"Der Dicke" ist zurück Was macht eigentlich Bonner SC-Rekordspieler Werner Grau?

Bornheim · Was macht eigentlich Werner Grau, Rekordspieler des Bonner SC? Nach vielen Jahren in Hamburg ist „der Dicke“ zurück und lebt nun in Bornheim. Wir haben ihn besucht.

 Noch hängen die Schuhe nicht am Nagel, aber das Karriereende steht fest: Werner Grau 1978.

Noch hängen die Schuhe nicht am Nagel, aber das Karriereende steht fest: Werner Grau 1978.

Foto: Ronald Friese

Werner Grau sitzt auf der Terrasse einer Bornheimer Kneipe: grüne Baseballkappe, rotes Poloshirt, kurze Hose, vor sich ein Kölsch. Typ zufriedener Rentner. Eben war er mit dem Fahrrad in den Feldern rund um Bornheim unterwegs. „Das Gewicht“, sagt er. „Hab' schon zehn Kilo runter.“ Den Berg nach Brenig rauf spart sich Grau. Noch. „Dann müsste ich ja schieben.“

Mit den Pfunden hat der „Dicke“, wie ihn alle beim Bonner SC nannten, immer seine Probleme gehabt. Trotzdem war er ein super Fußballer. Jugend-Nationalelf, Schalke 04, Rekordspieler beim BSC. Dann verschwand er plötzlich aus der Gegend. Nur wenige wussten, dass er in Hamburg lebte. Seit einigen Wochen ist er wieder da, und das ist auch die Antwort auf die Frage „Was macht eigentlich . . .? Werner Grau (71) lebt in Bornheim.

Der lebensfrohe Kicker aus dem Ruhrgebiet war eine Institution in Bonn. Damals, in den 60ern und 70ern, hätte man gesagt: bekannt wie ein bunter Hund. Er machte nicht nur 320 Spiele für den BSC, er konnte sie auch wunderbar an der Theke noch einmal spielen. Das gefiel den Leuten, denn man konnte ihm auf die Schulter klopfen und ihn auch mal anpflaumen, wenn er Mist gespielt hatte. So kam Grau mit den Menschen aus der Nordstadt in Kontakt, aber auch mit den Honoratioren, die – bis zum Lizenzentzug – das Überleben des BSC in der 2. Liga sicherten.

Grau galt als großes Talent

Was hätte besser zu einem gepasst, der jeden kennt und den jeder kennt, als nach der Karriere ein Sportgeschäft aufzumachen? Grau tat das in Bornheim, zuerst mit seinem ehemaligen Mannschaftskollegen Günter Schwaba, später allein. Aber der Kaufmann im Fußballer war so ausgeprägt wie der Asket im Fußballer. Heute sagt er: „Ich bin kein Geschäftsmann. Wenn die Kinder ihr Seepferdchen gemacht hatten und bei mir das Abzeichen kaufen wollten, hab' ich ihnen das immer geschenkt.“ 1991 musste Grau den Laden schließen, und weil er sich gerade in eine Hamburgerin verliebt hatte, ging er eben nach Hamburg.

In solchen Lebensphasen ist es ganz hilfreich, wenn man immer nett zu den Menschen war, weil die Menschen dann auch nett zu einem selbst sind. Grau hatte einen guten Kumpel im Norden, mit dem er in Schalke zusammengespielt hatte – Willi Schulz. „World-Cup-Willi“, Nationalspieler, eisenharter Verteidiger und nach seiner Karriere erfolgreicher Automatenaufsteller in der Hansestadt. Schulz hatte Arbeit für Grau, was den Schritt in den Norden erleichterte.

In Schalke galt Grau Mitte der 60er Jahre als großes Talent. Ehe er als 18-Jähriger in die Bundesliga wechselte, hatte er für seinen Heimatverein Germania Datteln einige Nachwuchs-Länderspiele bestritten. Beim Uefa-Jugendturnier im März 1964 in Holland stürmte er in der Mitte, während ihm zwei Mitspieler den Rücken freihielten, die später eine gewisse Berühmtheit erlangen sollten – Franz Beckenbauer und Berti Vogts.

1966 kam er nach Bonn

Während die Kollegen jedoch durchstarteten, kam Graus Karriere nie richtig in Fahrt. In zwei Jahren bei Schalke machte er nur zwölf Spiele und schoss drei Tore. Immerhin war ein Treffer dabei, der ein klitzekleines Kapitel Fußballgeschichte schrieb und heute leicht gegoogelt werden kann. Am 26. September 1964 erzielte Werner Grau das 1000. Tor in der 1963 gegründeten Bundesliga. „Die Süddeutsche Zeitung“ bemerkte einmal lakonisch dazu: „Gut an dem Tor für ihn: Grau war Schalker und er traf ausgerechnet gegen Borussia Dortmund. Schlecht an dem Tor für ihn: Es war das 1:6.“ Schließlich verloren die Schalker mit 2:6.

Weil es nicht voranging, wechselte Grau 1966 mit seinen Mannschaftskollegen Horst Mühlmann, Uwe Kleina und Heinz-Dieter Lömm nach Bonn. Der BSC war ein Jahr zuvor aus einer Fusion von TuRa Bonn und Bonner FV hervorgegangen, spielte in der damals zweitklassigen Regionalliga und hatte große Pläne. Doch daraus wurde ebenso wenig etwas wie aus Graus ganz großer Karriere. Spieler und Verein passten ziemlich gut zusammen. Bis 1978.

Andere würden wahrscheinlich hadern, wenn sie sich irgendwann eingestehen müssten, dass Talent und Ertrag nicht wirklich zusammenpassten. Dass sie kein Beckenbauer wurden. Und kein Vogts. Werner Grau ist anders. „Ich habe mich immer wohlgefühlt“, sagt er.

Aktuell ist das auch so. Er hat eine kleine Wohnung in Bornheim, lebt wieder in der Nähe seiner Töchter, kann um die Ecke im „Letzten Groschen“ seine Schalker gucken und geht sonntags gerne zum BSC. „War richtig klasse, wie viele Leute mich dort erkannt haben“, sagt er. „Toller Empfang.“ Wenn Grau mit einem Kölsch auf der Terrasse des Sportpark-Restaurants steht, ist er ein – sehr zufriedener Rentner.

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