Banner der „Wilden Horde“ Darum ist für den FC ein Pauschal-Ausschluss der Ultras kein Thema
Update | Köln · Wenige Tage nach den Ausschreitungen in Nizza kocht das Thema beim 1. FC Köln wieder hoch. Stunden bevor sich die FC-Führung mit Ultras treffen wollte, solidarisieren sich offenbar Kölner Gruppierungen mit französischen Ultras.
Zumindest für einen Nachmittag hatten sich die Protagonisten rund um den 1. FC Köln vorgenommen, die Ausschreitungen von Nizza am vergangenen Donnerstag zur Randnotiz werden zu lassen. Natürlich betonte FC-Sportdirektor Christian Keller im Rahmen des Bundesliga-Spiels gegen Union Berlin am Sonntag noch einmal, alles aufklären zu wollen und die „Hirnverbrannten“ vom Fußball auszuschließen. Das Hauptaugenmerk sollte aber auf der Begegnung gegen die Eisernen liegen.
Im Hintergrund war da allerdings dem Vernehmen nach bereits ein Treffen mit Vertretern der Kölner Ultras geplant. Teil des Gesprächs dürfte dann wohl auch ein Banner geworden sein, das offenbar Mitglieder der Ultra-Gruppierung „Wilde Horde“ eine gute halbe Stunde vor Spielbeginn aufgehangen hatten. „So lange man die Horde hört, gehören die Supras dazu“, stand dort in französischer Sprache. Offenkundig solidarisierte sich eben jene „Wilde Horde“ mit den befreundeten Ultras aus Paris, den „Supras Auteuil“. Mitglieder dieser Gruppierung sollen sich am Donnerstag unter die FC-Hooligans gemischt und an der Massenschlägerei beteiligt haben. „Supras Auteuil“ ist seit 2010 verboten. Auch, weil im Rahmen einer Schlägerei ein Mensch ums Leben gekommen war. Beinahe wäre auch am Donnerstag ein „Fan“ ums Leben gekommen. Ein französischer Anhänger war vom Oberrang gestürzt und hatte sich schwer verletzt.

So bewerten wir die FC-Spieler gegen Nizza
FC-Ultras mit Botschaft an verbotene Gruppierung?
FC-Sportdirektor Christian Keller warnte davor, zu schnell Schlüsse zu ziehen. Tatsächlich kann das Wort „Supras“ mit dem deutschen Begriff der „Ultras“ übersetzt werden. In Fankreisen ist man sich aber einig, an wen die Botschaft gerichtet war: eben an die Pariser Ultras. Der Verein gab bekannt, dass das Banner nicht, wie gewohnt und gefordert, mit dem Club abgesprochen gewesen sei. Es bedarf eigentlich einer Genehmigung. Und so entstand unweigerlich der Eindruck, als würden die Ultras dem Verein auf der Nase herumtanzen. Und der Club? Der setzt auf Dialog, während in den Sozialen Netzwerken der Schrei nach einem Staidonverbot lauter wird.
„Man kann Gruppen pauschal nicht einfach ausschließen. Das lässt das deutsche Rechtsverständnis nicht zu“, sagt Fanforscher Jonas Gabler im GA-Interview. „Personen dürfen nicht aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausgeschlossen werden.“ Sobald die einzelnen Gewalttäter aber identifiziert sind, seien Stadionverbote kein Problem – zumindest in Köln, denn da hat der FC Hausrecht. „Ein Ausschluss wäre auch nicht hilfreich: Es würde eher zu einer Solidarisierung mit den Gewalttätern innerhalb der Gruppe führen“, so der Experte weiter. Viel mehr sollten die Vereine das Gespräch suchen. Das tut der FC auch aus Eigeninteresse. Der Club will es sich auf keinen Fall mit den Ultras verscherzen.
FC kann an Ausschluss nicht interessiert sein
Warum auch? Denn entgegen des Klischees sind die Ultras alles andere als nur angetrunkene Schläger. Die sogenannten organisierten Fans verfügen zum Teil über einen akademischen Abschluss, engagieren sich in sozialen Einrichtungen, setzen sich für Bedürftige ein. Vor allem aber sorgen sie im Stadion für viel Stimmung. „Für mich sind die Fans und vor allem die aktive Fanszene der Nukleus des Profi-Fußballs. Wenn es noch etwas gebraucht hat, um das zu zeigen, dann war es die Pandemie. Die Pandemie hat sich teilweise angefühlt wie Feierabend-Fußball um 19.30 Uhr irgendwo auf dem Dorf-Sportplatz“, hatte Keller im April gesagt. „Ohne Fans ist Fußball nicht komplett, ohne Fans fehlt das Herz. Und wenn jetzt die organisierte Fanszene wieder da ist, dann ist Fußball wieder komplett.“ Das sieht auch Fanforscher Gabler so. „Ja, ein stückweit haben die Vereine ein Interesse, Ultras nicht pauschal auszuschließen“, sagt der Experte, eben vor allem wegen der tollen Atmosphäre, mit der der Club natürlich in Trailern werben kann. „Der Verein und der Rest der Fanszene sollten den Austausch suchen, warum diese Vorkommnisse sich nicht wiederholen dürfen“, sagt Gabler dem GA. Dieser Austausch wurde also offenbar am Sonntag gesucht, über den Inhalt ist nichts bekannt.
Die Identifikation der Täter schreitet unterdessen voran. Wie die Kölner Polizei mitteilte, sind bereits über 200 Hinweise und mehr als 500 Videos oder Fotos zu den Ausschreitungen eingegangen. Schon am Freitag hatten die Beamten dafür ein Portal zur Verfügung gestellt. Gut möglich, dass es also zu Stadion-Verboten kommt. Dass das Aufhängen des Banners ein Nachspiel von Club-Seiten hat, ist eher unwahrscheinlich.