28 Jahre nach der Katastrophe Emotionaler Hillsborough-Prozessbeginn in Warrington

Warrington · 28 Jahre nach der Hillsborough-Katastrophe in Sheffield hoffen die Angehörigen der Opfer auf Gerechtigkeit. Am Mittwoch erlebten sie, wie zum ersten Mal fünf Angeklagte vor einem britischen Gericht standen. Die Anhörung dauerte allerdings nicht lang.

 Angehörige von Opfern der Hillsborough-Katastrophe vor dem Gerichtsgebäude in Warrington.

Angehörige von Opfern der Hillsborough-Katastrophe vor dem Gerichtsgebäude in Warrington.

Foto: Danny Lawson

Es ist ein emotionaler Tag für die Angehörigen der Opfer der Hillsborough-Katastrophe. Angespannt stehen sie am Mittwoch schon früh vor dem Gerichtsgebäude in Warrington im Nordwesten Englands.

Sie tragen Fanschals des FC Liverpool und halten Schilder und Plakate hoch, auf denen Fotos der Menschen zu sehen sind, die sie am 15. April 1989 beim größten Sportunglück der Geschichte Großbritanniens mit fast 100 Todesopfern verloren haben. "Unrechtmäßig getötet" und "Ohne Verantwortung keine Gerechtigkeit" steht auf den Schildern.

Seit fast drei Jahrzehnten kämpfen sie dafür, dass die mutmaßlichen Verantwortlichen des Unglücks zur Rechenschaft gezogen werden. Es sind Mütter, Väter, Geschwister und Freunde. "Er ist mein Bruder", steht auf dem T-Shirt eines Mannes. Nach der langen Zeit soll dieser Tag für ihn und die anderen der nächste Schritt auf dem Weg zur Gerechtigkeit werden. "Auf diesen Tag haben wir 28 Jahre gewartet", sagt Louise Brookes, deren Bruder damals ums Leben kam, dem "Liverpool Echo".

Zum Prozessauftakt kündigen fünf Angeklagte an, auf "nicht schuldig" zu plädieren. Die Anhörung vor einem Gericht im britischen Warrington dauert nicht mal eine halbe Stunde. Die Angeklagten bestätigen Namen, Adresse und Geburtsdatum. Dann wird der Prozess um das größte Sportunglück in der Geschichte Großbritanniens an ein höheres Gericht in Preston verwiesen. Dort soll es am 6. September weitergehen.

96 Menschen starben damals beim Pokalspiel zwischen den englischen Fußballclubs FC Liverpool und Nottingham Forest. Sie wurden erdrückt oder niedergetrampelt, als im Stadion von Sheffield eine Massenpanik ausbrach. Weitere 766 Fußballfans wurden verletzt. Nach jahrelangem Streit um die Schuldfrage entschied erst im vergangenen Jahr nach einer unabhängigen Untersuchung ein englisches Gericht, dass die Katastrophe kein Unfall war, sondern die Polizei durch ihr Fehlverhalten eine Mitschuld trage.

"Wir sind wirklich stolz darauf, was wir erreicht haben", erklärt Donna Miller, deren Bruder Paul damals ums Leben kam, vor dem Prozessauftakt. Auch Louise Brookes will im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal dabei sein. "Auf diesen Tag haben wir 28 Jahre gewartet", sagt sie. Mit ernstem, eindringlichem Blick verfolgen die rund 30 Familienangehörigen, wie die fünf Angeklagten am Gericht eintreffen.

Die Polizeibeamten Norman Bettison, Donald Denton, Alan Foster und der Jurist Peter Metcalf sollen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft durch Manipulationen und sonstiges Fehlverhalten die juristische Aufarbeitung der Katastrophe behindert haben. Graham Mackrell, der frühere Geschäftsführer des Fußballclubs Sheffield Wednesday, ist wegen Missachtung geltender Sicherheitsvorschriften im Stadion angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte im Juni Anklage erhoben.

Noch gravierender sind die Vorwürfe gegen den damaligen Einsatzleiter und Polizeichef David Duckenfield. Ihm wird fahrlässige Tötung zur Last gelegt. Doch Duckenfield stand aus formalrechtlichen Gründen nicht als Angeklagter vor Gericht. Die Strafverfolgung gegen ihn war in einem anderen Verfahren im Jahr 2000 eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hat beim High Court jedoch einen Antrag gestellt, den entsprechenden Gerichtsbeschluss aufzuheben.

"Wir haben noch einen weiten Weg vor uns", erklärt Donna Miller, nachdem sie den Gerichtssaal verlassen hat. Dass die Anhörung nach nicht einmal 30 Minuten vorbei war und die Angeklagten auf "nicht schuldig" plädieren wollen, habe sie nicht überrascht. "Wenn ich ehrlich bin, tut es einfach gut, sie hier (vor Gericht) zu sehen." Christine Burke, deren Ehemann im Hillsborough-Stadion starb, sagt danach deutlich aufgewühlt und mit zittriger Stimme: "Es ist ein schöner Tag, aber auch ein trauriger Tag."

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