Sportchef des 1. FC Köln im Interview Für Horst Heldt ist der „Klassenerhalt kein Selbstläufer“

Köln · Fest überzeugt davon, den Klassenerhalt mit dem 1. FC Köln zu schaffen, ist Horst Heldt. Joachim Schmidt traf sich mit dem neuen Sportchef zum Interview - in dem Heldt auch verrät, was es mit seinem unfreiwilligen Abgang als FC-Profi 1995 auf sich hatte.

 FC-Sportchef Horst Heldt.

FC-Sportchef Horst Heldt.

Foto: Costa Belibasakis

Herr Heldt, im Juli besuchten Sie den 1. FC Köln im Trainingslager in Kitzbühel und sahen sich auch das Testspiel gegen Villareal an. Gab es da Gedanken an eine Rückkehr zum 1. FC Köln?

Horst Heldt: (lacht) Nein, das war schon viel früher. Ich wollte ja seit meinem unfreiwilligen Weggang als FC-Profi – wenn es 1995 nach mir gegangen wäre, wäre ich geblieben – wieder zurückkommen. Diesmal war es tatsächlich so, dass Armin Veh sich im Sommer noch nicht entschieden hatte, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Erst einen Tag, bevor das öffentlich wurde, bin ich darüber informiert worden. In Kitzbühel habe ich nur vorbeigeschaut, weil es nicht weit von meinem Wohnort bei München entfernt war, weil ich Armin besucht habe und sonst nichts zu tun hatte (lacht).

Sie standen zu dieser Zeit aber auch noch bei Hannover 96 unter Vertrag, oder?

Heldt: Jein. Vielleicht kann ich jetzt einmal richtigstellen: Meine Kündigung war kein abgekartetes Spiel. In meinem Vertrag mit Hannover 96 gab es eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. Als man mich im April dieses Jahres freistellte, wurde mir gekündigt. So war ich vertragsfrei und hätte jederzeit ein neues Engagement annehmen können. Ich wollte aber eine absolute Rechtssicherheit. Deshalb habe ich mich Ende September schriftlich mit Hannover geeinigt. Es gab auch andere Möglichkeiten für mich, unter anderem einen Kontakt nach England. Umso schöner ist es, dass ich jetzt bei meinem Club arbeiten kann.

Sie sagten, die Lage beim FC sei kritisch. Wie kritisch?

Heldt: Ich glaube, dass es notwendig ist, allen zu verdeutlichen, dass es kein Selbstläufer wird, den Klassenerhalt zu schaffen. Ich spüre einen gewissen Fatalismus in der Stadt. Ein Mantel des Ergebens hat sich über alles gelegt. Da ist dieses Gefühl: Es ist, wie es ist, wir gehen dem nächsten Abstieg entgegen. Deshalb ist es unser aller Aufgabe, alle Kräfte zu bündeln, um das zu verhindern.

In vorderster Reihe stehen aber die Spieler.

Heldt: Nicht alleine die Spieler und der Verein, sondern jeder, der sich mit dem FC identifiziert, muss gewillt sein, auch in der nächsten Saison wieder in die Erstligastadien zu fahren. Auch die Medien können ihren Beitrag leisten.

In welcher Weise?

Heldt: Indem beispielsweise nicht geschrieben wird, das Spiel am Samstag gegen Augsburg habe Endspielcharakter. Danach kommen noch 21 Spiele. Wir sind alle sind gut beraten, Ruhe zu bewahren. Es ist wichtig, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen.

Was können Sie aktuell tun, um zu helfen?

Heldt: Den Spielern Hilfestellungen geben, ihnen Mut zusprechen. Sie müssen überzeugend agieren, was sie zurzeit nicht tun. Im klassischen Sinn kann ich als Manager erst während der Transferperiode im Januar eingreifen.

Ist das geplant?

Heldt: Vielleicht. Das ist auch eine Frage des Geldes. Und es muss passen. Ich könnte es mir einfach machen und im Januar fünf neue Spieler fordern. Wir werden herausfinden, was möglich ist. Es könnte hilfreich sein, ist aber kein Alleinmittel.

Die Planungen für die nächste Spielzeit erschwert die aktuelle Situation natürlich auch.

Heldt: Stimmt. Auch da muss man die Aufgeregtheit herausnehmen. Planungssicherheit ist natürlich gut. Sie ist aber nur bedingt möglich. Selbst wenn man in die Relegation müsste, würde ich mich nicht verrückt machen lassen.

In Leipzig sagten Sie, Sie hätten einige Erkenntnisse gesammelt, wollten die aber erst intern ansprechen. Das wird geschehen sein. Dann könnten Sie sie ja jetzt öffentlich machen.

