“Objektiv betrachtet ist er der deutlich Bessere“ Diese überraschenden Ergebnisse liefert ein Datenexperte zu den FC-Profis

Analyse | Köln · Mit seinem Team von Global Soccer Networks berät Datenanalyst Dustin Böttger Top-Adressen des europäischen Fußballs. Seine Zahlen zum 1. FC Köln halten einige Überraschungen bereit.

1. FC Köln: Datenexperte liefert überraschende Ergebnisse zum FC​
Foto: dpa/Marius Becker

Der Reflex war weltklasse. Mit einer Fußabwehr aus kürzester Distanz verhinderte Marvin Schwäbe gegen die TSG Hoffenheim einen Gegentreffer. Wieder einmal. Seit einem knappen Jahr ist Schwäbe die Nummer eins im Tor des 1. FC Köln und beweist auch regelmäßig immer wieder warum. Der 27-Jährige, im Sommer 2021 als Nummer zwei an den Rhein geholt, hat den internen Zweikampf mit Kölns langjährigem Stammkeeper Timo Horn für sich entschieden, profitierte allerdings auch von einer Verletzung sowie der Corona-Infektion Horns. FC-Trainer Steffen Baumgart lässt keinen Zweifel an seiner neuen Nummer eins und auch bei den Fans gibt es aktuell keine Torwartdiskussion. Schwäbe ist auch bei den Kölner Anhängern unumstritten.

Umso erstaunlicher fällt das Fazit einer Datenanalyse aus – und nicht irgendeiner. Global Soccer Network (GSN) ist eine der weltweit führenden Datenscouting-Agenturen im Profi-Fußball. Das Team um den ehemaligen Talentscout der TSG Hoffenheim Dustin Böttger hat bereits Clubs wie Paris Saint-Germain, ManCity oder den FC Chelsea beraten. Böttgers Team analysiert anhand von 12 000 bis 15 000 Daten pro Akteur und Algorithmen mehr als 500 000 Fußballspieler weltweit. Darunter auch die Profis des 1. FC Köln. Seine Analyse zeigt, dass Horn den deutlichen besseren Wert aufweist. So kommt der gebürtige Kölner auf einen GSN-Index von 72,25 und wird damit in die Kategorie „internationale Klasse“ eingeordnet. Schwäbe erreicht einen Wert von 63,46 und ist damit „Bundesliga-Durchschnitt“. Rein nach den Zahlen ist Horn also eher die Kölner Nummer eins.

Unterschied zwischen Fähigkeiten und Performance

„Wichtig ist uns, dass fußballerische Fähigkeiten und Eigenschaften nicht gleichzusetzen sind mit der Performance auf dem Spielfeld“, sagt Böttger. „Weltklassespieler können auch über einen längeren Zeitraum schlecht performen, aufgrund ihrer Fähigkeiten sind sie aber weiterhin Weltklassespieler. Ebenso können Durchschnittsspieler über einen längeren Zeitraum extrem gut performen, sie bleiben aufgrund ihrer Fähigkeiten trotzdem Durchschnittsspieler.“ Laut dem Experten liege die größte Diskrepanz zwischen den beiden Spielern in den fußballerischen Eigenschaften. Untersuchte Attribute sind beispielsweise Reflexe, das Passspiel, die Kommunikation, Beweglichkeit oder die Antizipation. In den meisten Punkten hat Horn die Nase vorn.

