019 noch kein Jahr, in dem wir uns zurücklehnen konnten. Schon beim Abschied von unserem langjährigen Trainer Daniel Zillken war uns klar, dass es einen Umbruch geben wird. Und wir wussten auch, dass wir etwas im Verein umbauen mussten, um in der Regionalliga angreifen zu können. Wenn man viel Geld hat, macht man so einen Umbruch mit Gewalt, wenn nicht viel Geld da ist, mit viel Arbeit und Geduld. Uns war also bewusst, dass es sportlich Wellen nach oben und unten geben würde. Im Endeffekt ist also genau das passiert, was wir erwartet haben.

Ein großes Thema der Hinrunde war der Abschied des sportlichen Leiters Thomas Schmitz. Wie blicken Sie heute auf seinen Abgang zurück?

Mazurkiewicz: Persönlich muss ich sagen, dass das alles nicht nach Wunsch abgelaufen ist. Da ist mehr gebrochen, als ich es mir vorher hätte vorstellen können. Aus neutraler Sicht sage ich aber auch: Vielleicht gehört das zum Umbruch dazu. Der BSC hat Thomas Schmitz unendlich viel zu verdanken, es war eine gute Zeit mit ihm. Wenn aber jemand beruflich und privat sehr stark gebunden ist, passt er am Ende nicht mehr zum Schritt Richtung Profifußball.

Was genau ist aus Ihrer Sicht bei der Trennung unglücklich verlaufen?

Mazurkiewicz: Sie kam zu überraschend. Es hat sich auch herausgestellt, dass viele Absprachen, die der Vorstand erwartet hatte, nicht sauber getroffen waren. An der einen oder anderen Stelle wurde zu hektisch gearbeitet, was für uns ungewohnt war. In dieser Phase haben auch wir als Vorstand schlecht gearbeitet. Wir hätten energischer auf Transparenz drängen müssen. Das Vertrauensverhältnis war am Ende leider nicht mehr so gut wie in den Jahren zuvor.

Spielen Sie mit Hektik auf die Kaderplanung an?

Mazurkiewicz: Wir wussten erst zum Saisonabschluss, in welcher Liga wir in diesem Jahr spielen werden. Hinzu kam, dass mit Fortuna Köln eine Mannschaft in die Regionalliga abgestiegen ist, die auch ein komplett neues Team aufbauen musste. Das waren zwei Faktoren, die uns nicht viel Zeit bei der Kaderplanung gelassen haben. Die Erkenntnis, dass man den einen Spieler vielleicht doch besser geholt hätte und einen anderen wiederum nicht, hat man natürlich jedes Jahr.

Der Verein hat bekanntlich einen sportlichen Beirat bestellt, der Thomas Schmitz etwas entlasten sollte. Ist ihm dieser Beirat letztlich zum Verhängnis geworden?

Mazurkiewicz: Zum Verhängnis ist ihm das bestimmt nicht geworden. Der Beirat war und ist eine Hilfe, er bedeutete aber auch noch mehr Absprachen in noch kürzerer Zeit. Wir haben in dieser Zeit gemerkt, dass wir als Verein noch nicht so gut auf mehreren Hochzeiten tanzen können. Das Einzige, was mich rückwirkend stört, ist, dass Thomas den Beirat maßgeblich initiiert hat und es dann im Zuge der Trennung so dargestellt hat, dass ihm der Beirat vom Verein zur Seite gestellt worden sei und das sein Verhängnis gewesen sei. Dabei war der Beirat seine Idee. Als Verein haben wir dazu nie öffentlich Stellung bezogen, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.

Wie sehr hat es Sie geärgert, dass die kontroversen Meinungen an die Öffentlichkeit geraten sind?

Mazurkiewicz: Das war ungewohnt für uns und wird uns so hoffentlich nicht nochmal passieren. Darauf waren wir als Vorstand nicht vorbereitet, haben aber unsere Lehren gezogen.

In den sozialen Medien gab es Personen, die die Sorge hatten, dass der BSC in alte, unrühmliche Zeiten zurückfällt. Hatten Sie diese Bedenken auch?

Mazurkiewicz: Nicht eine Sekunde. Ich glaube, man hat in dieser Phase den neuen BSC erkannt, der fundamental besser ist als der alte. Denn wir können auch eine Krise meistern. Wir wussten, dass wir auf dem richtigen Weg sind – und da muss man manchmal auch durch eine Krise durch. Rückblickend empfinde ich es als erfreulich, wie ruhig die Gremien mit der Situation umgegangen sind.

Mit Mario Neunaber hat der Verein dann einen neuen sportlichen Leiter geholt, der in der Region relativ unbekannt ist. Wie ist es zu seiner Verpflichtung gekommen?

Mazurkiewicz: Der Prozess war mehrstufig. Zunächst haben wir signalisiert, dass wir einen neuen sportlichen Leiter suchen, der aus dem Profifußball kommen und mehr Zeit für den Job mitbringen soll. Mittelfristig werden wir auf eine Mannschaft umstellen, die ganztägig trainiert. Wir konnten dann aus einem sehr interessanten Pool von Bewerbern auswählen und haben hier auch Trainer Thorsten Nehrbauer miteinbezogen. Am Ende haben wir mit vier Kandidaten Gespräche geführt und uns für Mario Neunaber entschieden.

