Nach Derby-Sieg in Leverkusen Der 1. FC Köln geht mit Schwung auf die Zielgerade

Leverkusen · Der 1. FC Köln feiert einen unerwarteten Sieg im Derby in Leverkusen und den Klassenerhalt. Doch die Baumgart-Elf hat noch Ziele im Schlussspurt.

Kölner Jubel in Leverkusen: Die FC-Profis um Kapitän Jonas Hector (Mitte) tanzen und springen und schreien die Freude über den Derbysieg hinaus.

Kölner Jubel in Leverkusen: Die FC-Profis um Kapitän Jonas Hector (Mitte) tanzen und springen und schreien die Freude über den Derbysieg hinaus.

Foto: dpa/Marius Becker

In Köln machen sie sich in diesen Tagen ausgiebig Gedanken, wie man eine langjährige Führungskraft denn würdig in den selbstgewählten Ruhestand nach einer Fußball-Karriere auf höchstem Niveau zu verabschieden hat. Ellyes Skhiri und Timo Horn werden den ersten Club der Stadt verlassen, das steht fest, vor allem aber der Abschied von Jonas Hector droht ein sehr emotionaler zu werden. Drei Spiele bleiben dem Kapitän noch im Zuge seiner Abschiedstournee, und auch Steffen Baumgart, sein Trainer beim 1. FC Köln, ist sich nicht schlüssig, was passieren wird, wenn am 27. Mai tatsächlich Hectors letzte Stunde im FC-Trikot in der abschließenden Ligapartie gegen Bayern München schlägt.

Dafür werde es nie einen gebührenden Rahmen geben, sagte Baumgart neulich. Er selbst habe „mal ein Schiff gekriegt, als ich gegangen bin. Beim zweiten Mal hab’ ich gesagt: Das Schiff können sie weglassen, ich hab’ schon eins“. Nun ist nicht anzunehmen, dass der Verein einem der besten Fußballer, der je beim FC gespielt hat, mit einem Schiffchen abspeisen wird. Aber Hector steht ja ohnehin nicht in Verdacht, im Mittelpunkt des Interesses seinen natürlichen Lebensraum zu finden. Um einen würdigen Abschied kümmert sich der fast 33-Jährige schon selbst. Auch mit seiner erneut bärenstarken Vorstellung trug der Linksverteidiger dazu bei, dass der FC das Nachbarschaftsduell mit Bayer Leverkusen durch das 2:1 mit drei Punkten auf der Habenseite abschloss und den Klassenerhalt einen Tag später aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenz entspannt feiern konnten.

FC-Profis feiern lange vor der Fan-Kurve

Tatsächlich feierten die Kölner gemeinsam mit ihren mehr als 7000 Fans zunächst ausgelassen in Leverkusen. Sie tanzten noch lange nach dem Schlusspfiff vor den glückseligen Anhängern in der Kurve, die sie gar nicht in die Kabine verabschieden wollten. Da wartete später schon das Bier. Das hatten sich die Spieler verdient, die gegen Leverkusen mit der gewohnt riesigen Portion Einsatz und Leidenschaft beeindruckten – sie liefen zusammen bemerkenswerte 127 Kilometer (fast sieben mehr als das Bayer-Team). Der enorme Aufwand fand diesmal auch im Ertrag Ausdruck, den süßen Sieg gegen den alten Rivalen sicherte Davie Selke mit seinen beiden Toren (14., 36.), bei einem Gegentreffer durch Amine Adli (28.). Es war ein rauschhafter Sieg.

Und Selke eine der Hauptfiguren dieses vollständigen Triumphes beim Nachbarn, der nach 14 Spielen erstmals wieder eine Niederlage kassierte. Seine Gegenspieler rieben sich an ihm, seine Mitspieler richteten sich auch an ihm und seinem impulsiven Einsatz auf. „Vielleicht hatte es mit dem Derby zu tun – vielleicht aber auch mit seiner Art, Fußball zu spielen. Man kann sich davon selbst ein Bild machen. Viele Situationen waren mir ein bisschen zu wenig und zu theatralisch“, sagte Leverkusens Mittelfeldkämpfer Robert Andrich über seine andauernden Diskussionen mit Selke. „Das habe ich dann öfter mal kundgetan.“ Auch Selke tat nach dem Duell mit dem Nachbarn, um das es zuvor viel Aufregung wegen der Spielvorverlegung gegeben hatte, etwas kund. Von einem Motivations-Booster durch das Bayer-Vorgehen wollte er jedoch nichts wissen. Für ein Derby brauche man keine Extra-Motivation, sagte der Derby-Held. „Derby-Siege schmecken immer super.“

Selke schwingt sich zum Anführer auf

Ein wenig Genugtuung schwang dabei natürlich mit, denn es war ein hitziger Abend in Leverkusen. Doch bei aller Aufgeregtheit rund um das Spiel und währenddessen, anschließend wirkte Baumgart erstaunlich gefasst, als er feststellte: „Das war ein sehr gutes Spiel meiner Jungs. Wir haben gegen eine gute Leverkusener Mannschaft nicht unverdient gewonnen. Wir freuen uns, dass Davie im richtigen Moment an der richtigen Stelle stand. Dafür haben wir ihn geholt.“

Mit diesem Derbysieg sind die Kölner nun mit Schwung aus der letzten Kurve auf die Zielgerade einer schwierigen Saison eingebogen, in der entscheidende Spieler ersetzt werden mussten. Zudem gab es die Belastung mit dem Abenteuer Europa, zuletzt die Verunsicherung durch die drohende Transfersperre und die anstehenden Abschiede weiterer Leistungsträger. Eine neue Führungsstruktur innerhalb der Mannschaft wird sich finden müssen. Selke wäre ein Kandidat mit Führungsanspruch.

Die Stimmung nach dem Spiel und das Feiern mit den Fans in der Kurve seien „einfach überragend. Wir sind mega happy, dass wir den Fans, die uns immer so unterstützen, den Derby-Sieg schenken konnten“, sagte er. Es sind eben genau solche Erfahrungen und Erlebnisse, die etwa Jonas Hector einen würdigen Abschied vom FC bereiten. Da bedarf es keines Schiffchens am letzten Spieltag.

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