Erfolge, Europa, Emotionen So fällt unsere Saisonbilanz zum 1. FC Köln aus

Köln · Zum ersten Mal seit Einführung der Drei-Punkte-Regel hat der 1. FC Köln 52 Punkte eingefahren. Nicht der einzige Rekord. Überhaupt blickt der FC auf eine erfolgreiche Saison zurück. Wir blicken mit.

1. FC Köln: So fällt die Saisonbilanz aus
Foto: Herbert Bucco

Die Pose war ungewohnt. Die Hände tief in den Taschen, überraschend aufrecht, die Mimik nachdenklich, vielleicht angefasst. Irritierend still stand Steffen Baumgart auf dem Rasen des Gladbacher Stadions und blickte in den Rücken seiner Spieler. Der Kontrast der feiernden, singenden Kölner Profis vor den jubelnden Fans, Meter dahinter der Kölner Coach – nahezu bewegungslos. Ein starkes Bild. Baumgart gönnte nach dem 4:1-Derbysieg, dem zweiten dieser Spielzeit, seinen Spielern die Bühne. Es wirkte aber auch, als würde er in diesem Moment begreifen, was er da in den vergangenen Monaten angestellt oder bewegt hat. Diese Mannschaft, die noch im vergangenen Jahr häufiger mit gesenktem Haupt über den Platz schlich als sie Punkte einsammelte, hat der Trainer verwandelt. Es hatte den Anschein, als würden dem 50-Jährigen diese Gedanken durch den Kopf gehen.

Taten sie vermutlich nicht. Denn Baumgart ist kein Nostalgiker. Der Trainer lebt im Hier und Jetzt und genoss vermutlich einfach nur diesen Moment, den zweiten Derbysieg gegen Gladbach, die ungeahnte Chance auf den europäischen Wettbewerb. An all das war vor genau einem Jahr nicht zu denken. Nach einer denkbar schlechten Saison, mit teils desaströsen Auftritten der Geißböcke, stand der FC vor einem Scherbenhaufen. Es drohte der Abstieg und noch ein wenig weiter am Horizont der finanzielle Kollaps. Die ersten Experten malten dem FC das endgültige Aus aus. Die Kölner würden sich vom siebten Abstieg der Vereinsgeschichte nicht mehr erholen.

Baumgart hielt seine Versprechen

In dieser Zeit fasste Steffen Baumgart einen erstaunlichen Entschluss. Der Übungsleiter entschied sich gegen Angebote aus Hamburg oder Schalke, wohl auch Leverkusen, dafür für den FC. Baumgart sah etwas in diesem Team. “Die Qualität habe ich auch in unseren Spielen mit Paderborn gegen Köln gesehen. Viele Spieler waren damals schon da“, sagte der 50-Jährige im GA-Interview. „Ganz viele Spieler haben eine hohe Qualität.“ Diese Qualität wollte der neue Trainer aus der Mannschaft herauskitzeln und das mit einem ähnlichen Kader. Nur Timo Hübers, Dejan Ljubicic, Luca Kilian, Mark Uth und Marvin Schwäbe verstärkten den FC im Sommer. Einzig Mark Uth trauten viele Experten einen Stammplatz in der Startelf zu, am Ende der Saison hatte jeder Neuzugang einen.

Mindestens der zwölfte Tabellenplatz, attraktiver Fußbball, Spaß im Kölner Stadion – Baumgart versprach viel, wurde dafür mitunter belächelt und legte gleichzeitig die eigene Hürde, an der er sich würde messen lassen müssen, überraschend hoch. Doch der Trainer hielt seine Versprechen. Alle. Die beeindruckende Saison schloss der FC auf dem siebten Tabellenplatz ab, Baumgart entwickelte das Team weiter und sorgte so meist für gute Laune im Kölner Stadion. 14 Spiele gewann der FC, darunter die Partien gegen Leverkusen und eben Mönchengladbach. Köln punktete gegen die Top-Teams und holte zum ersten Mal seit der Einführung der Drei-Punkte-Regel 52 Zähler in einer Saison.

