„Es ist ein Teil von Baumgarts Spielphilosophie“ Das sagen Experten zum Erfolg des Kollektivs beim FC

Analyse | Köln · FC-Trainer Steffen Baumgart betonte in der laufenden Saison gleich mehrfach, dass das Kollektiv ein wichtiger Erfolgsfaktor der Mannschaft sei. Warum es so wichtig ist, erklärt Sportpsychologin Babett Lobinger.

1. FC Köln: Das sagen Experten zum kolportierten Kollektiv des FC​
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Der Morgen des ersten Spieltags der angelaufenen Saison begann für die Fans des 1. FC Köln gleich mit einer Hiobsbotschaft. Der Topstürmer der Kölner, Anthony Modeste, hatte sich mit Borussia Dortmund über einen Wechsel geeinigt. Zu einer Verabschiedung des 34-Jährigen kam es an dem Sonntag aber nicht mehr. FC-Trainer Steffen Baumgart strich den Franzosen nach Bekanntwerden der Meldung für den Saisonauftakt gegen den FC Schalke 04 aus dem Kader. Nach Abpfiff erklärte der 50-Jährige seine Entscheidung. „Ein Spieler, der einen anderen Weg gehen möchte - da finde ich es schwierig zu sagen: 'Mach noch ein Spiel.'“ Innenverteidiger Luca Kilian fügte später hinzu: „Uns war klar, dass wir das im Kollektiv auffangen müssen. Der Trainer hat es so schön gesagt: Jeder spielt für den anderen.“

Dass beim 1. FC Köln derzeit jeder für den anderen spielt, zeigt sich sowohl in den bisher zwölf unterschiedlichen Torschützen nach zwölf Pflichtspielen als auch in der stabilen Mannschaftsleistung trotz einiger Verletzten wie Markt Uth, Jeff Chabot oder Mathias Olesen. „Ich glaube nicht, dass wir die Mannschaft mit der höchsten individuellen Qualität sind. Aber wir sind ein richtig gutes Kollektiv“, sagte Baumgart nach dem 4:2-Sieg gegen den VfL Wolfsburg am fünften Spieltag. Obwohl der Trainer damit ebenfalls eine vermeintliche Schwäche seiner Mannschaft offenbart, tut er damit seiner Mannschaft auch einen Gefallen. „Einerseits ist das nicht charmant, seinen Spielern individuelle Klasse abzusprechen. Das hat aber sicherlich einen Hintergrund. So meint keiner, er wäre allein von besonderem Wert. Er hebt clever hervor, dass der Einzelne nur so gut sein kann, wie die Mitspieler es zulassen. Aus der Feldtheorie wissen wir, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Wenn eine Mannschaft gut zusammenspielt, dann können sie gemeinsam mehr leisten als jede Einzelleistung addiert“, erklärte Sportpsychologin Babett Lobinger von der Abteilung für Leistungspsychologie an der Deutschen Sporthochschule.

Expertin Babett Lobinger: „Das, was gesagt und das, was gemacht wird, passt zusammen.“

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Neben den Kölnern scheinen auch Union Berlin und der SC Freiburg, die nach dem siebten Spieltag auf Platz eins beziehungsweise Platz drei der Tabelle stehen, ein funktionierendes Kollektiv innezuhaben. „Auch wenn einige denken, das wäre normal, was in Berlin und Freiburg geleistet wird: Das ist alles andere als normal. Genauso wie das, was hier in Köln geleistet wird, nicht normal ist“, sagte der Trainer am Donnerstag gegenüber dem „Kicker“. Mit Blick auf die Kaderwerte der drei Teams finden sich Freiburg auf Platz neun, Berlin auf Platz zwölf und Köln auf Platz 15 der Tabelle wieder. „Man sieht aktuell, dass nicht die Mannschaften oben stehen, deren Kader am teuersten ist. Es ist ein Teil von Baumgarts Spielphilosophie, dass er das hervorhebt, was alle gemeinsam schaffen können. Das führt unter den Spielern dazu, dass sie den Spieler neben sich anders wertschätzen. Es stärkt den Gemeinschaftsgeist. Der Trainer möchte seinen Spielern die individuelle Qualität sicherlich auch nicht absprechen, aber sie werden im Team noch besser“, sagte Lobinger.

