Taktische Änderungen Diese Chancen bieten sich dem FC durch den Modeste-Abgang

Analyse | Köln · Auf den ersten Blick wiegt der Abgang von Anthony Modeste beim 1. FC Köln schwer. Mit dem 20-Tore-Mann hat die Kölner Lebensversicherung den FC verlassen. Doch der Weggang eröffnet auch neue taktische Wege.

1. FC Köln: Anthony Modeste - diesen Einfluss hat sein Abschied
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Abgang von Anthony Modeste beim 1. FC Köln wiegt schwer. An den Publikumsliebling hatten die Kölner Anhänger viele Hoffnungen für diese Spielzeit geknüpft und Modeste dem FC die Türen zum europäischen Wettbewerb geöffnet. Zudem ist die Erinnerung an den letzten Abschied des Franzosen für die Kölner Anhänger eine bittere. Sang- und klanglos stieg der FC nach dem fünften Platz in der Vorsaison in der Spielzeit 2017/2018 ab. Dieses Szenario wollen die Kölner Verantwortlichen in dieser Saison natürlich verhindern und haben mit Steffen Tigges und Sargis Adamyan - wohl auch in weiser Voraussicht eines möglichen Modeste-Weggangs - frühzeitig zwei neue Stürmer verpflichtet.

Mit dem 3:1-Erfolg über den FC Schalke 04 am vergangenen Wochenende haben die Kölner zudem bewiesen, dass sie auch ohne die Lebensversicherung der vergangenen Spielzeit punkten können. Allerdings ist das eine geschönte Wahrheit. Denn die Tore erzielten Luca Kilian, Florian Kainz und Dejan Ljubicic (mit Unterstützung von S04-Keeper Alexander Schwolow) - allesamt keine Stürmer. Trotz des Erfolgs könnten Erinnerungen an die Saison 20/21 wach geworden sein, als der FC im Grunde ohne Sturm agierte, zumindest ohne erfolgreichen Sturm. Damals erzielten die etatmäßigen Angreifer in der regulären Saison insgesamt drei Treffer - alle Sebastian Andersson, den die Kölner trotz Modeste-Weggang gerne ebenfalls loswerden wollen.

Der 1. FC Köln muss neue Wege finden

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Doch der Vergleich hinkt gewaltig. Die Saison ist noch zu jung, die Geißböcke spielen zudem einen ganz anderen, einen attraktiven Fußball und haben mit Adamyan, Linton Maina und Tigges drei vielversprechende Offensivkräfte verpflichtet. Adamyan zeigte nach seiner Einwechslung am vergangenen Sonntag bereits seinen starken Drang zum Tor, Tigges soll nach seiner Verletzung mittelfristig an die Profis herangeführt werden. Gegen Schalke stand zudem das Zukunftsversprechen des FC in vorderster Front: Jan Thielmann und Florian Dietz bildeten das Sturm-Duo. Thielmann bewies, dass er sich berechtigte Hoffnungen auf mehr Spielzeit machen darf und auch Dietz machte bei seinem Profi-Debüt eine gute Figur. Dazu kommt Tim Lemperle, der eine überragende Vorbereitung spielte. Der FC ist in der Offensive also gut aufgestellt, eine ebenwürdige Alternative zu 20-Tore-Mann Modeste ist aber (noch) keiner der Angreifer. Vielleicht auch, weil der Franzose laut Analysen in der vergangenen Spielzeit überperformt hat. Auch die gehandelten Nachfolger Branomir Hrgota und Joel Pohjanpalo verfügen vermutlich nicht über die gleiche Klasse.

Doch braucht es die überhaupt? Im Spielsystem, das Baumgart seit vergangener Saison praktiziert hat, wird Modeste zweifelsohne fehlen: im Spiel über die Außen. In der vergangenen Spielzeit erzielte der FC mit diesem taktischen Mittel den Topwert der Liga, auch nach dem ersten Spieltag der aktuellen Saison führt Köln diese Statistik wieder an. 28 Flanken schlugen die Kölner gegen Schalke, einen Abnehmer fanden Florian Kainz, Benno Schmitz und Co. nur selten. Hier wurde die Modeste-Lücke extrem deutlich. Dass der FC auch gegen Schalke dieses taktische Mittel bevorzugte, lag wohl an der Kürze zwischen Wechsel und Spiel. Eine System-Umstellung war nach dem dann doch plötzlichen Abgang des Top-Torjägers keine Option. So kam Florian Dietz zu seinem Profidebüt. Dietz ist aktuell der einzige (fitte) Stürmer beim FC, der dem Spielertyp Modeste ähnelt.

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Foto: dpa/Matthias Balk

Mittelfristig muss das Spiel ohne Modeste aber ein anderes, die Torgefahr auf mehrere Schultern verteilt werden. Zumal Modeste mit seinen 38 Prozent Torbeteiligung in der vergangenen Saison der effektivste Stürmer der Liga war - zumindest in dieser Kategorie. Der FC muss also andere Wege finden und darin liegt auch die Chance, die der Abgang des 34-Jährigen eröffnet. Die Kölner waren in der vergangenen Saison leicht ausrechenbar. Das Spielsystem starr, die Gegner konnten sich zunehmend auf den FC und auch Modeste einstellen.

Das will Baumgart ändern. Am Sonntag fielen vor allem die Distanzschüsse von Dejan Ljubicic auf. Der zentrale Mittelfeldspieler versuchte es mehrfach, war dabei mitunter auch gefährlich. Ein Mittel, das sonst eher Mark Uth ausgezeichnet hat. Durch schnelle Außenspieler wie Linton Maina, die das Eins-gegen-eins nicht scheuen, soll das schnelle Spiel über die Flügel vorangetrieben, aber auch der direkte Weg in den Sechzehner gesucht werden. Eine Vorgabe, die ebenfalls von Tim Lemperle und Jan Thielmann erfüllt werden kann. Im Sechszehner spielt Sargis Adamyan für den FC eine große Rolle. Der 29-Jährige gilt aus kurzer Distanz als besonders torgefährlich, bereitet so Treffer vor. So bediente er am Sonntag Lemperle mustergültig, doch der Youngster kam einen Schritt zu spät.

Die Position des Stoßstürmers wird beim FC dagegen aktuell nicht ausreichend erfüllt, daher wird eine Nachverpflichtung in den Gedankenspielen der Kölner eine Option sein. So oder so: der Abgang von Tony Modeste wiegt schwer, er eröffnet dem Kölner Spiel aber auch ganz neue Wege und Chancen.

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