Die Baustellen der Nationalmannschaft Das muss besser werden gegen England im Achtelfinale

München · Den Einzug ins Achtelfinale der Europameisterschaft hat die deutschte Nationalmannschaft geschafft. Doch gegen England muss sich das DFB-Team offensiv wie defensiv enorm steigern. Die Historie spricht allerdings für Deutschland.

 Einen schweren Stand hatte Joshua Kimmich (l.) gegen den Ungarn Attila Fiola. Nur selten konnte sich der Münchner durchsetzen.

Einen schweren Stand hatte Joshua Kimmich (l.) gegen den Ungarn Attila Fiola. Nur selten konnte sich der Münchner durchsetzen.

Foto: dpa/Kai Pfaffenbach

Der wichtigste Schritt ist getan. Durch das 2:2-Zitterremis gegen Ungarn hat die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft das Achtelfinale erreicht – und damit (im Gegensatz zur Blamage bei der WM 2018) das absolute Mindestziel erfüllt. Bundestrainer Joachim Löw bekommt von seinen Jungs somit zumindest sein 198. Länderspiel geschenkt. Doch damit es nicht sein letztes als Deutschlands Fußball-Oberhaupt wird, muss sehr viel verbessert werden. Denn sich gegen die Engländer einzig und allein auf ein (obligatorisch gewonnenes) Elfmeterschießen zu verlassen, dürfte zu wenig sein.

Der größte Schwachpunkt der DFB-Elf in der Vorrunde war eindeutig hinten auszumachen. Fünf Gegentore in drei Spielen sind deutlich zu viele. Dabei wollte Löw mit seiner Dreierkette ja gerade die Anfälligkeit in der Defensive ausmerzen. Vor allem im Umschaltspiel, wenn der Gegner schnell nach vorne prescht und die drei langen Kerls im deutschen Abwehrzentrum nicht sicher stehen, hat Deutschland Probleme. Also immer, wenn es schnell und lang geht. Das haben alle drei Vorrundengegner klar aufgezeigt. Frankreich beim 1:0, dem Pfostenschuss sowie seinen beiden Abseitstoren, Portugal beim 1:0 und auch Ungarn bei beiden Treffern.

Auffällig auch, dass mehrfach der Ball aus dem rechten Halbfeld lang auf die linke Seite, also Deutschlands rechte, zum Erfolg führte. Bei den Führungstreffern der Franzosen und Portugiesen wurde Joshua Kimmich so überspielt, beim 2:1 der Ungarn sah Leroy Sané schlecht aus. Gegen die schnellen englischen Offensivspieler muss daher zwingend die Absicherung gegen Konter besser werden. Und der Zugriff auf den Gegner im Mittelfeld, damit diese schnellen Raumverlagerungen gar nicht erst möglich sind.

Nur bedingt Mut macht bisher auch das deutsche Offensivspiel, auch wenn sechs erzielte Tore grundsätzlich gut klingen. Doch gerade gegen tief stehende Gegner tut sich das Nationalteam schwer, gute Chancen herauszuspielen. Das wurde insbesondere gegen den (Defensiv-)Weltmeister Frankreich deutlich. Bis auf zwei Schüsschen kam nicht viel heraus.

Hinterlaufen und Rückraumabsicherung

Die Ungarn versuchten vor allem, die deutschen Außen durch knallharte Manndeckung zuzumachen. Von Robin Gosens, gegen Portugal noch bester DFB-Spieler, war deshalb praktisch nichts zu sehen, und auch Kimmich konnte sich nur selten in Szene setzen. Auffällig: beide wurden nie hinterlaufen, weder von den Stürmern Sané und Serge Gnabry noch von Matthias Ginter, der rechts stets hinter Kimmich blieb, statt selbst einmal zur Grundlinie durchzustoßen, um dann zu flanken. Dadurch ist das Außenspiel der Deutschen aber viel zu leicht berechenbar. Und so viel Platz wie die Portugiesen werden die Engländer Kimmich und Gosens bestimmt nicht lassen.

Gegen die Ungarn gab es zudem keinen Rückraum. Bei allen Flanken stürmten stets sämtliche im Strafraum befindlichen deutschen Spieler in die Spitze, wollten im Fünfer das Tor machen. Keiner setzte sich nach hinten ab, um am Elfmeterpunkt auf einen Abpraller zu lauern und diesen reinzumachen – so wie kurz vor Schluss Leon Goretzka beim 2:2. Immer wieder köpften die ungarischen Verteidiger aber die Flanken genau in diesen Raum und konnten so klären, weil kein Deutscher dort stand.

Die Engländer kommen lassen

England wird sich voraussichtlich nicht so weit nach hinten zurückziehen wie die Ungarn. Die Briten haben, gerade vor eigenem Publikum, den Anspruch, nach vorne zu spielen. Viel dabei herausgesprungen ist allerdings auch noch nicht, lediglich zwei Tore stehen nach der Vorrunde auf der Habenseite. Allerdings hinten auch immer noch die Null. Wenn die Löw-Elf die Engländer knacken will, dann sollte sie sich selbst ein wenig weiter zurückziehen und den Gegner hinten rauslocken. Das eröffnet im Spiel nach vorn Räume, die gerade Gosens und Kimmich brauchen. Und hinten lässt es sich so leichter gegen Konter verteidigen.

Letztlich spricht ja auch die Historie für die DFB-Elf. Die jüngsten vier K.o.-Spiele zwischen beiden Nationen bei Welt- und Europameisterschaften hat alle Deutschland gewonnen. Zweimal halt im Elfmeterschießen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zeit für Veränderung
Kommentar zum Bierhoff-Aus Zeit für Veränderung
Zum Thema
Aus dem Ressort