Sportliche Leiterin zum Frauenfußball beim FC Nicole Bender: „Noch ist es ein Minusgeschäft“

Interview · Nicole Bender, die Sportliche Leiterin des Frauen-Bundesligisten 1. FC Köln, glaubt an einen großen Wandel im Frauenfußball. Im GA-Interview spricht sie über den Umbruch, finanzielle Gegebenheiten und die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer.

 Einst Spielerin, jetzt Sportliche Leiterin der Frauenabteilung beim 1. FC Köln: Nicole Bender.

Einst Spielerin, jetzt Sportliche Leiterin der Frauenabteilung beim 1. FC Köln: Nicole Bender.

Foto: Herbert Bucco

Wie haben sich das Umfeld und das Interesse an der Frauenmannschaft des 1. FC Köln nach dem Bundesliga-Aufstieg verändert?

Nicole Bender: Wir haben unsere Zuschauerzahl im Vergleich zu der von vor zwei Jahren, als wir zuletzt 1. Liga gespielt haben, vervierfacht. Damals hatten wir einen Schnitt von 250 Zuschauern, jetzt sind es um die 1000. Mit dem Wert sind wir in der Bundesliga auf Platz vier gelandet und stehen sogar vor Bayern München. Von daher sind wir sehr zufrieden. Wir können es kaum erwarten, in die neue Spielzeit zu starten. Wenn wir die Zuschauerzahl weiter erhöhen, wäre das ein großer Erfolg für uns.

Für die neue Spielzeit wurden Ausnahmetalente wie Sarah Puntigam, Selina Cerci und Alena Bienz verpflichtet. Sie streben offenbar einen Umbruch an. Welche kurzfristigen Ziele möchte der Verein erreichen?

Bender: Erst einmal sind wir den Mädels, die viele Jahre für uns gespielt haben, sehr dankbar. Es war traurig, elf zu verabschieden. Wir haben uns aber zukunftsorientiert für diesen Umbruch entschieden. Wir hatten in der vergangenen Spielzeit einen Altersdurchschnitt von 26 Jahren und liegen in der kommenden Saison bei knapp über 21. Wir wollen uns mit einem jungen, dynamischen Team mittelfristig in der 1. Liga etablieren.

Die erste Mannschaft spielt in der Bundesliga, die U20 ist in die 2. Liga aufgestiegen. Wie hoch lässt sich der Wirtschaftsfaktor Frauenfußball beim 1. FC Köln einschätzen?

Bender: Das ist leider noch ein Minusgeschäft. Deswegen sind wir sehr dankbar, dass der Frauenfußball dem gesamten Club trotzdem wichtig ist. Wir haben Sponsorenverträge und bekommen Fernsehgelder, aber es ist noch viel Arbeit, bis der Frauenfußball auch für den FC finanziell lukrativ wird. Die Geschäftsführung und der Vorstand arbeiten daran, diese Lücke kleiner werden zu lassen.

Gibt es eine feste Größe, wie viel Geld von der Männer- in die Frauenabteilung fließt, oder wie kann man sich die Budget-Verteilung vorstellen?

Bender: Die erste Frauenmannschaft läuft über das Budget der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die U13 bis U20-Mannschaften laufen über den Etat des e.V. Es gibt zwei Töpfe, die beide zum 1. FC Köln gehören, insgesamt haben wir unsere eigene Budget-Verwaltung.

Christian Keller hat für die Profis einen harten Sparkurs angekündigt. Bei Außenstehenden stellt sich die Frage, woher die Investitionsbereitschaft bei den Frauen kommt…

Bender: Wir beim 1. FC Köln sind davon überzeugt, dass sich der Frauenfußball in den nächsten Jahren enorm entwickeln wird. In den letzten Jahren hat sich schon viel getan. Es ist Teil meines Jobs, den FC zu beraten und Zukunftstendenzen aufzuzeigen. Die EM-Spiele werden alle im Free-TV übertragen, zum Eröffnungsspiel kamen mehr als 68 000 Zuschauer, und nächstes Jahr folgt die WM. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in den nächsten Jahren einen großen Wandel in Europa und vielleicht sogar weltweit haben. Darüber hinaus geht es im Frauenfußball weitestgehend um ablösefreie Transfers. Das sind andere Dimensionen als bei den Männern.