Es heißt, auch Ex-Bundesligaprofi Oliver Reck soll einer der Kandidaten gewesen sein…

Mazurkiewicz: (lacht) Wenn ich es jetzt schon erwähne, dann möchte ich sagen: Wir hatten mit Oli Reck ein sehr gutes Gespräch, er wäre sicherlich ein toller Kandidat gewesen. Aber aus unserer Sicht war es schon ein Schritt zu weit, auch wenn er natürlich ein positives Signal an die Stadt hätte geben können. Wir haben uns aber gefragt, welche Erwartungen Oli Reck an den Verein stellen darf und ob wir diese über einen langen Zeitraum erfüllen können. Da haben dann beide Seiten erkannt, dass es wohl noch nicht so ganz passt.

Sehen Sie sein Interesse als Auszeichnung für den BSC an?

Mazurkiewicz: Definitiv. Darüber haben wir uns gefreut. Schon bei der Trainersuche im Sommer waren wir überrascht, wer sich bei uns beworben hat.

Auch Ex-Trainer Daniel Zillken war im Gespräch. War er angesichts der von Ihnen angestrebten Entwicklung zum Profifußball doch kein Kandidat?

Mazurkiewicz: Daniel Zillken war im vergangenen Jahr bei uns immer wieder Thema, weil er ein exzellenter Fachmann bei der Bewertung von jungen Spielern ist und natürlich ein exzellenter Trainer für uns war. Wir haben oft überlegt, welche Rolle er bei uns einnehmen kann. Das kollidierte aber mit Daniels eigenen Plänen, hauptberuflich in den Sport zu gehen. Wir haben allerdings noch kein adäquates Gehalt für einen festangestellten Sportdirektor zu bieten. Es muss aber unser Ziel bleiben, diese und andere Postionen hauptberuflich zu besetzen, wenn wir in den Profifußball wollen.

Sie haben zuletzt gesagt, dass Sie mit Trainer Thorsten Nehrbauer und dem sportlichen Leiter Mario Neunaber eine Umstrukturierung anstreben. Wie sieht die aus?

Mazurkiewicz: Die beiden schauen sich viele junge Spieler an, die bereit sind, sich in mehreren Probetrainings zu präsentieren. Sie investieren wirklich sehr viel Zeit, um eine Mannschaft mit guter Mischung aus jungen und erfahreneren Spielern aufzubauen. Die Planungen sind saisonübergreifend. Auch wenn wir aktuell in der unteren Tabellenhälfte stehen, bleibt es unser Ziel, in zwei bis drei Jahren die Top-Plätze der Regionalliga anzuvisieren.

Welche Bedeutung hat dabei die Eingliederung von Talenten aus der eigenen Jugend?

Mazurkiewicz: Es gibt einen regen Austausch zwischen Trainer, Sportdirektor und den Trainern der A- und B-Jugend. Aktuell trainiert ein 17-Jähriger bei uns im Regionalliga-Kader mit. So wollen wir auch ein Zeichen an die Region senden, dass junge Spieler eine Chance erhalten. Es ist aber auch denkbar, dass wir Jungs aus unserem Nachwuchs an gute Clubs aus der Region abgeben, damit sie dort Spielpraxis sammeln und danach zu uns zurückkehren.

Mit Patrick Schikowski und Jan Holldack haben jetzt zwei Leistungsträger den BSC verlassen, die das Potenzial hatten, die Mannschaft spielerisch auf ein neues Level zu heben. Sind diese Abgänge nicht ein Widerspruch zu ihrem Ziel, das Team Richtung professionellem Fußball zu entwickeln?

Mazurkiewicz: Uns war klar, dass wir den Kader im Winter umbauen würden und es auch den einen oder anderen Leistungsträger dabei treffen könnte. Ehrlich gesagt sind wir in der hektischen Phase vor der Saison ein zu großes finanzielles Risiko eingegangen. Deshalb haben wir das Signal in die Mannschaft gesendet, dass uns der eine oder andere verlassen sollte. Dass dann gleich zwei Leistungsträger gehen, war nicht der Plan, hat sich aber so ergeben.

Es hat den Eindruck, dass Spieler den BSC immer wieder als Sprungbrett nutzen, um dann zu anderen Vereinen zu wechseln. Fühlen Sie sich ausgenutzt?

Mazurkiewicz: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits belegen die Wechsel, dass wir hier gute Arbeit leisten, also Spieler weiterentwickeln. Andererseits muss unser Ziel sein, solche Spieler in Zukunft halten zu können. Jeder will schließlich gute Fußballer in Bonn sehen. Das ist für uns der nächste Schritt. Wir haben bewiesen, dass der Bonner SC vieles beherrscht, was für Profifußball notwendig ist. Was uns noch fehlt, ist ein geeignetes Zuschauerstadion und den einen oder anderen Unternehmer, die uns in Richtung Profifußball schieben.

