Überzeugender Sieg gegen Dortmund Der FC hat die Modeste-Lücke gefüllt

Köln · Der 1. FC Köln hat ein spektakuläres Spiel gegen Favorit Borussia Dortmund gewonnen – dank Leidenschaft, Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein.

Die Hände zum Himmel: Die FC-Profis feiern den spektakulären Sieg gegen Dortmund.

Die Hände zum Himmel: Die FC-Profis feiern den spektakulären Sieg gegen Dortmund.

Foto: dpa/Marius Becker

Als Steffen Baumgart durch die Mixedzone des Kölner Stadions schritt, breitbeinig wie ein Outlaw auf der sandigen Straße vor dem Saloon, scheinbar jederzeit zum Duell bereit, mochte man ihm lieber nicht im Wege stehen. Doch weder hatte er einen Revolver in seinem Holster stecken noch ist er ein Gesetzloser, er ist vielmehr, das hat sich in seinem mehr als einem Jahr als Trainer des 1. FC Köln deutlich gezeigt, das Gesetz auf sportlicher Ebene – und nach dem hat sich jeder zu richten. So wollte auch Steffen Tigges nicht widersprechen, als Baumgart ihn aufforderte, das laufende Interview doch schleunigst zu beenden, damit die Journalisten eiligst zur obligatorischen Spieltags-Pressekonferenz nach dem Duell mit Borussia Dortmund erscheinen können. Baumgart wollte in den verdienten Feierabend, also forderte er von dem den hünenhaften Tigges furchtlos: „Mach‘ nicht so lange, ich will nach Hause.“

Mit gespieltem Ernst ohne eine Miene zu verziehen zog der Trainer dann zum nächsten Rededuell, nachdem er bereits einem TV-Team in den Katakomben des Stadions ein Spiel erklärt hatte, das seine zunächst unterlegene Mannschaft durch einen furiosen Auftritt nach der Pause verdient für sich entschieden hatte. Der 3:2-Sieg hatte viele Geschichten zu erzählen, etwa die von den unbeugsamen Kölnern, die erfolgreich Widerstand leisten gegen eine scheinbare Übermacht wie die berühmten Gallier – nur ein Zaubertrank wurde noch nicht entdeckt in Müngersdorf.

Baumgart nimmt Modeste in Schutz

Und natürlich erzählt die Geschichte des Spiels auch von jenen Spielern, für die es ein Wiedersehen gab mit ihren früheren Kollegen. Der lange Arm des Trainers reicht dabei offenbar bis in die Vergangenheit, denn auch Anthony Modeste, vor der Saison vom FC zum BVB gewechselt, konnte sich dem Willen seines Ex-Trainers nicht entziehen. Der hatte den Franzosen vor dem Spiel aufgefordert, ihn doch gefälligst in die Arme zu nehmen. Und Modeste gehorchte prompt – wohl auch aus alter Verbundenheit. Was dem Torjäger a.D. zur Zeit selbst nicht gehorcht, ist sein eigener Torinstinkt, denn seinem bislang einzigen Saisontreffer konnte er an alter Wirkungsstätte keinen zweiten hinzufügen; eine Tatsache, die dem Kölner Publikum, das seinen früheren Liebling permanent mit Pfiffen überzog, durchaus zugesagt haben dürfte.

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Baumgart ergriff nach der Partie, die er als „Fußballfest“ feierte, vehement Partei für seinen früheren Spieler Es sei nicht in Ordnung, sagte er, „was auf ihn einprasselt. Er ist ein Spieler, einer von vielen. Er ist nicht für die Krise von Borussia Dortmund verantwortlich“. Und einmal in Fahrt, zog er dann doch den Revolver, er legte nach: „Das an einer Person festzumachen, ist nach Ausreden suchen. Das akzeptiere ich nicht. Er ist ein Mensch, der sehr wichtig für uns war, auch wenn er den Verein verlassen hat.“ Seine Qualität, das sagte Baumgart deutlich, „fehlt uns“.

