Gegner-Check Das erwartet den FC gegen Union Berlin

Analyse | Bonn · 1. FC Köln gegen Union Berlin – ein Duell auf Augenhöhe, wie FC-Trainer Steffen Baumgart findet. Beim Auswärtsspiel an der Alten Försterei erwartet die Kölner neben einem kompakten, kampfstarken Gegner ein Hexenkessel.

 Könnte zur Gefahr für den FC werden: Union-Torjäger Taiwo Awoniyi (links), hier im Zweikampf mit dem Kölner Abwehsrpieler Timo Hübers.

Könnte zur Gefahr für den FC werden: Union-Torjäger Taiwo Awoniyi (links), hier im Zweikampf mit dem Kölner Abwehsrpieler Timo Hübers.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Freitagabend. Flutlichtspiel. Genau nach dem Geschmack von Steffen Baumgart. Der Trainer des 1. FC Köln mag solche stimmungsvolle Abende, zumal seine Mannschaft und ihn eine besondere Atmosphäre erwartet. Die Partie bei Union Berlin findet wieder vor vollen Rängen statt. Rund 22.000 Fans begleiten das Duell zweier Mannschaften, die 2019 gemeinsam in die Bundesliga aufstiegen. Dabei sind die Kölner erprobt in der Nutzung des Fahrstuhls. Es war bereits das sechste Mal, dass es nach ganz oben ging. Union feierte dagegen Premiere. Und hat sich – zur Überraschung vieler, auch so mancher Experten – zu einem sehr ambitionierten Kandidaten entwickelt, der sogar in Europa schon leise Hallo sagen durfte. Zwar überstanden die „Eisernen“ die Gruppenphase der Conference League in dieser Saison nicht. Doch sie haben eindrucksvoll gezeigt, was mit bedingungslosem Zusammenhalt und Fanunterstützung möglich ist.

Darauf müssen sich auch die Kölner am Freitag einstellen: auf eine brodelnde Stimmung, die die eigene Mannschaft nach vorn tragen kann. Für Baumgart, einst selbst zwei Jahre als Profi bei Union Berlin aktiv (2002 bis 2004), genau die richtige Atmosphäre - eine zum Genießen. „Wenn ich mir ein Spiel hätte aussuchen können, hätte ich als Sender auch dieses Spiel gewählt“, sagte er am Donnerstag. „Wir werden eine richtig geile Stimmung haben, das ist eines der besten Spiele, das man Freitag haben kann. Ich frage mich eher, warum manchmal, wenn keine Länderspiele waren, Freitag nicht gespielt wird.“

FC spielt in Baumgarts Heimat

Der Trainer schätzt nicht nur das Stadion an der Alten Försterei, nein, er mag auch den dortigen Stadtteil Köpenick, in dem er selbst ein Haus als ersten Wohnsitz besitzt. So oft es geht, zieht es ihn aus Köln dorthin. In seine Heimat, wie es Baumgart selbst empfindet. Auf eine Union-Vergangenheit kann auch FC-Stürmer Sebastian Andersson blicken, der im Sommer 2020 für rund sieben Millionen Euro Ablöse nach Köln übersiedelte. Der Schwede hat also auch noch zwei Jahre unter Trainer Urs Fischer gespielt. Der urige Schweizer darf durchaus als Vater des eisernen Erfolges betrachtet werden. In seiner Auffassung als sportliche Führungskraft räumt er dem Teamgedanken einen sehr großen Platz ein. Im ganzen Verein. Nach dem Aufstieg 2019 hielt er fest: "Schlussendlich kannst du so was nur erreichen als Team, von der Wäschefrau bis in die Marketingabteilung."

