Gegner-Check Das erwartet den 1. FC Köln gegen den SC Freiburg

Analyse | Köln · Mit dem SC Freiburg stellt sich eine Mannschaft am Samstag beim 1. FC Köln vor, die auf einem starken fünften Rang platziert ist. Eine große Überraschung ist das überzeugende Auftreten allerdings nicht. Die Mannschaft von Christian Streich hat sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe in der Erstklassigkeit entwickelt.

Vater des Freiburger Erfolgs: Trainer Christian Streich (rechts).

Vater des Freiburger Erfolgs: Trainer Christian Streich (rechts).

Foto: dpa/Tom Weller

Nein, in der Beschaulichkeit des Breisgau sind rasante Abfolgen von Veränderungen nicht zu erwarten. Auch beim Fußball-Club SC Freiburg halten sie es eher mit der Tradition, es traditionell nur ja nicht an Konstanz mangeln zu lassen. Natürlich, an dieser Stelle ließe sich ausführlich über den ewigen Trainer-Kauz Christian Streich auslassen, der Ende vergangenen Jahres sein zehntes Dienstjubiläum als oberster Übungsleiter des SC feierte. Doch auch ein anderer, ohne den der Sportclub seit Jahren kaum vorstellbar wäre, dient als angemessenes Beispiel des Freiburger Drangs zur Dauerhaftigkeit. Seit mehr als neun Jahren rennt Christian Günther die linke Spur rauf und runter, bis ihm sprichwörtlich die Zunge zum Hals raushängt. Ein Dauerrenner und Dauerbrenner, der es inzwischen zum SC-Kapitän und Nationalspieler gebracht hat. Als solcher will er auch am kommenden Samstag Verantwortung im Team der Badener übernehmen, wenn es beim 1. FC Köln antritt (15.30 Uhr).

Trainer Streich kennt Günther also schon seit Jahren – und weiß, was er an ihm hat. Er schätzt ihn, und als der frühere Bundestrainer Joachim Löw Günther im Sommer 2020 in den deutschen EM-Kader berief, sagte er, es sei eine „große Freude für uns alle“, nicht nur für die Kollegen, sondern ebenso für den Trainerstab und das Funktionsteam der Breisgauer. Viele würden schon lange für den SC arbeiten, beschrieb Streich den besonderen Zusammenhalt im Verein, und „Christian arbeitet schon lange im Verein, spielt Fußball hier. Wir kennen uns sehr gut und sind durch verschiedene Phasen gemeinsam gegangen“. Günthers Weg – er stieß in der B-Jugend zum Club - war nicht immer eben wie eine frisch asphaltierte Schnellstraße, aber er kämpfte sich durch, entwickelte sich zu einem Unverzichtbaren. Daran könne man sehen, Mentalität, Einstellung, Aushalten und Durchsetzungsvermögen „schlägt Talent - aber Christian ist auch talentiert“.

 Kapitän Christian Günther als Ausdruck der Freiburger Stärke und Kontinuität

Es ist diese bestimmte Mischung aus Talent, harter Arbeit und Kontinuität, gerade hinter den Kulissen, die den früheren Ausbildungsverein zu dem machen, was er heute darstellt: eine sehr gute Adresse in der Bundesliga. Der Sportclub lässt sich auf seinem Weg nicht einmal von einem zwischenzeitlichen Abstieg (Saison 2014/15) abbringen. Streich blieb Trainer und führte die Freiburger nicht nur in die gesicherte Zone der Bundesliga, sondern in dieser Spielzeit bis auf einen starken Platz fünf. Nach der besten Vorrunde der Vereinsgeschichte überwinterte das Streich-Team auf Platz drei, einem Champions-League-Rang. Teil dieses Aufstiegs ist auch und gerade Christian Günther, der mit 255-Erstligaeinsätzen Freiburgs Rekordspieler ist. Auch in dieser Runde hat der beinahe 29-Jährige noch keine Bundesliga-Minute verpasst, spulte dabei im Schnitt beachtliche 10,62 Kilometer pro Spiel ab.