Heldt: Könnte ich, tue ich aber nicht (lächelt). Es ist wichtig, Dinge klar anzusprechen. Nicht, um jemanden an den Pranger zu stellen, sondern um etwas zu verbessern. Deshalb muss man Unangenehmes ansprechen. Man muss es jedoch nicht öffentlich machen. Aber eins will ich klarstellen: Ich bin von diesem Kader überzeugt. Ich schenke diesen Spielern Vertrauen.

Welchen Eindruck hatten Sie denn im Sommer beim Besuch im Trainingslager von dem Kader?

Heldt: Es ist eine intakte Mannschaft. Das ist immer noch der Fall. Es ist ein Kader mit Perspektive, mit vielen jungen Spielern. Vielleicht ist die Mannschaft zu brav. Aber das ist die heutige Generation grundsätzlich. Es ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Kritik ist notwendig. Sie soll nicht verletzen, sondern dafür sorgen, dass man besser wird. Wir müssen die Mannschaft dazu befähigen, im Abstiegskampf zu bestehen.

Mangelt es der Mannschaft an einer Hierarchie?

Heldt: Zu meiner Zeit waren die Hierarchien eindeutiger, heute sind sie flacher. Deshalb schreie ich jetzt aber nicht nach Führungsspielern. Jeder soll sich einbringen, egal, ob er Jung oder Alt, aus Köln oder woanders her kommt, ob er Stammspieler ist oder nicht. Ich brauche niemanden, der in der Öffentlichkeit wild gestikulierend herumläuft. Das ist nur Theater. Wichtig ist, dass alle ihre Rolle finden und einnehmen.

Fehlt der Mannschaft die Widerstandsfähigkeit?

Heldt: Diese Frage haben sich Markus Gisdol und ich auch gestellt. Die Antwort erhalten wir aber nicht nach einer Woche Training. Es ist eine spielende Mannschaft. Das ist im Abstiegskampf nicht immer gefragt. Wir müssen uns mehr wehren.

Aber auf was war der 1. FC Köln denn sonst ausgerichtet, als auf den Kampf um den Klassenerhalt?

Heldt: Ich weiß nicht, ob das Umfeld hier das hören will. Als Fahrstuhlmannschaft hätte man es sagen müssen. Aber hier in Köln stelle ich mir das nicht so einfach vor.

Nach wie vor sind Sie aber überzeugt davon, mit diesem Kader den Klassenerhalt zu schaffen, oder?

Heldt: Das bin ich. Selbst in der Kürze der Zeit haben Markus Gisdol und ich Ansätze gefunden. Auch wenn sie vielleicht noch nicht direkt fruchten. Wir wissen, an welchen Schrauben wir drehen müssen.

Heldt: Tony ist als Messias verabschiedet und als Heilsbringer zurückgeholt worden. Ganz Köln hat gefeiert. Es nicht in Ordnung, dass man sich jetzt auf ihn einschießt. Er konnte sechs Monate lang nicht spielen. Dann ist vor einem Jahr sein Vater gestorben. Tony ist ein sehr feinfühliger, sensibler Mensch. Das hat ihn sehr getroffen. Damit er wieder Tore schießt, müssen wir ihn aufbauen.

Kann es hilfreich sein, dass der Club erst vor eineinhalb Jahren letztmals abgestiegen ist?

Heldt: Ja. Man muss die damalige Situation als Vorteil und nicht als Nachteil ansehen, weil wir aus dieser Erfahrung sehr viel lernen können.

Wieviel Zeit können Sie sich denn nehmen, um die Mannschaft zu ordnen und zu stabilisieren?

Heldt: Wir müssen uns Zeit nehmen, ganz klar, aber dürfen es auch nicht übertreiben. Es geht darum herauszufinden, was der Mannschaft am schnellsten hilft, womit sie sich am wohlsten fühlt. Letztlich müssen alle bereit sein, den Kampf anzunehmen.

Sie sprachen Eitelkeiten an, die dem Projekt im Weg stehen könnten. Wie eitel ist die Mannschaft denn?

Heldt: Eitelkeit ist ein Stück weit notwendig. Die Mannschaft und der Club dürfen da natürlich nicht drunter leiden. Dann ist Eitelkeit Gift.

Wie sieht es mit den Möglichkeiten aus, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs einzubauen? Drei von ihnen kamen ja bereits zum Einsatz.

Heldt: Wir haben eine sehr gute Nachwuchsschulung und eine gute Verzahnung zwischen Nachwuchs-Leistungszentrum und Profi-Abteilung. Junge Spieler können sehr erfrischend sein, für die Mannschaft, für das Publikum. Markus Gisdol ist immer bereit gewesen, junge Spieler weiterzuentwickeln, er hat den Mut und ein Händchen dafür. Die Tür ist für jeden offen. Mittel- und langfristig ist das für den 1. FC Köln sehr werthaltig.