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Baumgarts Erfolgsrezept: „hohe Intensität“. Das bläute der Trainer seinen Spielern, aber auch der Öffentlichkeit, mantraartig ein. Der FC sollte die Gegner hoch anlaufen, früh unter Druck setzen und aus dem Umschaltspiel Profit schlagen. Es funktionierte. „Jeder Trainer hat da seine eigene Idee, seine eigene Intensität. Im Moment ist es sehr anstrengend“, sagte Salih Özcan im Sommer im Trainingslager in Donaueschingen. „Wir müssen einfach an den Punkt kommen, dass wir die Idee des Trainers im Spiel umsetzen können. Dass wir die entscheidenden Meter machen können.“ Die konnte der FC machen, zunächst in der Vorbereitung mit Erfolgen gegen meist unterklassige Teams, dann aber auch nach einem zähen Pokalauftakt im ersten Liga-Spiel. „Wir haben dann das erste Spiel zu Hause gegen Berlin nach einem 0:1-Rückstand mit 3:1 gewonnen“, sagte Mark Uth dem GA. „Ab diesem Moment haben wir daran geglaubt.“ Glaube, Vertrauen – wichtige Mosaiksteine in Baumgarts System. „Auch wenn der Weg am Anfang lang schien. Den sind alle von Beginn an mitgegangen, haben ihm nicht nur vertraut, sondern haben ihn auch umgesetzt“, sagte Baumgart. „Und dabei haben sie schnell gemerkt, dass das tatsächlich funktionieren kann.“

Erfolg verleiht Kölner Profis Flügel

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Foto: dpa/Marius Becker

Und das schien einigen Spielern Flügel zu verleihen. Wechselkandidat Salih Özcan wurde für den Trainer „unverzichtbar“, der zuvor unzufriedene Anthony Modeste zur Kölner Lebensversicherung und der manchmal hölzern wirkende Benno Schmitz zum „Kölschen Cafu“. Timo Hübers avancierte zum Abwehrchef, Luca Kilian zu dessen Adjutant, nach dem die Innenverteidiger Rafael Czichos und Jorge Meré im Winter das Weite suchten.

Leverkusen hätte die Wende einläuten können

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Foto: Bernd Thissen

Dabei hätte die Saison auch einen ganz anderen Verlauf nehmen können. Als der FC nach dem 0:5-Debakel gegen Hoffenheim am siebten Spieltag auch gegen Leverkusen bereits nach 17 Minuten mit 0:2 zurücklag. Bayer spulte einen Tempo-Fußball herunter, dem die Geißböcke nicht folgen konnten. Wenn die Mannschaft um Florian Wirtz nur einen kleinen Anteil der Tempo-Angriffe konsequenter gespielt hätte, Köln hätte sich über ein halbes Dutzend Gegentreffer zur Halbzeit nicht beschweren dürfen. Vermutlich wäre es der Wendepunkt des Kölner Erfolgsfußballs geworden. Kaum vorstellbar, wie sich der FC davon hätte erholen sollen. Wurde es nicht. Dank Modeste. Der Franzose glich mit einem Doppelpack aus, bescherte dem FC einen weiteren Punkt und wendete die erste Krise ab. „Wir spielen einfach weiter, unabhängig von dem Spielstand“, sagte Uth. „Wenn wir 0:1 zurückliegen, geben wir auch nicht auf. Ich glaube, das ist der ausschlaggebende Grund, warum wir diese Saison so erfolgreich sind.“

Und, weil der FC über einen wiedererstarkten Goalgetter verfügte. 20 Tore erzielte Modeste, zehn mit dem Kopf. Nur Sergej Barbarez und Jan Koller waren per Kopfball jeweils erfolgreicher. Modeste erinnerte an seine beste Zeit, als er den FC 2016/2017 quasi im Alleingang in die Europa League schoss. Dieses Mal öffnete er die Tür zur Conference League und ebnete seinem Team einen erholsamen Urlaub.

Steffen Baumgart verbringt einen Teil davon an der Ostsee. Gut möglich, dass er am Meer stehen wird. Den Blick Richtung Horizont. Still, in sich gekehrt. Vielleicht denkt er an das Aus im DFB-Pokal als Florian Kainz sich im Elfmeterschießen selbst anschoss, vielleicht an Modeste, der ihm die Schiebermütze stibitzte, vielleicht an Ondrej Duda, der das Aufwärmen boykottierte. Wenn er daran denkt, kann er es mit einem Lächeln tun. Der FC hat in dieser Saison einfach viel richtig gemacht.