Wie stellen Sie sich das Sponsoring in Zukunft vor?

Mazurkiewicz: Gerne so wie beim 1. FC Heidenheim, wo es zwei oder drei größere Sponsoren sind. Eine Einzelperson wäre für uns nur dann denkbar und sinnvoll, wenn Sie in Bonn menschlich und charakterlich über alle Zweifel erhaben ist. Wir brauchen keine Mäzene wie in den 1980er und 90er Jahren. Modelle wie in Heidenheim, wo Menschen für die Region etwas tun wollen und mit Weitsicht und Ruhe arbeiten, kann ich mir gut vorstellen. Wichtig dabei ist, dass der Verein im sportlichen Bereich freie Hand behält und Vertrauen bekommt.

Gibt es diese Menschen in Bonn?

Mazurkiewicz: Davon bin ich überzeugt.

Sie haben eben das Stadion angesprochen. Gibt es mit der Stadt Gespräche über einen Neubau oder die Umgestaltung des Sportpark Nord?

Mazurkiewicz: Ja, die gibt es. Verwaltung und Politik sind sich nach meinem Eindruck auch einig, dass eine Stadt wie Bonn ein funktionierendes Zuschauerstadion haben sollte, das nicht 50 Jahre alt ist. Mir ist es dabei ganz wichtig, gemeinsam mit den SSF Bonn, der Verwaltung und der Politik Ideen zu kreieren, ohne ein Vermögen auszugeben. Zum Beispiel einen VIP-Bereich, den wir 20-mal im Jahr für 400 bis 500 Gäste nutzen, der an den anderen 340 Tagen aber als Funktionsbereich von Sportlern genutzt wird. Wir sollten nicht über große Millionen, sondern clevere Ausgaben nachdenken. Da könnte Bonn aus meiner Sicht sogar eine Art Leuchtturm für Deutschland werden.

Ein Zuschauerstadion bedeutet für Sie aber nicht, dass es ein reines Fußballstadion sein muss, also ohne Laufbahn?

Mazurkiewicz: Wir würden das Fußballstadion natürlich sofort nehmen (lacht). Die Forderung ist aber total vermessen, weil uns die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stadt bewusst sind. Durch ein Multifunktionsstadion mit besserer Qualität wäre auf Bonn auch ein anderer Fokus bezüglich Leistungssport. Dort könnten American-Football-Meisterschaften, Spiele der U-Nationalmannschaften und natürlich weiterhin das Pokalfinale des Fußballverbands Mittelrhein stattfinden.

Nach der vergangenen Saison haben Sie sich gewünscht, dass die Mannschaft in der neuen Spielzeit mutigeren Fußball spielt, um auch wieder mehr Zuschauer ins Stadion zu locken. Hat das in der Hinrunde funktioniert?

Mazurkiewicz: Mir haben viele Leute gesagt, dass zu sehen ist, dass die Mannschaft das Spiel machen will. Man muss aber auch feststellen, dass das noch nicht in jedem Spiel klappt. Das ist aber nicht schlimm.

In der Tabelle hat der BSC fünf Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Ist das eine bedrohliche Lage?

Mazurkiewicz: Bedrohlich nicht, aber schon eine Lage, die wir ernst nehmen sollten. Alle wissen, dass aktuell jedes Spiel existenzieller Kampf sein muss und kein Gegner unterschätzt werden darf. Leider scheint es ja eine BSC-Krankheit zu sein, gegen den Tabellenletzten und -vorletzten zu verlieren und den Topteams umgekehrt Paroli zu bieten. Das darf nicht mehr passieren, wir müssen auch mal, deutlich gesagt, dreckige Siege mitnehmen.

Durch die erwähnten Abgänge und die Neuzugänge hat sich die Mannschaft im Winter nicht unwesentlich verändert. Birgt das auch ein Risiko?

Mazurkiewicz: Ich finde, die Mannschaft hat charakterlich eine hohe Substanz. Viele Spieler können von ihrem Leistungsvermögen her auch noch einen Schritt nach vorn machen. Wenn insbesondere unsere Leistungsträger ihr Potenzial ausschöpfen, muss es für den Klassenerhalt reichen.

Was wünschen Sie sich für die Rückrunde?

Mazurkiewicz: Drei Dinge: Sportlich nicht mehr ganz so viele Leistungs- und Ergebnisschwankungen, wobei wir auch nicht zu viel erwarten sollten. Eine Platzierung zwischen Rang neun und zwölf wäre ein Erfolg für uns. Auf jeden Fall hoffe ich auf einen frühzeitigen Klassenerhalt. Was den Sportpark betrifft, ist es mein Wunsch, dass das Thema mit Blick auf die Kommunalwahl in diesem Jahr nicht stehenbleibt. Und dann wäre es schön, wenn die Gespräche mit Sponsoren weiterhin gut vorangehen. Da hoffe ich, dass man uns glaubt, in den nächsten Jahren in den Profifußball vordringen zu können.        

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