Wie gehen Sie mit Ihrer Rückkehr zum FC am Samstag nach fast 25 Jahren um?

Heldt: Ich freue mich darauf! Ich kenne es ja als Spieler, als Zuschauer und als Gast. Ich wünsche mir, dass wir so agieren, dass der Funke überspringt. Wir werden auch bestimmt Phasen haben, in denen es mal nicht so läuft. Da entscheidet es sich, ob die Fans weiter hinter uns stehen.

Gibt es Anzeichen dafür, dass sich manche Fans gegen die Mannschaft stellen?

Heldt: Das glaube ich nicht. Ich bin zwar in Königswinter geboren und fühle mich als Kölner, aber ich maße mir niemals an, dieses Herzblut zu empfinden, wie es ein Fan kann. Ich muss mich allerdings mit der Unzufriedenheit von Fans auseinandersetzen, beispielsweise bei einem Fan-Treffen. Da kann berechtigte Kritik kundgetan werden. Aber nicht im Stadion. Da ist man eine Einheit. Das hat den 1. FC Köln und seine Fans ausgezeichnet. Wenn wir das hinbekommen, wer soll uns dann schlagen? (schmunzelt)

Sie sagten, wir sollten nicht schreiben, dass das Spiel gegen Augsburg ein Endspiel sei. . .

Heldt: . . . Sie können schreiben, was Sie wollen (lacht).

Danach geht es zu Union Berlin, dann kommt Leverkusen. Was passiert, wenn der FC am Samstag wieder verliert?

Heldt: Dann bereiten wir uns auf das nächste Spiel vor. Bis Samstag geht es darum, Zuversicht vorzuleben. Das ist ein Schlüssel zum Erfolg. Am Samstag gibt es das Ergebnis und dann eine neue Betrachtungsweise. Ich habe keine Angst davor. Es geht in jedem Fall weiter. Das erste Ziel ist es, bis zum Winter so viele Punkte wie möglich zu holen. Nach dem Spiel am Samstag müssen sie sagen können, ihre beste Leistung abgerufen zu haben.

Gegen Leipzig war das nicht der Fall?

Heldt: Die spielen in einer anderen Liga, das ist eine andere Qualität, nicht unsere Kragenweite. Die spielen in der Champions League, wir nicht!

Haben Sie denn in der täglichen Arbeit eine Veränderung festgestellt?

Heldt: Markus Gisdol ist der richtige Trainer für diese Mannschaft, nicht nur für den Moment, sondern grundsätzlich. Er ist in der Lage, eine Mannschaft zu definieren und ihr schnellstmöglich zu helfen. Deshalb ist er hier. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit ihm die Kehrtwende schaffen.

Sie kämpfen auch noch gegen Vorurteile an, auch weil Ihre Verpflichtung vor zwei Jahren schief ging.

Heldt: Daran hatte ich meinen Anteil, war zu euphorisch, als sich die Möglichkeit ergab. Das hätte ich besser vorbereiten müssen. Auch deshalb gibt es diese Vorurteile. Es wird beispielsweise gesagt, ich sei abgehalftert, zu alt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Erfahrung heute nicht mehr zählt.

Im Gemeinsamen Ausschuss des Vereins, der über Ihre Einstellung zu entscheiden hatte, waren zunächst nicht alle Mitglieder von Ihnen überzeugt. Wie sehen Sie das rückblickend?

Heldt: Skepsis kann nicht schaden. Ich war jedoch froh darüber, dass ein Headhunter in den Prozess eingebunden war. Ein ausgewiesener Fachmann, nicht unbedingt für den Fußballbereich, aber einer für Menschen mit Führungsqualitäten. Er hat das Gespräch mit mir als gut bewertet. Das gab mir Zuversicht. Auch wenn ich gescheitert wäre, hätte ich es als gut eingestuft. Ohne ihn hätte ich vielleicht nicht die Möglichkeit bekommen, zum FC zurückzukehren.

Wollen Sie in Köln Ihren Ruf wieder herstellen?

Heldt: Nein, das ist nicht mein Ziel. Ich bin hier, um meiner Aufgabe und dem Club gerecht zu werden. Und natürlich will ich gute Arbeit leisten, damit wir Erfolg haben. Als ich den FC vor mehr als 24 Jahren verlassen habe, hatte ich zwei Ziele: Nationalspieler werden, was mir bei 1860 München gelungen ist, und noch einmal zum Verein zurückzukommen. Jetzt möchte ich alles dafür tun, dass es dem FC wieder besser geht. Dafür werde ich mich voll und ganz einsetzen. Und ich habe die große Hoffnung, dass das gut geht.

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