Das Kollektiv lässt die Mannschaft aber nicht nur sportlich besser agieren, sondern hilft auch dabei, dass sich die Spieler selbst hinten anstellen. „Die Kölner sind im internationalen Geschäft und brauchen nochmal mehr Spieler als in der vergangenen Saison. Es gibt Trainer, die dann immer die beste Elf spielen lassen würden und es gibt Trainer, denen klar ist, dass man eine Bank braucht, die jederzeit fit genug ist, um das Team wieder stark zu machen. Dann ist das clever, die fünf Einwechslungen zu nutzen und zu signalisieren, dass man ein Team ist“, so Lobinger. Ähnliches sprach Baumgart bereits nach besagtem Wolfsburg-Spiel an. „Die Jungs akzeptieren Sachen, die sie vielleicht nicht akzeptieren möchten, indem der Trainer Entscheidungen mit fünf Wechseln trifft.“

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1. FC Köln: Selbstvertrauen sorgt für Kampfgeist

Durch die häufige Thematisierung der Mannschaftsleistung setzt der 50-Jährige auch ein Zeichen an Nachwuchsspieler. „Es geht ja auch gerade bei der aktuellen Finanzlage darum, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu fördern. Das Signal an den Nachwuchs ist es auch, dass mannschaftliche Geschlossenheit zählt und es darauf ankommt, wie man sich bestmöglich in das Team einbringen kann und nicht, wie man selbst am besten hervorsticht. Die Rede vom Kollektiv erfüllt diese Funktion, indem sie gegen Ich-AGs arbeitet und alle motiviert, die sich in das Team einbringen“, so Lobinger.

Ein weiterer Vorteil eines stimmigen Kollektivs liegt in dem Selbstvertrauen der Mannschaft. Die Kölner schafften es in der vergangenen Saison neunmal einen Rückstand wieder auszugleichen. In der laufenden Spielzeit gingen vier von sieben Bundesligaspielen nach einem Gegentreffer nicht verloren. „Wenn ich in Rückstand gerate, reicht es nicht, wenn sich einer anstrengt. Dann brauche ich von jedem Spieler ein paar Prozent mehr. Wenn eine Mannschaft einmal die Erfahrung gemacht hat, dass sie Erfolg hat, wenn sie der Taktik und den Auswechslungen des Trainerteams weiter vertraut, sorgt das neben dieser positiven Erfahrung für das Gefühl, dass sie einen Rückstand immer wieder ausgleichen können“, so die Expertin.

In einem mannschaftlichen Zusammenhalt gibt es jedoch auch bestimmte Rollen, die die Spieler erfüllen müssen. „Auch, wenn alle gleich geachtet und respektiert werden, gibt es trotzdem leistungsstärkere und -schwächere Spieler oder eine Erstbesetzung auf einer bestimmten Position. Jonas Hector ist sicherlich schwerer zu ersetzen als andere Spieler. Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass eine Mannschaft vier Typen braucht. Es braucht den taktischen, rechten Arm des Trainers, den sozial-integrativen Spieler, den emotionalen Leader und das Gesicht der Mannschaft nach außen“, erklärt Lobinger. Neben Hector betonten die FC-Verantwortlichen beispielsweise die wichtige Rolle der ehemaligen Nummer Eins Timo Horn. Offensivspieler Mark Uth spricht in Interviews immer wieder für die Mannschaft. Jeder Spieler kann jedoch auch das Kollektiv gefährden. „Das Gefüge kann man einmal aus fußball-taktischer Sicht und aus sozialer Sicht betrachten. Das Gleichgewicht einer Mannschaft sollte durch Verletzungen, einzelnen Leistungsabfälle oder soziale Konflikte nicht ins Wanken geraten“, erklärte die Sportpsychologin.

Als Modeste also in der vergangenen Saison noch im Fokus vieler Fans und Experten stand, wurde der Trainer nicht müde zu betonen, dass allein die Mannschaft zähle, die die einzelnen Spieler stärke. Auch ohne den Starspieler hat sich die Message Baumgarts in der aktuellen Spielzeit nicht verändert und bleibt damit ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Erfolgsfaktor für den FC.

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