Er entwickelte eine wuchtige Mannschaft, die entsprechend von seinem Zusammenhalt und der Kampfkraft lebt – aber eben nicht nur. „Jeder Gegner hat es schwer gegen sie, weil sie sehr klar spielen. Sie haben ein klares System mit ihrer Dreierkette, die dann auch immer wieder aggressiv nach vorn spielt“, beschreibt Köln-Coach Baumgart die Union-Vorzüge. Und: „Sie spielen meines Erachtens immer besser Fußball von hinten heraus und versuchen immer wieder, Fußball zu spielen.“

Fans peitschen Union nach vorn

Für Baumgart ist Union eine Herzensangelegenheit, und die Partie in der Heimat hat natürlich eine besondere Bedeutung für ihn. Er glaube, sagte er über das stimmungsvolle, wummernde Stadion, dass die Atmosphäre dort besonders sei, weil „sie über 90 Minuten positiv ist. Da kannst du 4:0 vorne liegen und die Heim-Mannschaft wird trotzdem nach vorne gepeitscht. Du kannst 0:2 hinten liegen und die Stimmung wird genauso sein“. Das spornt ihn an gegen einen Gegner, den er in den vergangenen Jahren „weit weg“ sah. Nicht hinter den Kölnern: vor. Nun aber sieht er seine Mannschaft zumindest auf „Augenhöhe“ und hofft, dass dies auch im anstehenden Duell eintreten wird. „Das wäre schön.“

Union verfügt dabei über eine bemerkenswerte Kompaktheit im Allgemeinen, und strahlt – im Speziellen - eine beachtliche Gefahr bei Standards aus. Die Dreierkette ist eingespielt und besteht in der Regel aus den Abwehrspielern Paul Jaeckel, Robin Knoche zentral und Timo Baumgartl. Der Ex-Kölner Dominique Heintz kommt darin bislang nicht zum Zuge, so wie er sich selbst nach seinem Wechsel im Januar aus Freiburg erhofft hatte. Fehlen wird in Stürmer Anthony Ujah ebenfalls ein früherer FC-Spieler, der erkrankt ist.

Starkes Sturmduo mit Awoniyi und Becker

Als kleiner Schwachpunkt in Fischers System hat sich einige Male die Besetzung der Sechser-Position mit nur einem Spieler gezeigt. Zwar ist Rani Khedira, Bruder von 2014-Weltmeister Sami, ein Könner seines Fachs, doch hin und wieder ergeben sich durch den Verzicht auf eine Doppelsechs Räume in den Halbpositionen, die die Baumgart-Elf nutzen könnte. Vor allem dann, wenn die Abwehrspieler der Köpenicker nicht rechtzeitig aus der Abwehrreihe herausrücken. Im Angriff ergänzt sich das Duo Taiwo Awoniyi und Sheraldo Becker vortrefflich. Während der wuchtige Awoniyi mit seiner Durchsetzungsfähigkeit und Torgefahr punktet, überzeugt Becker mit imposanter Schnelligkeit. Von allen Spielern der Bundesliga har er mit 36,39 km/h in dieser Saison den zweithöchsten Wert ersprintet. Nur der Mainzer Jeremiah St. Juste war einen Hauch schneller (36,63 km/h).

Mit elf Treffern liegt Awoniyi in der vereinsinternen Torjägerliste vorn, Becker bringt es auf lediglich zwei Tore. Drei weniger als ein Spieler, der den Verein in der Winterpause verließ: Max Kruse, der immerhin fünf Treffer bis dahin zum bislang sehr ordentlichen Abschneiden Unions beigetragen hat. Die Berliner hatten zwischenzeitlich sogar Champions-League-Platz vier erobert, liegen jetzt jedoch auf Platz neun zwei Zähler hinter dem FC – immer noch allerdings in Schlagdistanz zu den Europacup-Plätzen. Glaubt man Steffen Baumgart verursacht das Fehlen des früheren Nationalspielers Kruse (jetzt Wolfsburg) keine großen Qualitätseinbußen. „Es geht auch ohne Max Kruse.“

Seit sieben Spielen warten die Kölner nun auf einen Sieg gegen die „Eisernen“. Tatsächlich aber lässt die derzeitige Form des Baumgart-Teams hoffen, dass sich dies am Freitagabend ändert. In einem Hexenkessel an der Alten Försterei.

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