Zwischen Freud und Leid FC erlebt eine Achterbahn der Gefühle

Köln · Die Gefühlslage hätte nach der 0:1-Niederlage gegen Wolfsburg kaum unterschiedlicher ausfallen können. Auf der einen Seite die enttäuschten Spieler, auf der anderen die euphorisierten Fans.

1. FC Köln: Der FC erlebt im KAmpf um Europa eine Achterbahn der Gefühle
Foto: IMAGO/Moritz Müller/IMAGO/Moritz Mueller

Jonas Hector konnte die Welle nicht sehen, die sich da in seinem Rücken bedrohlich auftürmte. Der Kapitän des 1. FC Köln saß nach der 0:1-Pleite gegen den VfL Wolfsburg enttäuscht in Höhe des Mittelkreises, hinter ihm stürmten die jubelnden Kölner Fans auf den Platz. Surrealer hätte die Situation wohl nicht sein können. Hier die enttäuschten Spieler, sichtbar leidend. Da die Fans, deren „Europapokal“-Gesangskünste in einer ausgelassenen Feier endeten.

Die so ambivalenten Gefühle waren durchaus verständlich. Die Kölner Spieler waren vor 50 000 Zuschauern 90 Minuten gegen den VfL angerannt, der FC war das deutlich bessere Team, einzig: Ein Tor wollte nicht fallen. Das Spiel erinnerte sehr an das 1:0 vor ziemlich genau einem Jahr gegen den FC Schalke 04. Auch damals war der FC deutlich überlegen, drückte auf das gegnerische Tor. Nur erlöste Sebastiaan Bornauw die Kölner damals mit einem wuchtigen Kopfball in der 86. Minute und rettete den FC in die Relegation.

Dieses Mal blieb das Happy End aus – auf den ersten Blick. Denn während die Spieler auf dem Rasen den vergebenen Chancen hinterhertrauerten, nahten bereits die Fans, denen nicht entgangen war, dass der FC in der kommenden Spielzeit international spielen wird. „Ich weiß selber noch nicht so genau, wie glücklich ich bin, weil wir natürlich enttäuscht sind, dass wir das Spiel verloren haben, was vollkommen unnötig war“, sagte Mark Uth, der nach wochenlanger Topform gegen Wolfsburg nicht ins Spiel kommen wollte. „Wir haben eine hervorragende Saison gespielt und können eigentlich sehr glücklich sein, dass wir es (die Europa-Qualifikation, Anm. d. Red.) geschafft haben.“

Köln zieht erneut ein Powerplay auf

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Das dachten auch die Fans und überraschten Jonas Hector im Mittelkreis. In dieser Sekunde passte zwischen Freud‘ und Leid kein Blatt Papier mehr. Dabei hatte der FC viel investiert. Die Kölner zogen gegen die zunächst heillos überforderten Wölfe ein Powerplay auf, reihten Chance an Chance, belohnten sich aber nicht für die Mühe. Wild gestikulierend forderten Ellyes Skhiri und Uth das Team auf, möglichst nachzulegen, offenbar ahnend, dass sich die Wölfe irgendwann wohl aus der Umklammerung würden befreien können.

Das taten sie. Zunächst vergab Max Kruse kläglich, dann legte der Ex-Nationalspieler dem ehemaligen Kölner Yannick Gerhardt auf. Ausgerechnet Gerhardt erzielte die Gäste-Führung. „Ich weiß nicht, ob es Kopfsache war. Die erste Halbzeit war sehr intensiv, sehr warm. In der Phase, in der wir das Tor bekommen haben, habe ich auch sehr pumpen müssen“, sagte Uth. „Es war sehr anstrengend, aber wir haben eine super zweite Halbzeit gespielt und sind weiter nach vorn gegangen.“

Köln drückte auf den Ausgleich, kassierte zwar einen weiteren Gegentreffer von Luka Nmecha, dieser wurde wegen Abseits jedoch nicht gegeben. Und wieder zogen die Geißböcke ein Powerplay auf. Unter anderem Anthony Modeste und Florian Kainz vergaben jedoch mehrfach. „Wir haben das richtig gut gemacht, hatten viele richtig gute Tormöglichkeiten“, sagte auch Trainer Steffen Baumgart. „Der Unterschied zu den letzten Wochen war, dass wir in den vergangenen Spielen das Tor früh gemacht haben und dieses Mal den Meister in den vielen Beinen gefunden haben, die die Bälle abgeblockt haben.“ So wollte der erhoffte Ausgleich nicht fallen.

Köln trotz Niederlage im Europa-Pokal

Da aber Bayer Leverkusen zur gleichen Zeit die TSG Hoffenheim mit 4:2 bezwang, gab es also doch ein Happy End. Köln sind die Playoffs der Conference League nicht mehr zu nehmen. „Es ist schon komisch, Glückwünsche entgegenzunehmen, weil wir verloren haben. Aber wir haben es geschafft. Letzte Saison sind wir fast abgestiegen, und jetzt haben wir es nach Europa geschafft“, sagte Anthony Modeste, für den das Spiel mit einem Déjà-vu endete. Wie bereits nach dem 2:0-Erfolg 2017 über den FSV Mainz, als sich Köln ebenfalls für Europa qualifizierte, trugen ihn die Fans auf Händen durch das Stadion. „Lieber auf Händen getragen als getreten werden“, sagte der Stürmer und ließ in den Europa-Jubel noch einen interessanten Nebensatz fallen. „Wer hat gesagt, dass ich den Verein verlasse? Niemand. Ich habe Vertrag bis 2023 und genieße die Zeit mit meinen Kollegen“, so der Torjäger.

Auch bei den Kölner Verantwortlichen lagen Freud‘ und Leid denkbar eng beieinander. Freude über die Qualifikation für die Europa-Plätze; Leid, weil die Ansage, den Platz bitte nicht zu betreten, von den Fans komplett missachtet wurde. Die Anhänger gingen in ihrer Freude auf Souvenirjagd, sammelten Rasen, Torpfosten und sogar Werbebanner ein.

Trainer Baumgart konnte die Freude nicht uneingeschränkt teilen. „Mir ist heute zwar nicht zum Feiern zumute, aber wenn ich auf die Tabelle schaue, grinse ich trotzdem in mich hinein“, sagte er. Sehen konnte man davon nichts.

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