Nehmen Sie diese Entwicklungsgedanken auch bei anderen Vereinen wahr?

Bender: Wir stehen in engem Austausch mit anderen Bundesligavereinen, und alle freuen sich auf die Zukunft. Das merkt man an den vielen jungen Fußballerinnen, die derzeit ihre Schuhe schnüren. Die Anmeldezahlen für die Probetrainings sind sehr erfreulich. Clubs wie Bayern München und der VfL Wolfsburg sind zugegebenermaßen noch viel weiter, haben aber auch zehn Jahre mehr Erfahrung gesammelt.

Zuletzt hat der DFB das sogenannte Equal Pay, also die gleiche Bezahlung für Männer und Frauen, abgelehnt. Können Sie die Entscheidung nachvollziehen?

Bender: Der DFB wird dafür seine Gründe haben. Es wäre gerade jetzt vor der EM ein schönes Zeichen gewesen. Andere Länder wie Spanien und England haben die gleichen Prämien eingeführt. Wir akzeptieren die Entscheidung des DFB. Es hat ja eine Erhöhung gegeben, in Anbetracht der Bewerbung auf die WM 2027 kann man aber sicherlich auf eine neue Bewertung hinarbeiten.

Die Spielerinnen sind hauptsächlich Arbeitnehmerinnen der Vereine. Müsste nicht zuerst auf dieser Ebene über Equal Pay diskutiert werden?

Bender: Wir sind dafür verantwortlich und haben ein gutes Fundament für die kommende Saison gelegt. Wir haben im Verein daran gearbeitet, dass wir ab der kommenden Saison erstmalig einen Profikader haben, in dem die Spielerinnen sich ausschließlich auf den Fußball fokussieren können. Von einer Gehälter-Angleichung an den Männerfußball sind wir jedoch noch weit entfernt. Uns geht es erst mal darum, dass die Frauen von ihrem Fußballgehalt leben und ihren Tagesablauf darauf ausrichten können. Die Profi-Männer haben Woche für Woche 50 000 Zuschauer, haben eine ganz andere Präsenz und erwirtschaften dementsprechend mehr Geld.

Einige Spielerinnen sagen aber, dass Equal Play, also die gleichen Trainings- und Rahmenbedingungen, im Vordergrund stehen sollte. Wie steht es um die Infrastruktur beim FC?

Bender:Wir haben das Glück, dass wir im Gegensatz zu anderen Clubs mit dem Geißbockheim den gleichen Standort wie unsere Lizenzabteilung und das Nachwuchsleistungszentrum haben und wir die vorhandenen Strukturen nutzen können. Jeder weiß allerdings, dass die Bedingungen hier nicht mehr zeitgemäß sind und ein Umbau dringend notwendig ist.

Wäre der Ausbau dann gleichermaßen für Männer- und Frauenabteilung gedacht?

Bender: In die Pläne sind wir mit einbezogen. Aktuell wird ein Teil des Lizenzbereichs renoviert. Wenn der Ausbau am Geißbockheim genehmigt wird, wird die Frauenabteilung in den Genuss kommen, ihn zu nutzen. Das wären optimale Voraussetzungen. Ich würde persönlich mit dem Spaten mithelfen, wenn wir endlich die Zusage für den Ausbau erhalten würden.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, um das Interesse für den Frauenfußball zu fördern?

Bender: Auf der einen Seite fragt sich jeder, warum die Frauen im Fußball weniger verdienen. Auf der anderen Seite muss sich jeder selbst hinterfragen, bei wie vielen Frauenfußballspielen er schon war. Jeder ist herzlich eingeladen, zu unseren Spielen zu kommen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.

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