Abschied auf Raten 1. FC Köln: Die Trennung von Markus Gisdol war eine Frage der Zeit

Köln · Um kurz vor Mitternacht hat der 1. FC Köln die Trennung von Markus Gisdol bekannt gegeben. Eine folgerichtige Entscheidung. Die Nachfolge übernimmt Friedhelm Funkel.

Abschied auf Raten: 1. FC Köln: Die Trennung von Markus Gisdol war eine Frage der Zeit
Foto: dpa/Federico Gambarini

Die offizielle Bestätigung erfolgte erst wenige Minuten vor Mitternacht: "Der 1. FC Köln hat die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Markus Gisdol beendet", hieß von Seiten des Clubs. Die Vereinsbosse informierten zu später Stunde über die Trainer-Trennung, die nach der 2:3-Niederlage im Abstiegsgifel gegen Mainz erwartet, nach der Maschinerie des Geschäfts unausweichlich, vielleicht aber auch überfällig war.

Sechs Mal stand der Kölner Coach vor einem vermeintlichen Endspiel, immer wieder riss er seinen Kopf aus der Schlinge, nach der 2:3-Niederlage zogen die Verantwortlichen trotz gutem Spiel der Kölner die Reißleine. „Obwohl die Leistung heute wieder gut war, haben wir keine Punkte geholt. Das war eine bittere Niederlage“, sagte FC-Sportdirektor Horst Heldt. „Wir müssen Ergebnisse erzielen. In dieser Hinsicht haben wir in den letzten Wochen stagniert.“ Umso erstaunlicher, dass Gisdol Endspiel um Endspiel erhielt.

Schwache Bilanz von FC-Trainer Markus Gisdol

Denn die Bilanz des Trainers sprach nicht für ihn. Gisdol holte mit den Geißböcken im Schnitt nur 1,07 Punkte pro Spiel. Im Winter 2019 hatte der heute 51-Jährige den FC übernommen und mit einer beeindruckenden Serie vor dem Abstieg bewahrt. Mit den Geisterspielen im März 2020 begann aber eine ebenso beeindruckende Negativserie. 18 Spiele in Serie blieb Köln ohne Erfolg, hielt mit Glück die Klasse und befand sich in der neuen Spielzeit von Beginn an in höchster Abstiegsnot.

Erst der 2:1-Triumph über Borussia Dortmund Ende November 2020 brachte eine kurzfristige Wende und rettete Gisdols erstmals den Job. Zuletzt gewann Köln im Derby gegen Gladbach vor zwei Monaten. Ein weiteres Endspiel, das Gisdol vor dem Aus bewahrte. Bis zu diesem Zeitpunkt setzte der Coach taktisch eher auf Zerstören, anstatt auf Risiko – auch gegen Mannschaften auf Augenhöhe. Erst in den vergangenen Spielen stärkte Gisdol die Offensive.

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Zwar zeigte der FC in der Folge auch gegen Dortmund und Wolfsburg durchaus gute Leistungen, für einen Sieg reichte das aber nicht. Auch, weil dem FC im Angriff die Qualität fehlt. Simon Terrode, Jhon Cordoba wurden im Sommer, Anthony Modeste im Winter abgegeben. Die Neuverpflichtungen Sebastian Andersson, Emmanuel Dennis und Tolu Arokodare konnten die Lücken nicht füllen. Dafür verfügte der Kölner Trainer über ein Überangebot im zentralen Mittelfeld. Warum mit Max Meyer ein weiterer Spieler für diese Position im Winter geholt wurde, bleibt offen. Bei der Kaderzusammenstellung und der Nachjustierung im Winter wurden jedenfalls eklatante Fehler gemacht. Diesen Schuh muss sich Gisdol allerdings nicht alleine anziehen.

Dazu kam auch noch Verletzungspech: Florian Kainz verletzte sich bereits in der Vorbereitung und fiel zwei Drittel der Saison aus, Sebastian Andersson kam zunächst nicht in Tritt und fehlte dann gut zwei Monate. Gegen Mainz begannen die Rekonvaleszenten von Beginn und stärkten das Kölner Spiel zweifelsfrei. „Wir sind Markus sehr dankbar. Er hat hier im November 2019 in einer nahezu aussichtslosen Situation übernommen und mit einer sensationellen Serie bis zum Beginn der Pandemie den Grundstein für den Klassenerhalt gelegt – und diesen zusammen mit unserem Team erreicht“, sagte Heldt.