Talente sollen gefördert werden

Wer wollte, konnte dies als Kritik an der aktuellen Sturmbesetzung verstehen. Doch wer den Trainer kennt, weiß, dass solche Aussagen seinen Profis als Ansporn dienen sollen. Seinen Talenten und Hoffnungsträgern wie Denis Huseinbasic und Florian Dietz, die sich ja erst über die Regionalliga herangedient hatten, will und muss er eine Form verpassen, die für konstant höhere Bundesliga-Ansprüche geeignet ist. Zu jenen Vertretern, die angespornt und angeleitet werden müssen, zählt auch Tigges, der mit seinem Treffer zum 2:1 nach 0:1-Rückstand den Weg geebnet hatte zum dritten Saisonsieg. Es war eine exakte Kopie seines Tores, das er vor einem Jahr erzielt hatte – damals noch im Trikot des BVB; gegen Köln. Eckball, Kopfball, Tor, so leicht kann es offenbar manchmal gehen, und Tigges erkannte: „Das Tor war fast identisch mit dem Tor, das ich vor einem Jahr gegen den FC gemacht habe. Ich habe damals im Prinzip einmal geübt, um das heute wieder so zu machen.“ Die selbstgewählte Bescheidenheit verließ er aber auch nach seinem ersten Saisontreffer nicht. Zumal ihm der gegen seine „alte Liebe“ gelang. „Bei meinem Tor wollte ich Respekt zeigen“, sagte der lange Stürmer. „Ich denke aber, dass man gesehen hat, dass ich mich gefreut habe.“

Tatsächlich blieb das dem Beobachter nicht verborgen, ebenso wie diese Kölner Leidenschaft, nie aufzugeben. Das ist Baumgarts Verdienst, und es hat sich gezeigt, dass der Qualitätsunterschiede, den der BVB in der ersten Hälfte auf den Platz brachte, kein Maßstab für den Ertrag sein muss. Ein Vortrag voller Hingabe war es, den die Kölner zu einem „geilen Spiel“ (Baumgart) beitrugen. Die offensive Spielidee des FC birgt zwar einige Risiken, erhöht aber offenbar die Aussicht auf Erfolg. Und genaugenommen ist die Lücke, die Modeste durch seinen Weggang riss, längst gefüllt. Nicht durch die überragende Qualität eines einzelnen Angreifers, sondern durch das Kollektiv, das Baumgart bekanntlich als wertvolles Gut erachtet. Nach acht Spieltagen weist der FC schon 14 Treffer auf der Habenseite auf, zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison war es einer weniger – mit Modeste, der den FC mit 20 Treffern insgesamt in den Europacup führte.

FC macht Qualitätsunterschied im Kollektiv wett

Die Last der Verantwortung beim FC ruht nun nicht mehr nur auf einem einzigen Spieler, sondern auf der gesamten Offensive. Die Produktivität kann sich sehen lassen. In Florian Kainz und Dejan Ljubicic weisen zwei Spieler mit drei die meisten Treffer bei den Kölnern auf, die übrigen verteilen sich auf sechs Spieler (dazu gab es zwei Eigentore). Die beiden Österreicher, denen eine bislang ausgesprochen gelungene Saison attestiert werden muss, waren auch gegen Dortmund zur Stelle. Vor allem Ljubicic geriet nach dem Festakt ins Schwärmen. Es sei einfach wunderschön, in diesem Team zu spielen, sagte er, „nach dem 3:1 vor der Kurve, das sind besondere Momente. Wenn ich mit Fußballspielen aufhöre, werde ich mich daran erinnern“.

Im Grunde ist es Steffen Baumgart, wie wohl jedem Trainer gleich, wer die Tore schießt oder köpft und sei es er Gegner. Torschütze Kainz etwa und der gegen Dortmund überragende Kapitän Jonas Hector haben, trotz ihrer „hohen Qualität“, die der Trainer ihnen zuspricht, vor allem eines: „Spaß am Arbeiten“, wie Baumgart sagt, der dann aber das Spielfeld der Ehre in Köln nach der Pressekonferenz rasch verließ. Er wollte ja nach Hause.

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