1:6-Debakel in Dortmund Für schwachen FC rückt Abstiegskampf immer näher

Dortmund/Bonn · Der 1. FC Köln muss sich nach dem 1:6 bei Borussia Dortmund in der Tabelle weiter nach unten orientieren. Einer der schwächsten Saison-Auftritte lässt Trainer Steffen Baumgart ratlos zurück.

Freud‘ und Leid: Während die Dortmunder jubeln, ist FC-Torhüter Marvin Schwäbe nach dem 1:6 bedient.

Freud‘ und Leid: Während die Dortmunder jubeln, ist FC-Torhüter Marvin Schwäbe nach dem 1:6 bedient.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Wer das Wirken des Trainers Steffen Baumgart etwas genauer verfolgt, dem dürfte nicht verborgen bleiben, dass er auf Journalistenfragen bisweilen recht, na ja, eigenwillig antwortet. Aus seiner Sicht nicht angemessenen Erkundigungen nach bestimmten Einschätzungen, zumal in seinem Fachgebiet Fußball, kann er schon mal etwas unwirsch begegnen. Das musste nun am Samstagabend auch ein bedauernswerter Reporter des TV-Senders Sky erfahren, der die Ursachen und die Umstände der deftigen 1:6-Niederlage des 1. FC Köln bei Borussia Dortmund näher beleuchten wollte. Was sei schiefgelaufen, wollte der Fernsehmann also wissen. „Alles“, zischte Baumgart. Punkt. Was er damit genau meine? „Gar nichts“, antwortet der Kölner Trainer, „du hast die Frage so gestellt. Wir haben heute den Arsch vollgekriegt.“ Und: „Das ist einfach so.“

Aha. Doch noch hatte der Fragesteller einige Schritte hinzuzufügen bei seinem Tanz auf dem Vulkan. Schließlich hatten die Kölner ja im Hinspiel beim 3:2 gezeigt, wie dem Spitzenteam aus dem Revier beizukommen ist, der Reporter erkannte darin eine Blaupause. Das war offenbar zu viel für Baumgart. „Blaupause im Fußball? Ich weiß ja nicht, was ihr für Blaupausen habt. Ich habe keine Blaupause.“ Tatsächlich aber hätte die erste Begegnung zwischen den beiden Teams Anfang Oktober dem FC als Anschauungsmaterial dienen können, welches die Mittel der Wahl hätten sein müssen gegen den BVB. Doch von diesem Gemeinschaftssinn, den die Kölner damals offenbarten, der Leidenschaft, im Kollektiv dem Gegner zu begegnen, waren sie am Samstag in Dortmund so weit entfernt wie von der vierten deutschen Meisterschaft.

FC zeigt Zweikampfschwäche

„Sie haben uns auf eine gewisse Art und Weise auseinandergenommen“, sagte Torhüter Marvin Schwäbe, der selbst einen ungewohnt schwachen Vortrag bot, und führte dies auch auf mangelnde Qualität in den direkten Duellen zurück. In der ersten Halbzeit sei man „nicht in die Zweikämpfe gekommen“ und „einfach einen Schritt zu spät“. Insbesondere auf der linken Kölner Seite mit Jonas Hector, der als Kapitän die Havarie auch nicht zu verhindern wusste, und dem erneut wenig überzeugenden Florian Kainz hatten die furiosen BVB-Offensivkräfte um den pfeilschnellen Donyell Malen derart viel Platz, dass selbst klaustrophobisch veranlagte Menschen in einen Zustand völliger Beruhigung versinken konnten. Die Dortmunder Freiräume aber zogen sich über den gesamten Platz, und sie wurden im Zusammenspiel mit der bedenklichen Zweikampfführung der Kölner zu einer Einladung fürs Toreschießen, die der BVB lustvoll nutzte. Die Abwehrzentrale mit Timo Hübers und Jeff Chabot, die eigentlich dem ganzen Gerüst Stabilität verleihen sollte, zeigte sich schlicht überfordert. Bezeichnend, dass sich Chabot vor dem 0:1 von Malen, der ihm den Ball durch die „Hosenträger“ schob, verladen ließ wie beim Schulhofkick.

Die Dortmunder Tore durch Raphael Guerreiro, Sebastien Haller (2) Malen und Marco Reus (2) waren nicht nur Ausdruck der Stärke des Titelkandidaten, sondern auch der Anfälligkeit des Gegners. Das Ergebnis habe „zu unserer Leistung gepasst“, befand Thomas Kessler. Zwar ließ sich auch der FC beständig in der Offensive blicken, doch sobald der schwarz-gelbe Express Fahrt aufnahm, griff die Kölner Überforderung um sich. So sprach der Leiter des FC-Lizenzspielerbereichs von einem „der schlechtesten Spiele der Saison“. Man habe im Kollektiv verloren, „da nehmen wir keinen Einzelnen raus“, sagte er.

Erstes Selke-Tor kein Anlass zur Freude

Es scheint, als sei der Baumgart-Elf ihre Stärke in dieser Phase der Saison abhandengekommen, indem sie ihre bislang offen vorgetragene Geschlossenheit und Aggressivität im Kölner Karneval gelassen hätte. Was gefehlt habe, fasste FC-Geschäftsführer Christian Keller zusammen, „war, im Kollektiv geschlossen gegen den Ball zu agieren, eigentlich unsere Stärke. Wenn du gegen einen so spiel- und formstarken Gegner eben nicht geschlossen versuchst, hoch zu attackieren, tun sich Lücken auf“. Bei solchen Versäumnissen auf diesem Niveau ist es auch müßig, darüber zu debattieren, ob den Kölnern zu Recht ein Elfmeter verweigert wurde nach einem offensichtlichen Handspiel Guerreiros.

Nicht einmal Davie Selke war angesichts der ernüchternden Vorstellung ein Hauch von Freude zu entlocken. Immerhin hatte der Winterzugang das erste FC-Tor nach geschlagenen sechs Stunden und 46 Minuten und das erste Stürmertor nach 13:58 Stunden möglich gemacht. Die Stürmerminutenzahl gehe ihm „auf den Sack“, wetterte er, sein erstes FC-Tor sei „ein schwacher Trost“. Ob sich Baumgart denn wenigstens über das Erfolgserlebnis seines Angreifers freue: „Nein“, sagte er, „das ist Quatsch, Blödsinn.“

Nach Länderspiel-Pause gegen Gladbach

Freude kommt gewiss auch nicht auf beim Blick auf die Tabelle. Der Vorsprung auf die Plätze im Tiefparterre schrumpft zusehends. Nach der Länderspielpause gilt es, ein weiteres Abrutschen zu verhindern. Gegner im rheinischen Derby wird Borussia Mönchengladbach in zwei Wochen sein. Und auch im Hinblick auf die anstehende Liga-Ruhephase gibt es bei den Kölnern kein kollektives Vorgehen. Während Selke davon sprach, eine Länderspielpause komme nie gelegen, „ich hätte gerne sofort weitergespielt“, erkennt Hector darin eine lohnende Pause. „Ich denke, dass es uns guttut, in der nächsten Woche kein Bundesliga-Spiel zu haben“, sagte der Kapitän, „damit wir uns mal ein paar Gedanken machen können.“

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