Expertenanalyse Darum spricht man beim FC nicht von der Europa League

Analyse | Köln · Der 1. FC Köln befindet sich nach dem 1:0-Erfolg über Frankfurt weiterhin auf Kurs Klassenerhalt. Viele Fans träumen schon wieder von Europa. Für den Club ist das kein Thema. Das könnte verschiedene Gründe haben, sagt Kommunikationsexperte Christoph Bertling.

 Nach dem Schlusspfiff feiern die FC-Profis um Torwart Timo Horn (Zweiter von links) den Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt.

Nach dem Schlusspfiff feiern die FC-Profis um Torwart Timo Horn (Zweiter von links) den Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

 33 Punkte, siebter Tabellenplatz: So lautete die eindrucksvolle Bilanz des 1. FC Köln nach dem 23. Spieltag – in der Saison 2016/2017. Jener Spielzeit, die den FC in der Folgesaison nach London, Belgrad und Borrisow lotste. Fünf Jahre später belegt der FC nach dem 23. Spieltag ebenfalls den siebten Tabellenplatz, allerdings mit 35 Zählern. Das Wort Europapokal will man bei den Kölner Verantwortlichen aber weiterhin nicht in den Mund nehmen. „Das Thema ist da, das wissen wir auch. Es wird gerne darüber gesprochen“, sagt FC-Trainer Steffen Baumgart, der aber auch immer wieder die 40-Punkte-Grenze ins Spiel bringt, also jene Marke, die vermeintlich über Klassenerhalt und Abstieg entscheidet. Vermeintlich, weil seit Einführung der Drei-Punkte-Regel noch nie 40 Zähler zum Klassenerhalt nötig gewesen sind. 

Selbst wenn, ist der FC elf Spieltage vor Saisonschluss nur fünf Punkte von dieser Grenze entfernt. Und doch: Egal ob Spieler, Trainer oder andere Verantwortliche – das Narrativ der 40 Punkte steht über allem. „Trainer müssen immer nach innen in das Team, aber auch nach außen kommunizieren“, sagt Christoph Bertling, Kommunikationsexperte der Sporthochschule Köln. „Wenn du vor der Saison der Mannschaft kommuniziert hast, dass der wichtigste Erfolg der Klassenerhalt ist und du steckst das Ziel nach außen aber noch höher, dann verlierst du natürlich nach innen die Glaubwürdigkeit.“

Dabei ist Glaubwürdigkeit ein großes Gut des Trainers. Er wirkt authentisch, nahbar. Seine Aussagen untermauert er mit Tatsachen. Als er im Sommer sein offensives Fußballsystem vorstellte, wurde es kritisch hinterfragt. Doch die Tabelle, aber auch das attraktive Spiel geben dem Coach recht. Auch das Vertrauen, das er immer wieder Spielern wie Anthony Modeste ausgesprochen hat, hat sich bezahlt gemacht.

Erfolg soll bewahrt werden

Auf der anderen Seite propagiert der Coach offensiven Fußball, spricht von Mut, Selbstvertrauen und davon, dass man jede Mannschaft der Liga schlagen könne. „Die Erwartungshaltung ist nach außen natürlich eine andere geworden. Baumgart muss da einen Spagat machen“, sagt Bertling. „Ich glaube, dass man sich aber so die Glaubwürdigkeit in der Mannschaft, aber vor allem den Erfolg, den man sich selbst gesteckt hat, bewahrt.“

Doch mit jedem Erfolg wächst die Euphorie in der Stadt. „In Köln muss man schon aufpassen, dass aus der entfachten Euphorie kein Großbrand wird“, sagt Bertling. Um Trainer und Mannschaft entsteht gerade ein Kult. Die Fans träumen bereits von Europa. „Die Fans sind ja nicht das Problem. Es geht eher darum, der Mannschaft nicht den Erfolg zu nehmen, den sie sich hart erarbeitet hat. Das könnte das innere Gefüge empfindlich stören“, so der Experte. „Danach kann eine Euphorie getragen werden, man kann neue Ziele setzen und sagen: Jetzt können wir tatsächlich Europa angreifen.“

Ähnlich äußerte sich auch Jörg Jakobs nach dem Erfolg über Frankfurt am vergangenen Samstag. „Wir nähern uns der Zone und wir nähern uns dem Punkt, an dem wir uns neue Ziele setzen können. Wir sind kurz davor“, sagte der Interims-Sportchef.

Davon wollte Baumgart aber auf Nachfrage noch nichts wissen. Und lieferte dafür auch eine gute Begründung: „Wenn ich jetzt von etwas rede und wir schaffen es dann nicht, dann erinnere ich gerne an den DFB-Pokal“, sagte Baumgart. Vor dem Achtelfinale gegen den Hamburger SV hatte der Trainer bereits den Traum vom Finale geäußert. Es folgten die bittere Niederlage, das Pokal-Aus und harsche Kritik. Das will Baumgart in Bezug auf die Europa League offenbar vermeiden. „Sollten wir es nicht schaffen, hätte ich das Gefühl, als ob ich den Menschen etwas wegnehmen würde. Und deswegen denken wir nur von Woche zu Woche.“

Am Wochenende steht die Begegnung gegen Fürth an. Sollte der FC gewinnen, hätte er 38 Zähler. Der Klassenerhalt wäre so gut wie sicher. Vielleicht setzt sich Baumgart dann ein neues Ziel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Träumen erlaubt!
Kommentar zu den Zielen des 1. FC Köln Träumen erlaubt!
Aus dem Ressort