In der dritten Sportart an der Spitze Bonnerin Annika Zeyen wird Handbike-Weltmeisterin

Bonn · Die Bonnerin Annika Zeyen ist seit Sonntag Handbike-Weltmeisterin und gehört damit in ihrer dritten Sportart zur Spitze. Im niederländischen Emmen gewann die Bonnerin das Handbike-Straßenrennen bei der Para-Radsport-WM.

 Annika Zeyen ist Handbike-Weltmeisterin.

Annika Zeyen ist Handbike-Weltmeisterin.

Foto: Privat

Eigentlich war die Rückreise für Sonntagabend geplant, doch Annika Zeyen hat sich spontan umentschieden. Die 34-Jährige ist noch eine Nacht länger in den Niederlanden geblieben, Heimfahrt verschoben - Plan B. Der muss kein schlechter sein. Denn Zeyen hat guten Grund zu der Planänderung. "Wir haben dann doch ein wenig gefeiert", gibt sie lachend zu. Die Bonnerin ist ein fröhlicher Mensch, das Lachen ansteckend. "Damit konnte ja keiner rechnen", sagt sie. "Ich kann es immer noch nicht fassen." Dabei ist die Faktenlage ziemlich eindeutig: Zeyen ist seit Sonntag Weltmeisterin. Im niederländischen Emmen gewann die Bonnerin das Handbike-Straßenrennen bei der Para-Radsport-WM - genau sieben Jahre nach ihrem bislang größten sportlichen Erfolg.

Goldmedaille im Rollstuhlbasketball

Bei den paralympischen Spielen in London gab es für Zeyen bereits die Goldmedaille. Allerdings nicht mit dem Handbike. Damals spielte die Bonnerin noch Rollstuhlbasketball. London waren ihre dritten paralympischen Spiele. Vier Jahre zuvor gewann sie in Peking bereits Silber, 2004 belegte sie mit der Nationalmannschaft in Athen den vierten Rang. Auch an Rio 2016 nahm sie teil und belegte mit der Mannschaft erneut den zweiten Rang. Zum Abschluss lief sie als Fahnenträger ins Maracana-Stadion in Rio ein. 80 000 Menschen waren dabei. Doch schon damals kündigte sie an, dem Rollstuhlbasketball den Rücken kehren zu wollen.

Somit wechselte sie 2017 zu den SSF Bonn in den Rennrollstuhl und feierte auch da schnell erste Erfolge. Sie wurde beim Berlin-Marathon deutsche Meisterin, belegte bei dem New-York-Marathon Rang sechs. Doch dann kam der Rückschlag. "Die Ärzte haben eigentlich keine genaue Erklärgung für meine Verletzung", sagt Zeyen. "Ein Nerv wird nicht mehr richtig angesteuert. Dadurch kann ich den Arm nicht mehr richtig nach hinten führen." Eine notwendige Bewegung im Rennrollstuhl. Sie wurde kurzfristig aus dem Team der Heim-EM in Berlin genommen. "Das war schon ein Tiefschlag für mich", sagt sie. "Ich war mega gut drauf und hatte mir viel vorgenommen." Statt EM-Medaille drohte das Karriere-Aus.

Annika Zeyen gibt nicht auf

Doch Annika Zeyen gibt nicht auf. "Ich bin ein positiver Mensch und versuche, generell das Beste aus jeder Situation herauszuholen", sagt die 34-Jährige. So auch vor 20 Jahren, als sie bei einem Ausritt vom Pferd stürzte. Die bittere Diagnose: Querschnittslähmung. Die damals 14-Jährige absolviert die Reha in sechs Wochen anstatt sechs Monaten. Doch dort kommt sie in Kontakt mit dem Rollstuhlbasketball - der Beginn einer beeindruckenden Karriere.

Vor einem guten halben Jahr gerät diese aber auch ins Stocken. Zeyen muss einmal mehr umdenken. "Ich habe mich also einmal mehr für Plan B entschieden und wie man sieht, war das ein sehr sehr guter." Sie wechselt auf das Handbike, hier bewegt sie die Arme vorwärts. "Das ist schon eine harte Umstellung, ein ganz anderer Bewegungsablauf", sagt sie. Doch die Umstellung gelingt. Sie ist erfolgreich auf einigen Europa-Cups und beim Weltcup in Kanada. Dadurch qualifiziert sie sich für die Weltmeisterschaft in Emmen. "Der WM-Titel hat mir noch gefehlt. Zweimal waren wir mit den Rollstuhlbasketballern kurz davor, zweimal hat es knapp nicht gereicht", schreibt sie auf Facebook. Dieses Mal schon. Glauben kann sie es noch nicht: "Ich warte darauf, dass mich jemand weckt."

Titel kommt für Trainer nicht überraschend

Für Heimtrainer Alois Gmeiner kommt der WM-Titel sowie der dritte Platz, den sie zuvor in der Staffel belegt hat, nicht überraschend. "Ich habe jeden Morgen im Training gesehen, dass Annikas Formkurve nicht fällt, sondern noch ansteigt", sagt Gmeiner.

Zeyens Erfolg kommt aber nicht von ungefähr. Sie trainiert zwei Mal täglich - ist daneben aber auch berufstätig. Zeyen arbeitet als Brand-Managerin beim internationalen paralympischen Komitee. "Ich habe eine 60 Prozent-Stelle. Bei der Konkurrenz handelt es sich dagegen um echte Profis." Nach dem WM-Titel steht das nächste Ziel bereits auf dem Plan: Tokio 2020, ihre fünften paralympischen Spiele. Die Qualifikation hat sie erreicht, eine Nominierung steht noch aus. Die Chancen stehen nach WM-Gold nicht schlecht. Dieses Mal benötigt sie wohl keinen Plan B.

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