1. FC Köln: So bewertet der Datenexperte die Spieler
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So bewertet der Experte die Spieler des 1. FC Köln

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Foto: Herbert Bucco

Dennoch gibt es zwischen Beobachtung und Analyse eine große Diskrepanz. „Der Fokus der Fans liegt meistens ja auf der Performance eines Spielers“, erklärt Böttger, der auch einen „Performance-Score“ errechnet. „Schauen wir uns die zwölf Spiele von Horn aus der Saison 2021/22 an, lag seine Performance-Score bei ordentlichen 56,11 und damit leicht über dem Durchschnitt. Ohne Verletzung hätte es keinen Wechsel geben müssen“, sagt Böttger. Schwäbes Performance-Score lag im Rest der Spielzeit bei 59,85. „Das ist in der Wahrnehmung aller hängen geblieben, Schwäbe hat in der Spielzeit besser performt als Horn“, so Böttger weiter. „In dieser Saison ist aber eingetreten, was sehr oft passiert, wenn Spieler über einen Zeitraum überperformen. Die Leistungen von Schwäbe wurden schwächer. Sein Wert lag nur noch bei 56,04.“ Neben der Performance seien aber eben die Fähigkeiten der Akteure in einer Spielerbewertung unerlässlich. Denn Spieler mit besseren Eigenschaften würden auch auf Dauer besser performen. „Dabei gibt es eine hohe Korrelation zwischen Eigenschaften und Performance. Und da bringt Horn definitiv mehr mit“, sagt Böttger. Und: „Warum Schwäbe dieses Standing hat, ist für uns nur schwer nachvollziehbar. Betrachtet man es wirklich objektiv, ist Horn der deutlich bessere Torhüter.“

Überraschende Werte

1. FC Köln: So viel sind die Spieler des 1. FC Köln wert​
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So hoch ist der Marktwert der Profis des 1. FC Köln

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Auch in der Innenverteidigung sorgt der GSN-Index für eine Überraschung. Luca Kilian wird laut Böttger auf einen Wert von 68,85 eingeordnet, sei damit „Bundesliga-Durchschnitt“. Timo Hübers kommt in der gleichen Kategorie auf einen Wert von 64,39, genauso wie Nikola Soldo mit 62,38. Den besten Wert der Innenverteidiger weist tatsächlich Julian Chabot mit 69,82 auf. Auch hier ist der Eindruck der Öffentlichkeit ein anderer. Wie genau sind die Zahlen der Experten also? „Wir überprüfen in back checks regelmäßig, wie genau unsere Zukunftsprognosen tatsächlich sind“, sagt Böttger. „Unser letzter Check hat ergeben, dass wir knapp über 86 Prozent der Spieler und deren Entwicklung richtig prognostiziert haben. Wir arbeiten jeden Tag an unseren Systemen, um sie weiter zu verbessern. Um damit den Entscheidungsträgern in Clubs eine noch bessere Grundlage bei Verpflichtungen und Transfers zu bieten.“

Ein Beispiel für eine positive Prognose von GSN war beispielsweise die Empfehlung von Riyad Mahrez. „Den Spieler haben wir 2013 einigen Bundesliga-Clubs vorgeschlagen, die allesamt nichts mit ihm anfangen konnten. Im Januar 2014 ist er dann für 500 000 Euro aus der Ligue 2 nach Leicester gewechselt“, erzählt Böttger. 2018 verpflichtete ManCity den Außenspieler für mehr als 60 Millionen Euro. Und beim FC? „Wenn er fit ist, muss Jan Thielmann viel mehr Spielzeit bekommen. Er ist der talentierteste Spieler der Kölner“, sagt Böttger. Laut der künstlichen Intelligenz und den Berechnungen von GSN ist beim FC ein 4-2-3-1-System das erfolgversprechende. Demnach müsste die optimale Aufstellung wie folgt aussehen: Timo Horn - Jonas Hector, Julian Chabot, Luca Kilian, Benno Schmitz - Ellyes Shkiri, Dejan Ljubicic- Linton Maina, Jan Thielmann, Ondrej Duda - Steffen Tigges.

Der Königsweg wird vermutlich eine Mischung aus Theorie, Praxis, aber auch Unwägbarkeiten sein. Wie schon „König“ Otto Rehhagel sagte, liegt die Wahrheit auf dem Platz. Und da haben die vergangenen 15 Monate bewiesen, dass Steffen Baumgart sehr viel richtig gemacht haben muss.

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