1. FC Köln: So könnte der FC gegen Freiburg spielen​
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So könnte der FC gegen Freiburg spielen

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Seine Schnelligkeit, permanenten Vorstöße zur Grundlinie und Zähigkeit, die der viermalige DFB-Auswahlspieler im Zusammenspiel mit Vincenzo Grifo auf den Rasen bringt, dient der Mannschaft als Waffe. Die bärenstarke linke Seite ist häufig die Autobahn zum Erfolg. Zwar hat Günther in dieser Saison noch keinen eigenen Treffer erzielt, aber fünf Torvorlagen sind ein Wert, der jedem Linksverteidiger auf diesem Niveau zur Ehre gereicht. Sein Partner mit der feinen Technik, Grifo, mit Unterbrechung immerhin auch schon vier Jahre im Diensten des Clubs, bringt es auf insgesamt 13 Scorerpunkte. Mit vier Treffern (drei Elfmeter) und neun Assists ist der in Pforzheim geborene italienische Nationalspieler weit oben in der Liga-Wertung zu finden. Man greift nicht zu tief in die Floskelkiste, um die linke Seite als „Schokoladenseite“ der Freiburger zu identifizieren.

Freiburg mit der zweitbesten Abwehr der Liga

Zu einem gelungenen Gesamtkonstrukt gehören jedoch noch weit mehr Zutaten als zwei gute „Linke“. Die Freiburger Erfolgsformel lässt sich rasch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Die Abwehr steht. Mit lediglich 23 Gegentoren ist sie die zweitbeste der Liga, gemeinsam mit RB Leipzig und Mainz 05 – nur hinter den Branchenführer Bayern München. Als letzte Instanz treten dabei überwiegend die beiden Innenverteidiger Nico Schlotterbeck und Philipp Lienhart in Erscheinung. Das deutsch/österreichische Duo wird unterstützt durch Günther auf Links und zumeist Lukas Kübler. Aber Streich weicht von einer Viererkette auch gelegentlich auf eine Dreierkette aus. Zwischen dem erprobten 4-4-2 mit hängender Spitze und dem ebenfalls seit Längerem praktizierten 3-4-3 gibt es häufig Wechsel.

Die Defensive ist die Basis für ein variables Offensivspiel, das mal mit einer Spitze, mal mit zwei Spitzen, mal mit einem zusätzlichen Zehner aufwartet. Um Druck über die Außen zu erzeugen, zieht Trainer Streich auch schon mal Christian Günther weit nach vorn, auf der anderen Seite wie zuletzt den pfeilschnellen Kevin Schade, der auch häufig als Einwechselspieler frischen Wind entfacht. Als Abnehmer des Lieferdienstes in der Mitte steht Lucas Höler bereit. Was heißt hier steht: Der Mittelstürmer, der sich auch gerne als Anspielstation fallen lässt, ackert und rackert ganz ordentlich. Ein wenig scheint das zu Kosten seiner Effektivität zu gehen. Vier Treffer hat er als Angreifer bislang erst erzielt – ebenso viele wie Grifo, Lienhart und Wooyeong Jeong. Gesetzt ist der Mann mit der Rückennummer 9 bei Streich dennoch. Mit seiner Wucht, am Boden und in der Luft, ist er ein wichtiger Faktor im intensiven Freiburger Spiel, das ein aufwendiges Gegenpressing beinhaltet. Mit 281 gewonnenen Zweikämpfen ist Höler der ligaweit erfolgreichste Zweikämpfer. Dass er zudem als Kopfballspieler zu den Stärksten überhaupt gehört, zeigen seine 100 gewonnenen Duelle in der Luft. Laufstark ist er zudem, liegt mit knapp 210 abgerissenen Kilometern insgesamt an achter Stelle dieser Rangliste.