Neuer Coach Friedhelm Funkel steht vor schwerer, aber lösbarer Aufgabe

Dass die gute Leistung des FC gegen Mainz nicht zu einer weiteren Nachspielzeit des Kölner Trainers reichten, zeigten bereits die Reaktionen unmittelbar nach dem Schlusspfiff. Jonas Hector saß vor einer Bande, die Hand vorm Gesicht, der Blick starr. Gegenspieler Danny da Costa setzte sich neben den Kölner Kapitän, spendete Trost. „Wir reißen uns jede Woche den Arsch auf, bringen uns selbst um den Lohn“, sagte Hector. „Wir haben gerade ein Spiel verloren, da denke ich nicht daran, ob ich im Mai mit dem 1. FC Köln absteige.“ Nur wenige Meter entfernt saß Timo Horn in seinem Tor, aus dem er wenige Minuten zuvor den Ball holen musste, nachdem Leandro Barreiro zum 3:2-Endstand getroffen hatte. Sprachlos, fassungslos. Auch er ahnte vermutlich bereits, dass diese Niederlage nicht nur tabellarische Folgen haben würde. Und auch Gisdol gab auf der obligatorischen Pressekonferenz einen angeschlagenen Eindruck ab.

Und als Sportdirektor Horst Heldt die geplanten Interviews beim Fernsehsender „Sky“ absagte und sich die Vereinsbosse in eine Loge zurückzogen, war der Abschied von Markus Gisdol nur noch eine Formsache. Vier Stunden nach der Niederlage wurde die Trennung offiziell verkündet. „Die Mannschaft, mein Trainerteam und ich haben bis zuletzt alles investiert, um mit guten Leistungen zu guten Ergebnissen zu kommen. Das ist uns nach dem Derby nicht mehr geglückt“, sagte Gisdol nach seinem Aus. „Die Mannschaft hat unter schwierigen Bedingungen, die uns seit Saisonbeginn begleiten, immer alles gegeben. Ich wünsche meinen Jungs für den Saisonendspurt alles Gute und drücke ihnen und dem FC die Daumen, damit sie in der Bundesliga bleiben.“

Dafür soll Friedhelm Funkel sorgen. Das gab der 1. FC Köln am Mittag bekannt. „Friedhelm hat nicht nur große Erfahrung, sondern ist auch mit solchen Situationen absolut vertraut. Er wird unsere Mannschaft bis zum Saisonende führen, mit dem Ziel, den Klassenerhalt zu erreichen“, sagte Heldt. Der Verein hatte dem Vernehmen nach schon im März Gespräche mit potentiellen Nachfolgern geführt. Schon damals geisterte der Name Funkel durch die Schlagzeilen.

Der 67-Jährige hatte den FC bereits im Februar 2002 übernommen. Damals stand Köln vor dem Abstieg. Zwar fiel die Bilanz des Trainers positiv aus, den Abstieg konnte Funkel nicht verhindern. Dem Coach gelang mit dem FC der direkte Wiederaufstieg. Nach schwachem Saisonstart musste Funkel aber im Herbst 2003 wieder die Koffer packen. Nun darf er in Köln einmal mehr dem Ruf des Feuerwehrmanns gerecht werden. Offenbar aber nur bis zum Saisonende. Dann soll ein neuer Trainer folgen. Steffen Baumgart und Peter Stöger werden gehandelt, falls der FC die Klasse hält. Die Aufgabe wird nicht leicht, ist aber nicht unlösbar. „Die Mannschaft hat zuletzt gute Leistungen gezeigt, sich aber nicht belohnt. In der Zusammenarbeit mit den Jungs gilt es ab sofort, mit dem gleichen Einsatz die notwendigen Punkte zu holen, um in der Liga zu bleiben“, sagte Funkel. Allerdings stehen zunächst die schweren Spiele gegen Leverkusen und Leipzig auf dem Programm.

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