Streich-Team mit starker Reaktion auf heftige Pleite in Dortmund

Hölers Durchsetzungsstärke bringen auch seine Kollegen mit. Speziell beim 6:0-Rekordiseg in Mönchengladbach demonstrierten die Freiburger ihre Stärke bei Standardsituationen, die bevorzugt von Spezialist Grifo ausgeführt werden. Sie beeindruckten in dieser Partie auch mit ihrer Lufthoheit, trafen vier Mal nach ruhenden Bällen, unter anderem durch das Innenverteidigerduo Schlotterbeck/Lienhart. Auf der anderen Seite ist es verwunderlich, dass sich trotz der bislang insgesamt wenigen Gegentreffer eine richtige Packung befand. Alleine fünf Gegentreffer musste der SCF beim 1:5 in Dortmund hinnehmen. Ein Ausrutscher, wie der bisherige Saisonverlauf bestätigt. Denn ansonsten ist auf die Defensive Verlass. Sieben Mal hat die Abwehr um Stammtorhüter Mark Flekken bisher zu null gespielt – Liga-Bestwert, den er sich mit dem Mainzer Robin Zentner und Bayern-Keeper Manuel Neuer teilt. Doch gegen Dortmund musste der Niederländer wegen einer Corona-Infektion passen. Vertreter Benjamin Uphoff unterlief zwar kein großer Fehler, doch die Ruhe Flekkens strahlte er nicht aus. Zuvor gegen Bielefeld hatte Uphoff schon gepatzt. Am Ende hieß es nach einer 2:0-Führung 2:2.

Vor allem aber die Pleite gegen die Borussia aus Dortmund hatte bei Streich Wirkung hinterlassen. Er kritisierte vor allem die „schlechte erste Halbzeit“ und betonte: „Bis jetzt war es ganz gut, was wir in dieser Saison gespielt haben. Aber wenn wir nicht richtig gut drauf sind, haben wir mit dem BVB nichts zu tun." Sein langjähriger Wegbegleiter Günther pflichtete seinem Chef bei. Bis jetzt sehe man, dass „wir eine sehr gute Mannschaft haben, die eine richtig gute Saison spielen kann. Aber wir brauchen jetzt nicht anfangen, darüber zu reden, was wir plötzlich wollen und müssen. Das Einzige was wir müssen, ist Woche für Woche auf dem Platz Gas zu geben und dann werden wir am Ende sehen, was dabei rauskommt“. Gas geben, davon ist auszugehen, werden die Freiburger in jedem Fall weiterhin. Zumal die jüngsten Erfolge nach dem Rückschlag von Dortmund neue Zuversicht gebracht haben dürften. Zunächst erreichte die Streich-Elf das DFB-Pokal-Viertelfinale durch einen überzeugenden 4:1-Erfolg in Hoffenheim, und kurz vor der Länderspielpause gab es ein 2:0 gegen den VfB Stuttgart.

Marktwert des SC-Teams doppelt so hoch wie der des FC

Christian Streich hat den Sport-Club in den vergangenen zehn Jahren seiner Amtszeit zu einer festen Größe entwickelt, mehr noch: zu einer gehobenen Bundesliga-Adresse. Darauf verweist auch André Pawlak. „Freiburg ist unter Christian Streich über die letzten Jahre sehr konstant. Das ist schon überragend“, sagte der FC-Co-Trainer, der am Samstag im direkten Duell den erkrankten Cheftrainer Steffen Baumgart ersetzt.  Die Badener haben, basierend auf einer Arbeit der Kontinuität, eine Wandlung vollzogen. Laut der Internet-Plattform transfermarkt.de weist die Mannschaft des SC einen rund doppelt so hohen Marktwert auf wie der FC (146,75 Millionen Euro zu 75,51). „Sie haben Transfers getätigt über zehn Millionen, das haben sie sich erarbeitet“, sagte Pawlak. „Das ist nicht mehr der SC Freiburg, den man von früher kennt. Ich glaube nicht, dass sie noch zu den typischen Fahrstuhlmannschaften gezählt werden können.“ Eine Entwicklung, die auch den Kölnern sehr gelegen käme.

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